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Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841.

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einen Ritt im Winter mit dem Tartaren durch Bulgarien
und Rumelien nicht empfehlen.

Am Abend des zweiten Tages erreichten wir Schumla.
Nachdem man die Höhe, auf welcher das Fort Strandscha
liegt, erstiegen, hat man einen prächtigen Anblick auf die
Stadt mit ihren zierlichen Minarehs und großen Kasernen,
auf die steilen Berge, welche hinter ihr emporsteigen, und
die weite Ebene, die von dem Fuß derselben bis zur Do-
nau reicht. Die Vorberge des Balkan umfassen Schumla
in Form eines Hufeisens, und die offene Seite ist durch
Verschanzungen geschützt. Die Stadt ist weit freundlicher
und besser gebaut, als Rustschuk, und die Hauptmoschee
sehr zierlich und schön.

Hunger, Kälte und Ermüdung nach vierzehnstündigem
Ritt schüttelten mir die Glieder mit Fieberfrost, als ich im
Caravanseraj abstieg, und die kurzen Steigbügel des Tar-
taren-Sattels hatten meine Beine fast gelähmt. Man
schlug mir vor, ins Hamamm oder türkische Bad zu gehen.
Da ich von diesem Bade noch keine Vorstellung hatte, so
schleppte ich mich mühsam dahin, um es wenigstens zu
sehen. Wir traten in ein weites hohes Gewölbe, in dessen
Mitte ein Springbrunnen plätscherte, der mir die Kälte,
so zu sagen, anschaulich machte, welche in diesen Räumen
herrschte. Jch verspürte nicht die geringste Versuchung,
nur das kleinste Stück meiner Toilette abzulegen; überdies
sah ich durchaus keine Badewanne und dachte nur mit
Schrecken an den Springbrunnen und seine Eiszapfen.
Mit Erstaunen erblickte ich auf der hölzernen Estrade, welche
rings das Gemach umgab, mehrere Männer auf Teppichen
und Matratzen liegen, bloß mit einem dünnen Leintuch zu-
gedeckt, behaglich die Pfeife rauchend, und sich wie an
einem schwülen Sommertage an der Kühle labend, die mir
in diesem Augenblick so entsetzlich schien.

Der Badewärter, der in unsern bedenklichen Mienen
las, führte uns in ein zweites Gewölbe, in welchem schon
eine ganz anständige Hitze war. Hier bedeutete man uns

einen Ritt im Winter mit dem Tartaren durch Bulgarien
und Rumelien nicht empfehlen.

Am Abend des zweiten Tages erreichten wir Schumla.
Nachdem man die Hoͤhe, auf welcher das Fort Strandſcha
liegt, erſtiegen, hat man einen praͤchtigen Anblick auf die
Stadt mit ihren zierlichen Minarehs und großen Kaſernen,
auf die ſteilen Berge, welche hinter ihr emporſteigen, und
die weite Ebene, die von dem Fuß derſelben bis zur Do-
nau reicht. Die Vorberge des Balkan umfaſſen Schumla
in Form eines Hufeiſens, und die offene Seite iſt durch
Verſchanzungen geſchuͤtzt. Die Stadt iſt weit freundlicher
und beſſer gebaut, als Ruſtſchuk, und die Hauptmoſchee
ſehr zierlich und ſchoͤn.

