ist. Wenn man den Herrn so sieht, sollte man nicht den- ken, daß es derselbe Mann ist, der 20,000 Janitscharen köpfen ließ.
Die Fürsten Ghika und Stourdza sind aus der Mol- dau und Wallachei hier, um ihren Herrn zu bekomplimen- tiren. Jch war neugierig, ihren Empfang zu sehen, -- er war eben nicht sehr schmeichelhaft; wohl zwei Stunden warteten diese Halbsouveraine im Sonnenschein, bis der Großherr eintraf, vor seinem Zelt abstieg und Toilette machte. Der Sultan empfing die beiden Vasallen unter einem Baldachin auf Sammetpolstern sitzend; die Fürsten, gefolgt von ihren Bojaren, schritten mit über den Leib ver- schränkten Armen heran, warfen sich auf beide Kniee und küßten den Zipfel des Gewandes Sr. Hoheit, welcher die Gnade hatte, ihnen zu gestatten, zehntausend Dukaten zu überreichen; dagegen erhielten sie heute ihre Ehrenpelze, Tabatieren und Shwals, und haben nun noch das Ver- gnügen, zehn Tage eine Quarantaine an der Grenze ihrer Fürstenthümer zu machen, wenn sie zurückkehren.
Fürst Ghika hat mich heute Abend zu sich geladen, und da die türkische Uhr 12 schlägt, d. h. da die Sonne untergeht und die Eßzeit da ist, so schließe ich für heute, um wo möglich in Rustschuk fortzufahren.
Rustschuk, den 14. Mai 1837.
Es scheint, daß die Türken, als sie mit ihrem Säbel die Heiligen in diesem Lande zu Paaren trieben, Mamer- tius und Pancratius vergessen haben; diese üben in der That eine so strenge Herrschaft an der Donau, wie an der Spree oder Eider. Nie habe ich ärger gefroren, als ge- stern Nacht auf der Reise hierher; meine türkischen Be- gleiter waren ganz erstarrt, und der Araber, der die Hand- pferde führte, rief ein Aman -- "Erbarmen" -- über das andere, und sehnte sich nach dem mildern Himmel des Sen- naars zurück.
iſt. Wenn man den Herrn ſo ſieht, ſollte man nicht den- ken, daß es derſelbe Mann iſt, der 20,000 Janitſcharen koͤpfen ließ.
Die Fuͤrſten Ghika und Stourdza ſind aus der Mol- dau und Wallachei hier, um ihren Herrn zu bekomplimen- tiren. Jch war neugierig, ihren Empfang zu ſehen, — er war eben nicht ſehr ſchmeichelhaft; wohl zwei Stunden warteten dieſe Halbſouveraine im Sonnenſchein, bis der Großherr eintraf, vor ſeinem Zelt abſtieg und Toilette machte. Der Sultan empfing die beiden Vaſallen unter einem Baldachin auf Sammetpolſtern ſitzend; die Fuͤrſten, gefolgt von ihren Bojaren, ſchritten mit uͤber den Leib ver- ſchraͤnkten Armen heran, warfen ſich auf beide Kniee und kuͤßten den Zipfel des Gewandes Sr. Hoheit, welcher die Gnade hatte, ihnen zu geſtatten, zehntauſend Dukaten zu uͤberreichen; dagegen erhielten ſie heute ihre Ehrenpelze, Tabatieren und Shwals, und haben nun noch das Ver- gnuͤgen, zehn Tage eine Quarantaine an der Grenze ihrer Fuͤrſtenthuͤmer zu machen, wenn ſie zuruͤckkehren.
Fuͤrſt Ghika hat mich heute Abend zu ſich geladen, und da die tuͤrkiſche Uhr 12 ſchlaͤgt, d. h. da die Sonne untergeht und die Eßzeit da iſt, ſo ſchließe ich fuͤr heute, um wo moͤglich in Ruſtſchuk fortzufahren.
Ruſtſchuk, den 14. Mai 1837.
