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Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841.

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lich auch auf Felsen stoßen würde. Dazu käme noch ein
kostbarer Molenbau; denn der ohnehin sehr offene Hafen
von Küstendsche ist, weil die Schiffe seit Jahrhunderten
ihren Ballast dort auswerfen, so verstopft, daß er fast un-
brauchbar geworden ist. Der Handelszug auf der Donau
müßte also erst viel lebhafter werden, es müßten sich ihm
bestimmtere Hemmnisse an der Sulina-Mündung entgegen-
stellen als bis jetzt, ehe man den Gedanken an einen sol-
chen Plan verwirklichen wird.

Während der ganzen Reise ist uns übrigens alle mög-
liche Unterstützung zu Theil geworden, besonders so weit
Sayd Pascha's, des Muschirs von Silistria, Befehle
reichten. Schon eine Stunde vor den Städten kamen be-
rittene Seymen uns entgegen, welche vor und neben uns
herjagten und ihre Stäbe wie Dscherids schwenkten; dann
erschienen die Tschorbadschi oder Häupter der Rajahs. Jn
den Wohnungen war Alles aufs Beste zu unserm Empfang
bereit und der Ayan oder muselmännische Vorstand des
Orts ermangelte nicht, sogleich seine Aufwartung zu ma-
chen. Speisen, Wein und besonders Complimente waren
in Ueberfluß vorhanden. Die Bauern aus den Dörfern
arbeiteten an den Wegen, die wir passiren sollten, die Bä-
der durften keine Leute annehmen, so lange wir da waren,
und mit all' diesem Aufwand und Umständen auf Kosten
ganzer Gemeinden war es doch nicht möglich, uns die Be-
quemlichkeit zu verschaffen, welche bei uns ein Reisender auf
der ordinairen Post und für viel geringeres Geld genießt.

33.
Troja.

Als ich das erstemal in den Dardanellen war, besuchte
ich die Reste der Stadt, welche ein Feldherr Alexanders

lich auch auf Felſen ſtoßen wuͤrde. Dazu kaͤme noch ein
koſtbarer Molenbau; denn der ohnehin ſehr offene Hafen
von Kuͤſtendſche iſt, weil die Schiffe ſeit Jahrhunderten
ihren Ballaſt dort auswerfen, ſo verſtopft, daß er faſt un-
brauchbar geworden iſt. Der Handelszug auf der Donau
muͤßte alſo erſt viel lebhafter werden, es muͤßten ſich ihm
beſtimmtere Hemmniſſe an der Sulina-Muͤndung entgegen-
ſtellen als bis jetzt, ehe man den Gedanken an einen ſol-
chen Plan verwirklichen wird.

Waͤhrend der ganzen Reiſe iſt uns uͤbrigens alle moͤg-
liche Unterſtuͤtzung zu Theil geworden, beſonders ſo weit
Sayd Paſcha's, des Muſchirs von Siliſtria, Befehle
reichten. Schon eine Stunde vor den Staͤdten kamen be-
rittene Seymen uns entgegen, welche vor und neben uns
herjagten und ihre Staͤbe wie Dſcherids ſchwenkten; dann
erſchienen die Tſchorbadſchi oder Haͤupter der Rajahs. Jn
den Wohnungen war Alles aufs Beſte zu unſerm Empfang
bereit und der Ayan oder muſelmaͤnniſche Vorſtand des
Orts ermangelte nicht, ſogleich ſeine Aufwartung zu ma-
chen. Speiſen, Wein und beſonders Complimente waren
in Ueberfluß vorhanden. Die Bauern aus den Doͤrfern
arbeiteten an den Wegen, die wir paſſiren ſollten, die Baͤ-
der durften keine Leute annehmen, ſo lange wir da waren,
und mit all' dieſem Aufwand und Umſtaͤnden auf Koſten
ganzer Gemeinden war es doch nicht moͤglich, uns die Be-
quemlichkeit zu verſchaffen, welche bei uns ein Reiſender auf
der ordinairen Poſt und fuͤr viel geringeres Geld genießt.

33.
Troja.

Als ich das erſtemal in den Dardanellen war, beſuchte
ich die Reſte der Stadt, welche ein Feldherr Alexanders

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[167/0177] lich auch auf Felſen ſtoßen wuͤrde. Dazu kaͤme noch ein koſtbarer Molenbau; denn der ohnehin ſehr offene Hafen von Kuͤſtendſche iſt, weil die Schiffe ſeit Jahrhunderten ihren Ballaſt dort auswerfen, ſo verſtopft, daß er faſt un- brauchbar geworden iſt. Der Handelszug auf der Donau muͤßte alſo erſt viel lebhafter werden, es muͤßten ſich ihm beſtimmtere Hemmniſſe an der Sulina-Muͤndung entgegen- ſtellen als bis jetzt, ehe man den Gedanken an einen ſol- chen Plan verwirklichen wird. Waͤhrend der ganzen Reiſe iſt uns uͤbrigens alle moͤg- liche Unterſtuͤtzung zu Theil geworden, beſonders ſo weit Sayd Paſcha's, des Muſchirs von Siliſtria, Befehle reichten. Schon eine Stunde vor den Staͤdten kamen be- rittene Seymen uns entgegen, welche vor und neben uns herjagten und ihre Staͤbe wie Dſcherids ſchwenkten; dann erſchienen die Tſchorbadſchi oder Haͤupter der Rajahs. Jn den Wohnungen war Alles aufs Beſte zu unſerm Empfang bereit und der Ayan oder muſelmaͤnniſche Vorſtand des Orts ermangelte nicht, ſogleich ſeine Aufwartung zu ma- chen. Speiſen, Wein und beſonders Complimente waren in Ueberfluß vorhanden. Die Bauern aus den Doͤrfern arbeiteten an den Wegen, die wir paſſiren ſollten, die Baͤ- der durften keine Leute annehmen, ſo lange wir da waren, und mit all' dieſem Aufwand und Umſtaͤnden auf Koſten ganzer Gemeinden war es doch nicht moͤglich, uns die Be- quemlichkeit zu verſchaffen, welche bei uns ein Reiſender auf der ordinairen Poſt und fuͤr viel geringeres Geld genießt. 33. Troja. Pera, den 21. November 1837. Als ich das erſtemal in den Dardanellen war, beſuchte ich die Reſte der Stadt, welche ein Feldherr Alexanders

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Zitationshilfe: Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/177>, abgerufen am 27.11.2024.