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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776.

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die wir am Klavier, und hier in der Dämmerung
zubrachten. Sie waren so heilig und so süß! --
Ja wohl, süß und heilig! sagte Sophie seufzend.
Werden Sie aber auch noch an mich denken wenn
ich todt bin? -- Auch da noch oft! antwortete
Xaver. Jch werde dann an die Zeit denken, da
wir uns beglückter wieder sehen werden, an die
Zeit im Himmel. O, das ist süß und tröstend!
sagte das Mädchen. Jch werd bald im Himmel
seyn; folgen Sie mir bald nach! -- Jhr Auge
glänzte, als sies sprach, und Siegwart war auch
tief bewegt.

Nun wurden wieder die Rollen zu dem künfti-
gen Schuldrama ausgetheilt. Der Pater, der es
machte, wählte den Thomas Aquinas zum Hel-
den seines Singspiels, und zwar den Theil seines
Lebens, da Thomas, wider den Wunsch seiner An-
verwandten, und besonders seiner Mutter, zu Nea-
pel unter die Dominikaner geht. Der Kampf des
Jünglings war nicht übel geschildert; da er auf
der Einen Seite die zärtlichen Bitten seiner Anver-
wandten, die Thränen seiner Mutter, die Lockspei-
sen, die man ihm vorhält, in der Welt zu bleiben,
besonders ein schönes junges Mädchen, gegen das
sein Herz nicht ganz gleichgültig ist, sieht; und auf



die wir am Klavier, und hier in der Daͤmmerung
zubrachten. Sie waren ſo heilig und ſo ſuͤß! —
Ja wohl, ſuͤß und heilig! ſagte Sophie ſeufzend.
Werden Sie aber auch noch an mich denken wenn
ich todt bin? — Auch da noch oft! antwortete
Xaver. Jch werde dann an die Zeit denken, da
wir uns begluͤckter wieder ſehen werden, an die
Zeit im Himmel. O, das iſt ſuͤß und troͤſtend!
ſagte das Maͤdchen. Jch werd bald im Himmel
ſeyn; folgen Sie mir bald nach! — Jhr Auge
glaͤnzte, als ſies ſprach, und Siegwart war auch
tief bewegt.

Nun wurden wieder die Rollen zu dem kuͤnfti-
gen Schuldrama ausgetheilt. Der Pater, der es
machte, waͤhlte den Thomas Aquinas zum Hel-
den ſeines Singſpiels, und zwar den Theil ſeines
Lebens, da Thomas, wider den Wunſch ſeiner An-
verwandten, und beſonders ſeiner Mutter, zu Nea-
pel unter die Dominikaner geht. Der Kampf des
Juͤnglings war nicht uͤbel geſchildert; da er auf
der Einen Seite die zaͤrtlichen Bitten ſeiner Anver-
wandten, die Thraͤnen ſeiner Mutter, die Lockſpei-
ſen, die man ihm vorhaͤlt, in der Welt zu bleiben,
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[512/0092] die wir am Klavier, und hier in der Daͤmmerung zubrachten. Sie waren ſo heilig und ſo ſuͤß! — Ja wohl, ſuͤß und heilig! ſagte Sophie ſeufzend. Werden Sie aber auch noch an mich denken wenn ich todt bin? — Auch da noch oft! antwortete Xaver. Jch werde dann an die Zeit denken, da wir uns begluͤckter wieder ſehen werden, an die Zeit im Himmel. O, das iſt ſuͤß und troͤſtend! ſagte das Maͤdchen. Jch werd bald im Himmel ſeyn; folgen Sie mir bald nach! — Jhr Auge glaͤnzte, als ſies ſprach, und Siegwart war auch tief bewegt. Nun wurden wieder die Rollen zu dem kuͤnfti- gen Schuldrama ausgetheilt. Der Pater, der es machte, waͤhlte den Thomas Aquinas zum Hel- den ſeines Singſpiels, und zwar den Theil ſeines Lebens, da Thomas, wider den Wunſch ſeiner An- verwandten, und beſonders ſeiner Mutter, zu Nea- pel unter die Dominikaner geht. Der Kampf des Juͤnglings war nicht uͤbel geſchildert; da er auf der Einen Seite die zaͤrtlichen Bitten ſeiner Anver- wandten, die Thraͤnen ſeiner Mutter, die Lockſpei- ſen, die man ihm vorhaͤlt, in der Welt zu bleiben, beſonders ein ſchoͤnes junges Maͤdchen, gegen das ſein Herz nicht ganz gleichguͤltig iſt, ſieht; und auf

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 512. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/92>, abgerufen am 24.11.2024.