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Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841.

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durch Zeichen, daß wir uns entkleiden möchten; man wik-
kelt sich ein halbseidenes blaues Tuch um die Hüften und
bekommt ein Handtuch als Turban um den Kopf, von
welchem angenommen wird, daß er nur aus Versehen nicht
geschoren ist. Nach dieser Einkleidung schob man uns in
eine dritte gewölbte Halle hinein, deren marmorner Fuß-
boden so stark geheizt war, daß man ihn nur auf hölzer-
nen Patinen (Galendschi) betreten konnte. Unter der Mitte
der Kuppel, durch deren sternförmige, mit dickem Glas ge-
schlossene Oeffnungen das Tageslicht eindringt, erhebt sich
ein zwei Schuhe hohes Plateau mit Marmor, Jaspis,
Porphyr und Agat reich ausgelegt, und auf welches man
sich behaglich hinstreckt. Der Telektschi oder Badewärter
schreitet nun zu einer ganz eigenthümlichen Procedur. Der
ganze Körper wird gerieben und alle Muskeln gereckt und
gedrückt. Der Mann kniet einem auf die Brust, oder fährt
mit dem Knöchel des Daumens den Rückgrat herab; alle
Glieder, die Finger und selbst das Genick bringt er durch
eine leichte Manipulation zum Knacken. Wir mußten oft
laut auflachen, aber der Schmerz nach dem langen müh-
seligen Ritt war verschwunden. Durch Klatschen in die
Hände giebt der Telektschi das Zeichen, daß er mit seiner
Operation fertig sei. Man begiebt sich nun in die kleinen
noch stärker erwärmten Zellen, welche die große Halle um-
geben. Hier sprudelt klares Wasser in Marmorbecken, und
zwar nach Belieben, aus zwei Hähnen, warmes und kaltes.
Patient wird nun demselben Verfahren unterworfen, wie
die türkischen Pferde beim Striegeln, indem nämlich der
Wärter einen kleinen Sack aus Ziegenhaar (Gebrek) über
die rechte Hand zieht und damit den ganzen Körper an-
haltend überfährt. Dies ist allerdings eine gründliche Rei-
nigung, und man möchte sagen, daß man noch nie gewa-
schen gewesen ist, bevor man nicht ein türkisches Bad ge-
nommen. Der Telektschi erscheint nun aufs Neue mit einer
großen Schüssel mit wohlriechendem Seifenschaum. Mit-
telst eines großen Quastes aus den Fasern der Palmrinde

durch Zeichen, daß wir uns entkleiden moͤchten; man wik-
kelt ſich ein halbſeidenes blaues Tuch um die Huͤften und
bekommt ein Handtuch als Turban um den Kopf, von
welchem angenommen wird, daß er nur aus Verſehen nicht
geſchoren iſt. Nach dieſer Einkleidung ſchob man uns in
eine dritte gewoͤlbte Halle hinein, deren marmorner Fuß-
boden ſo ſtark geheizt war, daß man ihn nur auf hoͤlzer-
nen Patinen (Galendſchi) betreten konnte. Unter der Mitte
der Kuppel, durch deren ſternfoͤrmige, mit dickem Glas ge-
ſchloſſene Oeffnungen das Tageslicht eindringt, erhebt ſich
ein zwei Schuhe hohes Plateau mit Marmor, Jaspis,
Porphyr und Agat reich ausgelegt, und auf welches man
ſich behaglich hinſtreckt. Der Telektſchi oder Badewaͤrter
ſchreitet nun zu einer ganz eigenthuͤmlichen Procedur. Der
ganze Koͤrper wird gerieben und alle Muskeln gereckt und
gedruͤckt. Der Mann kniet einem auf die Bruſt, oder faͤhrt
mit dem Knoͤchel des Daumens den Ruͤckgrat herab; alle
Glieder, die Finger und ſelbſt das Genick bringt er durch
eine leichte Manipulation zum Knacken. Wir mußten oft
laut auflachen, aber der Schmerz nach dem langen muͤh-
ſeligen Ritt war verſchwunden. Durch Klatſchen in die
Haͤnde giebt der Telektſchi das Zeichen, daß er mit ſeiner
Operation fertig ſei. Man begiebt ſich nun in die kleinen
noch ſtaͤrker erwaͤrmten Zellen, welche die große Halle um-
geben. Hier ſprudelt klares Waſſer in Marmorbecken, und
zwar nach Belieben, aus zwei Haͤhnen, warmes und kaltes.
Patient wird nun demſelben Verfahren unterworfen, wie
die tuͤrkiſchen Pferde beim Striegeln, indem naͤmlich der
Waͤrter einen kleinen Sack aus Ziegenhaar (Gebrek) uͤber
die rechte Hand zieht und damit den ganzen Koͤrper an-
haltend uͤberfaͤhrt. Dies iſt allerdings eine gruͤndliche Rei-
nigung, und man moͤchte ſagen, daß man noch nie gewa-
ſchen geweſen iſt, bevor man nicht ein tuͤrkiſches Bad ge-
nommen. Der Telektſchi erſcheint nun aufs Neue mit einer
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telſt eines großen Quaſtes aus den Faſern der Palmrinde

