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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776.

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gern mein Geld und alles geben, wenn mir sonst
geholfen werden könnte. -- Ja freylich, fiel sie
ein, macht Geld und Gut allein nicht glück-
lich; und drauf fieng sie eine lange Erzählung an
von ihrem ersten Mann, den sie sechs Jahre in
ihrem ledigen Stand gekannt, und recht herz-
lich lieb gehabt habe. Sie hab immer nur ge-
dacht, es könn ihr nichts mehr fehlen, wenn sie
seine Frau sey. Endlich sey sies geworden, und
hab ein Jahr lang mit ihm gelebt, wie die Engel
im Himmel. Aber -- hier fieng sie an zu wei-
nen -- der Tod hab ihn ihr genommen; sie sey
untröstlich gewesen, und habe geglaubt, es sey kein
Glück auf der Welt mehr, bis ihr Gott ihren
Kaspar zugeführt habe. Nun sey ihr seit eilf Jah-
ren wieder recht wohl, und sie sehe wohl, daß
man immer wieder glücklich werden könn, es mög
mit einem auch aussehen, wie es wolle! und so
müss' er eben auch denken! Jch will das beste hof-
fen, sagte er; aber ich weis nicht, wie mir gehol-
fen werden kann? Hier weinte er, und die Bäu-
rin weinte herzlich mit. Nach einer Stunde, als
er versichert hatte, daß er sich nun wieder weit besser
befinde, gieng sie hinunter, um ihre Haushaltungs-
geschäfte zu verrichten. Er seufzte und betete zu



gern mein Geld und alles geben, wenn mir ſonſt
geholfen werden koͤnnte. — Ja freylich, fiel ſie
ein, macht Geld und Gut allein nicht gluͤck-
lich; und drauf fieng ſie eine lange Erzaͤhlung an
von ihrem erſten Mann, den ſie ſechs Jahre in
ihrem ledigen Stand gekannt, und recht herz-
lich lieb gehabt habe. Sie hab immer nur ge-
dacht, es koͤnn ihr nichts mehr fehlen, wenn ſie
ſeine Frau ſey. Endlich ſey ſies geworden, und
hab ein Jahr lang mit ihm gelebt, wie die Engel
im Himmel. Aber — hier fieng ſie an zu wei-
nen — der Tod hab ihn ihr genommen; ſie ſey
untroͤſtlich geweſen, und habe geglaubt, es ſey kein
Gluͤck auf der Welt mehr, bis ihr Gott ihren
Kaſpar zugefuͤhrt habe. Nun ſey ihr ſeit eilf Jah-
ren wieder recht wohl, und ſie ſehe wohl, daß
man immer wieder gluͤcklich werden koͤnn, es moͤg
mit einem auch ausſehen, wie es wolle! und ſo
muͤſſ’ er eben auch denken! Jch will das beſte hof-
fen, ſagte er; aber ich weis nicht, wie mir gehol-
fen werden kann? Hier weinte er, und die Baͤu-
rin weinte herzlich mit. Nach einer Stunde, als
er verſichert hatte, daß er ſich nun wieder weit beſſer
befinde, gieng ſie hinunter, um ihre Haushaltungs-
geſchaͤfte zu verrichten. Er ſeufzte und betete zu

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[931/0511] gern mein Geld und alles geben, wenn mir ſonſt geholfen werden koͤnnte. — Ja freylich, fiel ſie ein, macht Geld und Gut allein nicht gluͤck- lich; und drauf fieng ſie eine lange Erzaͤhlung an von ihrem erſten Mann, den ſie ſechs Jahre in ihrem ledigen Stand gekannt, und recht herz- lich lieb gehabt habe. Sie hab immer nur ge- dacht, es koͤnn ihr nichts mehr fehlen, wenn ſie ſeine Frau ſey. Endlich ſey ſies geworden, und hab ein Jahr lang mit ihm gelebt, wie die Engel im Himmel. Aber — hier fieng ſie an zu wei- nen — der Tod hab ihn ihr genommen; ſie ſey untroͤſtlich geweſen, und habe geglaubt, es ſey kein Gluͤck auf der Welt mehr, bis ihr Gott ihren Kaſpar zugefuͤhrt habe. Nun ſey ihr ſeit eilf Jah- ren wieder recht wohl, und ſie ſehe wohl, daß man immer wieder gluͤcklich werden koͤnn, es moͤg mit einem auch ausſehen, wie es wolle! und ſo muͤſſ’ er eben auch denken! Jch will das beſte hof- fen, ſagte er; aber ich weis nicht, wie mir gehol- fen werden kann? Hier weinte er, und die Baͤu- rin weinte herzlich mit. Nach einer Stunde, als er verſichert hatte, daß er ſich nun wieder weit beſſer befinde, gieng ſie hinunter, um ihre Haushaltungs- geſchaͤfte zu verrichten. Er ſeufzte und betete zu

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 931. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/511>, abgerufen am 22.11.2024.