Es ſcheint, daß die Tuͤrken, als ſie mit ihrem Saͤbel die Heiligen in dieſem Lande zu Paaren trieben, Mamer- tius und Pancratius vergeſſen haben; dieſe uͤben in der That eine ſo ſtrenge Herrſchaft an der Donau, wie an der Spree oder Eider. Nie habe ich aͤrger gefroren, als ge- ſtern Nacht auf der Reiſe hierher; meine tuͤrkiſchen Be- gleiter waren ganz erſtarrt, und der Araber, der die Hand- pferde fuͤhrte, rief ein Aman — „Erbarmen“ — uͤber das andere, und ſehnte ſich nach dem mildern Himmel des Sen- naars zuruͤck.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0143"n="133"/>
iſt. Wenn man den Herrn ſo ſieht, ſollte man nicht den-<lb/>
ken, daß es derſelbe Mann iſt, der 20,000 Janitſcharen<lb/>
koͤpfen ließ.</p><lb/><p>Die Fuͤrſten <hirendition="#g">Ghika</hi> und <hirendition="#g">Stourdza</hi>ſind aus der Mol-<lb/>
dau und Wallachei hier, um ihren Herrn zu bekomplimen-<lb/>
tiren. Jch war neugierig, ihren Empfang zu ſehen, — er<lb/>
war eben nicht ſehr ſchmeichelhaft; wohl zwei Stunden<lb/>
warteten dieſe Halbſouveraine im Sonnenſchein, bis der<lb/>
Großherr eintraf, vor ſeinem Zelt abſtieg und Toilette<lb/>
machte. Der Sultan empfing die beiden Vaſallen unter<lb/>
einem Baldachin auf Sammetpolſtern ſitzend; die Fuͤrſten,<lb/>
gefolgt von ihren Bojaren, ſchritten mit uͤber den Leib ver-<lb/>ſchraͤnkten Armen heran, warfen ſich auf beide Kniee und<lb/>
kuͤßten den Zipfel des Gewandes Sr. Hoheit, welcher die<lb/>
Gnade hatte, ihnen zu geſtatten, zehntauſend Dukaten zu<lb/>
uͤberreichen; dagegen erhielten ſie heute ihre Ehrenpelze,<lb/>
Tabatieren und Shwals, und haben nun noch das Ver-<lb/>
gnuͤgen, zehn Tage eine Quarantaine an der Grenze ihrer<lb/>
Fuͤrſtenthuͤmer zu machen, wenn ſie zuruͤckkehren.</p><lb/><p>Fuͤrſt <hirendition="#g">Ghika</hi> hat mich heute Abend zu ſich geladen,<lb/>
und da die tuͤrkiſche Uhr 12 ſchlaͤgt, d. h. da die Sonne<lb/>
untergeht und die Eßzeit da iſt, ſo ſchließe ich fuͤr heute,<lb/>
um wo moͤglich in Ruſtſchuk fortzufahren.</p></div><lb/><divn="2"><dateline><hirendition="#et">Ruſtſchuk, den 14. Mai 1837.</hi></dateline><lb/><p>Es ſcheint, daß die Tuͤrken, als ſie mit ihrem Saͤbel<lb/>
die Heiligen in dieſem Lande zu Paaren trieben, Mamer-<lb/>
tius und Pancratius vergeſſen haben; dieſe uͤben in der<lb/>
That eine ſo ſtrenge Herrſchaft an der Donau, wie an der<lb/>
Spree oder Eider. Nie habe ich aͤrger gefroren, als ge-<lb/>ſtern Nacht auf der Reiſe hierher; meine tuͤrkiſchen Be-<lb/>
gleiter waren ganz erſtarrt, und der Araber, der die Hand-<lb/>
pferde fuͤhrte, rief ein Aman —„Erbarmen“— uͤber das<lb/>
andere, und ſehnte ſich nach dem mildern Himmel des Sen-<lb/>
naars zuruͤck.</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[133/0143]
iſt. Wenn man den Herrn ſo ſieht, ſollte man nicht den-
ken, daß es derſelbe Mann iſt, der 20,000 Janitſcharen
koͤpfen ließ.
Die Fuͤrſten Ghika und Stourdza ſind aus der Mol-
dau und Wallachei hier, um ihren Herrn zu bekomplimen-
tiren. Jch war neugierig, ihren Empfang zu ſehen, — er
war eben nicht ſehr ſchmeichelhaft; wohl zwei Stunden
warteten dieſe Halbſouveraine im Sonnenſchein, bis der
Großherr eintraf, vor ſeinem Zelt abſtieg und Toilette
machte. Der Sultan empfing die beiden Vaſallen unter
einem Baldachin auf Sammetpolſtern ſitzend; die Fuͤrſten,
gefolgt von ihren Bojaren, ſchritten mit uͤber den Leib ver-
ſchraͤnkten Armen heran, warfen ſich auf beide Kniee und
kuͤßten den Zipfel des Gewandes Sr. Hoheit, welcher die
Gnade hatte, ihnen zu geſtatten, zehntauſend Dukaten zu
uͤberreichen; dagegen erhielten ſie heute ihre Ehrenpelze,
Tabatieren und Shwals, und haben nun noch das Ver-
gnuͤgen, zehn Tage eine Quarantaine an der Grenze ihrer
Fuͤrſtenthuͤmer zu machen, wenn ſie zuruͤckkehren.
Fuͤrſt Ghika hat mich heute Abend zu ſich geladen,
und da die tuͤrkiſche Uhr 12 ſchlaͤgt, d. h. da die Sonne
untergeht und die Eßzeit da iſt, ſo ſchließe ich fuͤr heute,
um wo moͤglich in Ruſtſchuk fortzufahren.
Ruſtſchuk, den 14. Mai 1837.
Es ſcheint, daß die Tuͤrken, als ſie mit ihrem Saͤbel
die Heiligen in dieſem Lande zu Paaren trieben, Mamer-
tius und Pancratius vergeſſen haben; dieſe uͤben in der
That eine ſo ſtrenge Herrſchaft an der Donau, wie an der
Spree oder Eider. Nie habe ich aͤrger gefroren, als ge-
ſtern Nacht auf der Reiſe hierher; meine tuͤrkiſchen Be-
gleiter waren ganz erſtarrt, und der Araber, der die Hand-
pferde fuͤhrte, rief ein Aman — „Erbarmen“ — uͤber das
andere, und ſehnte ſich nach dem mildern Himmel des Sen-
naars zuruͤck.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Moltke, Helmuth Karl Bernhard von: Briefe über Zustände und Begebenheiten in der Türkei aus den Jahren 1835 bis 1839. Berlin u. a., 1841, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moltke_zustaende_1841/143>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.