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[15/0025] durch Zeichen, daß wir uns entkleiden moͤchten; man wik- kelt ſich ein halbſeidenes blaues Tuch um die Huͤften und bekommt ein Handtuch als Turban um den Kopf, von welchem angenommen wird, daß er nur aus Verſehen nicht geſchoren iſt. Nach dieſer Einkleidung ſchob man uns in eine dritte gewoͤlbte Halle hinein, deren marmorner Fuß- boden ſo ſtark geheizt war, daß man ihn nur auf hoͤlzer- nen Patinen (Galendſchi) betreten konnte. Unter der Mitte der Kuppel, durch deren ſternfoͤrmige, mit dickem Glas ge- ſchloſſene Oeffnungen das Tageslicht eindringt, erhebt ſich ein zwei Schuhe hohes Plateau mit Marmor, Jaspis, Porphyr und Agat reich ausgelegt, und auf welches man ſich behaglich hinſtreckt. Der Telektſchi oder Badewaͤrter ſchreitet nun zu einer ganz eigenthuͤmlichen Procedur. Der ganze Koͤrper wird gerieben und alle Muskeln gereckt und gedruͤckt. Der Mann kniet einem auf die Bruſt, oder faͤhrt mit dem Knoͤchel des Daumens den Ruͤckgrat herab; alle Glieder, die Finger und ſelbſt das Genick bringt er durch eine leichte Manipulation zum Knacken. Wir mußten oft laut auflachen, aber der Schmerz nach dem langen muͤh- ſeligen Ritt war verſchwunden. Durch Klatſchen in die Haͤnde giebt der Telektſchi das Zeichen, daß er mit ſeiner Operation fertig ſei. Man begiebt ſich nun in die kleinen noch ſtaͤrker erwaͤrmten Zellen, welche die große Halle um- geben. Hier ſprudelt klares Waſſer in Marmorbecken, und zwar nach Belieben, aus zwei Haͤhnen, warmes und kaltes. Patient wird nun demſelben Verfahren unterworfen, wie die tuͤrkiſchen Pferde beim Striegeln, indem naͤmlich der Waͤrter einen kleinen Sack aus Ziegenhaar (Gebrek) uͤber die rechte Hand zieht und damit den ganzen Koͤrper an- haltend uͤberfaͤhrt. Dies iſt allerdings eine gruͤndliche Rei- nigung, und man moͤchte ſagen, daß man noch nie gewa- ſchen geweſen iſt, bevor man nicht ein tuͤrkiſches Bad ge- nommen. Der Telektſchi erſcheint nun aufs Neue mit einer großen Schuͤſſel mit wohlriechendem Seifenſchaum. Mit- telſt eines großen Quaſtes aus den Faſern der Palmrinde

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Zitationshilfe: Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/25>, abgerufen am 29.03.2024.