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Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841.

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stengrütze zusammen fand und uns Hungrigen ein recht
consistentes Mahl gab. Jn dieser ganzen Procedur war
nicht das geringste Ungewöhnliche, außer, daß wir den an-
dern Morgen die Leute bezahlten und beschenkten.

Unser Zug theilte sich nun in mehrere Colonnen; Baron
v. V. und ich dirigirten uns nach Burgas am Schwarzen
Meere, schifften uns nach Sizepolis und von da nach Achi-
olu ein, überschritten bei fortwährendem Regenwetter den
Balkan und ruhen uns jetzt in Varna aus, wo uns der
Pascha aufs Zuvorkommendste aufgenommen, und wo man
für uns so gut gesorgt hat, wie es die Umstände erlauben.
Eben hat Se. Excellenz uns den Besuch gemacht und die
Pfeife mit uns geraucht.

Jch kann der Ovidischen Klage von den eisigen Ufern
der Donau nur beistimmen. Ungewöhnlich früh trat dies
Jahr die rauhe Jahreszeit ein, und schon Anfangs Okto-
ber waren kleine Wasser des Morgens zugefroren. Am
schlimmsten aber war der Regen, und noch schlimmer die
Entbehrungen, zu welchen die Vorsichtsmaaßregeln zwin-
gen, die wir gegen eine furchtbare Pest zu nehmen hatten,
welche diesen Herbst ganz Rumelien und die Ostküste Bul-
gariens heimsuchte. Wenn man nach einem langen Ritt
Abends durchnäßt ins Nachtquartier kam, so hatte man
eigentlich nur die Wahl zwischen einer möglichen Pest und
einer gewissen Erkältung; die erste Frage war: wie steht
es hier mit der Krankheit? Die Türken zuckten mit den
Achseln, die Rajahs jammerten, alle Häuser waren verdäch-
tig und es blieb nichts übrig, als ein von seinen Einwoh-
nern verlassenes Konak zu erbrechen, alle Gegenstände dar-
aus zu entfernen, in Ermangelung von Fensterscheiben die
Läden zu schließen und ein mächtiges Feuer anzuzünden,
an welchem gekocht und getrocknet wurde. Jeder von uns
führte große Säcke aus Haartuch mit sich, welche der An-
steckung nicht ausgesetzt sein sollen, diese wurden ausge-
breitet, unsere eigenen Betten darauf gelegt, und so ging's
alle Tage weiter. Unsere griechischen Bedienten hielten das

ſtengruͤtze zuſammen fand und uns Hungrigen ein recht
conſiſtentes Mahl gab. Jn dieſer ganzen Procedur war
nicht das geringſte Ungewoͤhnliche, außer, daß wir den an-
dern Morgen die Leute bezahlten und beſchenkten.

Unſer Zug theilte ſich nun in mehrere Colonnen; Baron
v. V. und ich dirigirten uns nach Burgas am Schwarzen
Meere, ſchifften uns nach Sizepolis und von da nach Achi-
olu ein, uͤberſchritten bei fortwaͤhrendem Regenwetter den
Balkan und ruhen uns jetzt in Varna aus, wo uns der
Paſcha aufs Zuvorkommendſte aufgenommen, und wo man
fuͤr uns ſo gut geſorgt hat, wie es die Umſtaͤnde erlauben.
Eben hat Se. Excellenz uns den Beſuch gemacht und die
Pfeife mit uns geraucht.

