Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841.

Bild:
<< vorherige Seite

seift er seinen Mann vom Scheitel bis zur Fußsohle, Haare,
Gesicht, Alles ein, und mit wahrem Vergnügen gießt man
sich dann das kalte Wasser über Kopf, Brust und Leib.

Jetzt ist man fertig; statt der durchnäßten Tücher er-
hält man trockene, über dem Feuer erwärmte, umgewik-
kelt, einen Turban auf den Kopf und ein Laken über die
Schultern, denn die größte Dezenz wird beobachtet. B.
und ich erkannten uns in dieser Maskerade kaum wieder
und mußten Einer über den Andern lachen. Wir streckten
uns nun in der Eingangshalle so behaglich hin, wie wir
es von den Türken gesehen. Man schlürft einen Scher-
bet, Kaffee oder die Pfeife, und empfindet die Kälte nur
als angenehme Erfrischung, so innerlich durchwärmt ist der
Körper. Die Haut fühlt sich äußerst glatt und geschmei-
dig an, und es ist gar nicht zu beschreiben, wie erquickend
und wohlthätig ein solches Bad auf große Ermüdung wirkt.
Nach einem köstlichen Schlaf setzten wir am folgenden Mor-
gen unsern Ritt so frisch fort, als ob wir noch keine An-
strengung gehabt hätten.

Da alle Bäche und Flüsse ausgetreten waren, so muß-
ten wir uns von Schumla zu einem weiten Umweg über
Eski-Schumna und Osman-basary entschließen. Von
dort erstiegen wir ganz allmählig und auf breiten Schnee-
flächen den Balkan, und nachdem wir einen felsigen Grat
überschritten, sahen wir das tiefe Thal von Kasann vor
uns, in welches die Straße sich sehr steil hinabsenkt. Die
Stadt Kasann (Kessel) erblickt man erst in einer letzten
Schlucht, tief begraben zwischen den schroffen hohen Fels-
wänden. Jenseits windet sich der nur für Reiter prakti-
cable Pfad wieder sehr steil empor. Der Weg wird nun
dadurch, daß er über mehrere kleine Rücken und durch tiefe
Thäler zieht, äußerst beschwerlich. Endlich erreicht man
die letzte Höhe, von welcher man weit über das rumelische
Hügelland hinschaut. Hier wehte uns eine mildere Luft
entgegen; der Schnee verschwand, die Bäume trugen noch
Laub und zahllose Krokos blühten auf den grünen Wiesen.

ſeift er ſeinen Mann vom Scheitel bis zur Fußſohle, Haare,
Geſicht, Alles ein, und mit wahrem Vergnuͤgen gießt man
ſich dann das kalte Waſſer uͤber Kopf, Bruſt und Leib.

Jetzt iſt man fertig; ſtatt der durchnaͤßten Tuͤcher er-
haͤlt man trockene, uͤber dem Feuer erwaͤrmte, umgewik-
kelt, einen Turban auf den Kopf und ein Laken uͤber die
Schultern, denn die groͤßte Dezenz wird beobachtet. B.
und ich erkannten uns in dieſer Maskerade kaum wieder
und mußten Einer uͤber den Andern lachen. Wir ſtreckten
uns nun in der Eingangshalle ſo behaglich hin, wie wir
es von den Tuͤrken geſehen. Man ſchluͤrft einen Scher-
bet, Kaffee oder die Pfeife, und empfindet die Kaͤlte nur
als angenehme Erfriſchung, ſo innerlich durchwaͤrmt iſt der
Koͤrper. Die Haut fuͤhlt ſich aͤußerſt glatt und geſchmei-
dig an, und es iſt gar nicht zu beſchreiben, wie erquickend
und wohlthaͤtig ein ſolches Bad auf große Ermuͤdung wirkt.
Nach einem koͤſtlichen Schlaf ſetzten wir am folgenden Mor-
gen unſern Ritt ſo friſch fort, als ob wir noch keine An-
ſtrengung gehabt haͤtten.