Hunger, Kaͤlte und Ermuͤdung nach vierzehnſtuͤndigem
Ritt ſchuͤttelten mir die Glieder mit Fieberfroſt, als ich im
Caravanſeraj abſtieg, und die kurzen Steigbuͤgel des Tar-
taren-Sattels hatten meine Beine faſt gelaͤhmt. Man
ſchlug mir vor, ins Hamamm oder tuͤrkiſche Bad zu gehen.
Da ich von dieſem Bade noch keine Vorſtellung hatte, ſo
ſchleppte ich mich muͤhſam dahin, um es wenigſtens zu
ſehen. Wir traten in ein weites hohes Gewoͤlbe, in deſſen
Mitte ein Springbrunnen plaͤtſcherte, der mir die Kaͤlte,
ſo zu ſagen, anſchaulich machte, welche in dieſen Raͤumen
herrſchte. Jch verſpuͤrte nicht die geringſte Verſuchung,
nur das kleinſte Stuͤck meiner Toilette abzulegen; uͤberdies
ſah ich durchaus keine Badewanne und dachte nur mit
Schrecken an den Springbrunnen und ſeine Eiszapfen.
Mit Erſtaunen erblickte ich auf der hoͤlzernen Eſtrade, welche
rings das Gemach umgab, mehrere Maͤnner auf Teppichen
und Matratzen liegen, bloß mit einem duͤnnen Leintuch zu-
gedeckt, behaglich die Pfeife rauchend, und ſich wie an
einem ſchwuͤlen Sommertage an der Kuͤhle labend, die mir
in dieſem Augenblick ſo entſetzlich ſchien.

Der Badewaͤrter, der in unſern bedenklichen Mienen
las, fuͤhrte uns in ein zweites Gewoͤlbe, in welchem ſchon
eine ganz anſtaͤndige Hitze war. Hier bedeutete man uns

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[14/0024] einen Ritt im Winter mit dem Tartaren durch Bulgarien und Rumelien nicht empfehlen. Am Abend des zweiten Tages erreichten wir Schumla. Nachdem man die Hoͤhe, auf welcher das Fort Strandſcha liegt, erſtiegen, hat man einen praͤchtigen Anblick auf die Stadt mit ihren zierlichen Minarehs und großen Kaſernen, auf die ſteilen Berge, welche hinter ihr emporſteigen, und die weite Ebene, die von dem Fuß derſelben bis zur Do- nau reicht. Die Vorberge des Balkan umfaſſen Schumla in Form eines Hufeiſens, und die offene Seite iſt durch Verſchanzungen geſchuͤtzt. Die Stadt iſt weit freundlicher und beſſer gebaut, als Ruſtſchuk, und die Hauptmoſchee ſehr zierlich und ſchoͤn. Hunger, Kaͤlte und Ermuͤdung nach vierzehnſtuͤndigem Ritt ſchuͤttelten mir die Glieder mit Fieberfroſt, als ich im Caravanſeraj abſtieg, und die kurzen Steigbuͤgel des Tar- taren-Sattels hatten meine Beine faſt gelaͤhmt. Man ſchlug mir vor, ins Hamamm oder tuͤrkiſche Bad zu gehen. Da ich von dieſem Bade noch keine Vorſtellung hatte, ſo ſchleppte ich mich muͤhſam dahin, um es wenigſtens zu ſehen. Wir traten in ein weites hohes Gewoͤlbe, in deſſen Mitte ein Springbrunnen plaͤtſcherte, der mir die Kaͤlte, ſo zu ſagen, anſchaulich machte, welche in dieſen Raͤumen herrſchte. Jch verſpuͤrte nicht die geringſte Verſuchung, nur das kleinſte Stuͤck meiner Toilette abzulegen; uͤberdies ſah ich durchaus keine Badewanne und dachte nur mit Schrecken an den Springbrunnen und ſeine Eiszapfen. Mit Erſtaunen erblickte ich auf der hoͤlzernen Eſtrade, welche rings das Gemach umgab, mehrere Maͤnner auf Teppichen und Matratzen liegen, bloß mit einem duͤnnen Leintuch zu- gedeckt, behaglich die Pfeife rauchend, und ſich wie an einem ſchwuͤlen Sommertage an der Kuͤhle labend, die mir in dieſem Augenblick ſo entſetzlich ſchien. Der Badewaͤrter, der in unſern bedenklichen Mienen las, fuͤhrte uns in ein zweites Gewoͤlbe, in welchem ſchon eine ganz anſtaͤndige Hitze war. Hier bedeutete man uns

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Zitationshilfe: Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/24>, abgerufen am 25.04.2024.