Jch kann der Ovidiſchen Klage von den eiſigen Ufern
der Donau nur beiſtimmen. Ungewoͤhnlich fruͤh trat dies
Jahr die rauhe Jahreszeit ein, und ſchon Anfangs Okto-
ber waren kleine Waſſer des Morgens zugefroren. Am
ſchlimmſten aber war der Regen, und noch ſchlimmer die
Entbehrungen, zu welchen die Vorſichtsmaaßregeln zwin-
gen, die wir gegen eine furchtbare Peſt zu nehmen hatten,
welche dieſen Herbſt ganz Rumelien und die Oſtkuͤſte Bul-
gariens heimſuchte. Wenn man nach einem langen Ritt
Abends durchnaͤßt ins Nachtquartier kam, ſo hatte man
eigentlich nur die Wahl zwiſchen einer moͤglichen Peſt und
einer gewiſſen Erkaͤltung; die erſte Frage war: wie ſteht
es hier mit der Krankheit? Die Tuͤrken zuckten mit den
Achſeln, die Rajahs jammerten, alle Haͤuſer waren verdaͤch-
tig und es blieb nichts uͤbrig, als ein von ſeinen Einwoh-
nern verlaſſenes Konak zu erbrechen, alle Gegenſtaͤnde dar-
aus zu entfernen, in Ermangelung von Fenſterſcheiben die
Laͤden zu ſchließen und ein maͤchtiges Feuer anzuzuͤnden,
an welchem gekocht und getrocknet wurde. Jeder von uns
fuͤhrte große Saͤcke aus Haartuch mit ſich, welche der An-
ſteckung nicht ausgeſetzt ſein ſollen, dieſe wurden ausge-
breitet, unſere eigenen Betten darauf gelegt, und ſo ging's
alle Tage weiter. Unſere griechiſchen Bedienten hielten das

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[158/0168] ſtengruͤtze zuſammen fand und uns Hungrigen ein recht conſiſtentes Mahl gab. Jn dieſer ganzen Procedur war nicht das geringſte Ungewoͤhnliche, außer, daß wir den an- dern Morgen die Leute bezahlten und beſchenkten. Unſer Zug theilte ſich nun in mehrere Colonnen; Baron v. V. und ich dirigirten uns nach Burgas am Schwarzen Meere, ſchifften uns nach Sizepolis und von da nach Achi- olu ein, uͤberſchritten bei fortwaͤhrendem Regenwetter den Balkan und ruhen uns jetzt in Varna aus, wo uns der Paſcha aufs Zuvorkommendſte aufgenommen, und wo man fuͤr uns ſo gut geſorgt hat, wie es die Umſtaͤnde erlauben. Eben hat Se. Excellenz uns den Beſuch gemacht und die Pfeife mit uns geraucht. Jch kann der Ovidiſchen Klage von den eiſigen Ufern der Donau nur beiſtimmen. Ungewoͤhnlich fruͤh trat dies Jahr die rauhe Jahreszeit ein, und ſchon Anfangs Okto- ber waren kleine Waſſer des Morgens zugefroren. Am ſchlimmſten aber war der Regen, und noch ſchlimmer die Entbehrungen, zu welchen die Vorſichtsmaaßregeln zwin- gen, die wir gegen eine furchtbare Peſt zu nehmen hatten, welche dieſen Herbſt ganz Rumelien und die Oſtkuͤſte Bul- gariens heimſuchte. Wenn man nach einem langen Ritt Abends durchnaͤßt ins Nachtquartier kam, ſo hatte man eigentlich nur die Wahl zwiſchen einer moͤglichen Peſt und einer gewiſſen Erkaͤltung; die erſte Frage war: wie ſteht es hier mit der Krankheit? Die Tuͤrken zuckten mit den Achſeln, die Rajahs jammerten, alle Haͤuſer waren verdaͤch- tig und es blieb nichts uͤbrig, als ein von ſeinen Einwoh- nern verlaſſenes Konak zu erbrechen, alle Gegenſtaͤnde dar- aus zu entfernen, in Ermangelung von Fenſterſcheiben die Laͤden zu ſchließen und ein maͤchtiges Feuer anzuzuͤnden, an welchem gekocht und getrocknet wurde. Jeder von uns fuͤhrte große Saͤcke aus Haartuch mit ſich, welche der An- ſteckung nicht ausgeſetzt ſein ſollen, dieſe wurden ausge- breitet, unſere eigenen Betten darauf gelegt, und ſo ging's alle Tage weiter. Unſere griechiſchen Bedienten hielten das

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Zitationshilfe: Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/168>, abgerufen am 26.11.2024.