Da alle Baͤche und Fluͤſſe ausgetreten waren, ſo muß-
ten wir uns von Schumla zu einem weiten Umweg uͤber
Eski-Schumna und Osman-baſary entſchließen. Von
dort erſtiegen wir ganz allmaͤhlig und auf breiten Schnee-
flaͤchen den Balkan, und nachdem wir einen felſigen Grat
uͤberſchritten, ſahen wir das tiefe Thal von Kaſann vor
uns, in welches die Straße ſich ſehr ſteil hinabſenkt. Die
Stadt Kaſann (Keſſel) erblickt man erſt in einer letzten
Schlucht, tief begraben zwiſchen den ſchroffen hohen Fels-
waͤnden. Jenſeits windet ſich der nur fuͤr Reiter prakti-
cable Pfad wieder ſehr ſteil empor. Der Weg wird nun
dadurch, daß er uͤber mehrere kleine Ruͤcken und durch tiefe
Thaͤler zieht, aͤußerſt beſchwerlich. Endlich erreicht man
die letzte Hoͤhe, von welcher man weit uͤber das rumeliſche
Huͤgelland hinſchaut. Hier wehte uns eine mildere Luft
entgegen; der Schnee verſchwand, die Baͤume trugen noch
Laub und zahlloſe Krokos bluͤhten auf den gruͤnen Wieſen.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0026" n="16"/>
&#x017F;eift er &#x017F;einen Mann vom Scheitel bis zur Fuß&#x017F;ohle, Haare,<lb/>
Ge&#x017F;icht, Alles ein, und mit wahrem Vergnu&#x0364;gen gießt man<lb/>
&#x017F;ich dann das kalte Wa&#x017F;&#x017F;er u&#x0364;ber Kopf, Bru&#x017F;t und Leib.</p><lb/>
        <p>Jetzt i&#x017F;t man fertig; &#x017F;tatt der durchna&#x0364;ßten Tu&#x0364;cher er-<lb/>
ha&#x0364;lt man trockene, u&#x0364;ber dem Feuer erwa&#x0364;rmte, umgewik-<lb/>
kelt, einen Turban auf den Kopf und ein Laken u&#x0364;ber die<lb/>
Schultern, denn die gro&#x0364;ßte Dezenz wird beobachtet. B.<lb/>
und ich erkannten uns in die&#x017F;er Maskerade kaum wieder<lb/>
und mußten Einer u&#x0364;ber den Andern lachen. Wir &#x017F;treckten<lb/>
uns nun in der Eingangshalle &#x017F;o behaglich hin, wie wir<lb/>
es von den Tu&#x0364;rken ge&#x017F;ehen. Man &#x017F;chlu&#x0364;rft einen Scher-<lb/>
bet, Kaffee oder die Pfeife, und empfindet die Ka&#x0364;lte nur<lb/>
als angenehme Erfri&#x017F;chung, &#x017F;o innerlich durchwa&#x0364;rmt i&#x017F;t der<lb/>
Ko&#x0364;rper. Die Haut fu&#x0364;hlt &#x017F;ich a&#x0364;ußer&#x017F;t glatt und ge&#x017F;chmei-<lb/>
dig an, und es i&#x017F;t gar nicht zu be&#x017F;chreiben, wie erquickend<lb/>
und wohltha&#x0364;tig ein &#x017F;olches Bad auf große Ermu&#x0364;dung wirkt.<lb/>
Nach einem ko&#x0364;&#x017F;tlichen Schlaf &#x017F;etzten wir am folgenden Mor-<lb/>
gen un&#x017F;ern Ritt &#x017F;o fri&#x017F;ch fort, als ob wir noch keine An-<lb/>
&#x017F;trengung gehabt ha&#x0364;tten.</p><lb/>
        <p>Da alle Ba&#x0364;che und Flu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e ausgetreten waren, &#x017F;o muß-<lb/>
ten wir uns von Schumla zu einem weiten Umweg u&#x0364;ber<lb/>
Eski-Schumna und Osman-ba&#x017F;ary ent&#x017F;chließen. Von<lb/>
dort er&#x017F;tiegen wir ganz allma&#x0364;hlig und auf breiten Schnee-<lb/>
fla&#x0364;chen den Balkan, und nachdem wir einen fel&#x017F;igen Grat<lb/>
u&#x0364;ber&#x017F;chritten, &#x017F;ahen wir das tiefe Thal von Ka&#x017F;ann vor<lb/>
uns, in welches die Straße &#x017F;ich &#x017F;ehr &#x017F;teil hinab&#x017F;enkt. Die<lb/>
Stadt Ka&#x017F;ann (Ke&#x017F;&#x017F;el) erblickt man er&#x017F;t in einer letzten<lb/>
Schlucht, tief begraben zwi&#x017F;chen den &#x017F;chroffen hohen Fels-<lb/>
wa&#x0364;nden. Jen&#x017F;eits windet &#x017F;ich der nur fu&#x0364;r Reiter prakti-<lb/>
cable Pfad wieder &#x017F;ehr &#x017F;teil empor. Der Weg wird nun<lb/>
dadurch, daß er u&#x0364;ber mehrere kleine Ru&#x0364;cken und durch tiefe<lb/>
Tha&#x0364;ler zieht, a&#x0364;ußer&#x017F;t be&#x017F;chwerlich. Endlich erreicht man<lb/>
die letzte Ho&#x0364;he, von welcher man weit u&#x0364;ber das rumeli&#x017F;che<lb/>
Hu&#x0364;gelland hin&#x017F;chaut. Hier wehte uns eine mildere Luft<lb/>
entgegen; der Schnee ver&#x017F;chwand, die Ba&#x0364;ume trugen noch<lb/>
Laub und zahllo&#x017F;e Krokos blu&#x0364;hten auf den gru&#x0364;nen Wie&#x017F;en.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[16/0026] ſeift er ſeinen Mann vom Scheitel bis zur Fußſohle, Haare, Geſicht, Alles ein, und mit wahrem Vergnuͤgen gießt man ſich dann das kalte Waſſer uͤber Kopf, Bruſt und Leib. Jetzt iſt man fertig; ſtatt der durchnaͤßten Tuͤcher er- haͤlt man trockene, uͤber dem Feuer erwaͤrmte, umgewik- kelt, einen Turban auf den Kopf und ein Laken uͤber die Schultern, denn die groͤßte Dezenz wird beobachtet. B. und ich erkannten uns in dieſer Maskerade kaum wieder und mußten Einer uͤber den Andern lachen. Wir ſtreckten uns nun in der Eingangshalle ſo behaglich hin, wie wir es von den Tuͤrken geſehen. Man ſchluͤrft einen Scher- bet, Kaffee oder die Pfeife, und empfindet die Kaͤlte nur als angenehme Erfriſchung, ſo innerlich durchwaͤrmt iſt der Koͤrper. Die Haut fuͤhlt ſich aͤußerſt glatt und geſchmei- dig an, und es iſt gar nicht zu beſchreiben, wie erquickend und wohlthaͤtig ein ſolches Bad auf große Ermuͤdung wirkt. Nach einem koͤſtlichen Schlaf ſetzten wir am folgenden Mor- gen unſern Ritt ſo friſch fort, als ob wir noch keine An- ſtrengung gehabt haͤtten. Da alle Baͤche und Fluͤſſe ausgetreten waren, ſo muß- ten wir uns von Schumla zu einem weiten Umweg uͤber Eski-Schumna und Osman-baſary entſchließen. Von dort erſtiegen wir ganz allmaͤhlig und auf breiten Schnee- flaͤchen den Balkan, und nachdem wir einen felſigen Grat uͤberſchritten, ſahen wir das tiefe Thal von Kaſann vor uns, in welches die Straße ſich ſehr ſteil hinabſenkt. Die Stadt Kaſann (Keſſel) erblickt man erſt in einer letzten Schlucht, tief begraben zwiſchen den ſchroffen hohen Fels- waͤnden. Jenſeits windet ſich der nur fuͤr Reiter prakti- cable Pfad wieder ſehr ſteil empor. Der Weg wird nun dadurch, daß er uͤber mehrere kleine Ruͤcken und durch tiefe Thaͤler zieht, aͤußerſt beſchwerlich. Endlich erreicht man die letzte Hoͤhe, von welcher man weit uͤber das rumeliſche Huͤgelland hinſchaut. Hier wehte uns eine mildere Luft entgegen; der Schnee verſchwand, die Baͤume trugen noch Laub und zahlloſe Krokos bluͤhten auf den gruͤnen Wieſen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/26
Zitationshilfe: Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/26>, abgerufen am 23.11.2024.