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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776.

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Gott um Gesundheit oder Tod. Endlich langte er
seine Brieftasche, und schrieb einen wehmüthigen
und rührenden Aufsatz darein, wo er seine Maria-
ne als gegenwärtig anredete. Um Essenszeit, als
er wieder ziemlich gestärkt war, gieng er in die
Stube hinunter, wo ihm die Bäurin ein recht
gutes Essen zurichtete. Der Bauer war, weil es
Sonnabend war, in das nächste Städtchen ge-
fahren, um Haber zu verkaufen. Nach dem Es-
sen spielte Siegwart mit den Kindern, die sich
gleich um ihn her machten. So übel ihm auch
zu Muthe war, so muste er doch ihre Spiele mit-
machen, und zuweilen lächeln. Er sah einen Ka-
techismus da liegen, und wollte den ältern Knaben
etwas drinn lesen lassen; aber dieser konnte noch
kaum buchstabiren, und von der Religion wuste
er noch nicht das geringste. So traurig siehts oft
auf dem Lande mit dem Kinderunterricht aus.
Siegwart erkundigte sich drauf nach allen umliegen-
den Klöstern, und besonders nach den Nonnenklö-
stern. Es war deren eine so große Menge, daß ihm
bange ward, wie er das rechte ausfindig machen
wollte. Was er anzufangen habe, wenn er das-
jenige Kloster fände, in welchem Mariane war,
daran hatte er noch gar nicht gedacht. Jn der an-



Gott um Geſundheit oder Tod. Endlich langte er
ſeine Brieftaſche, und ſchrieb einen wehmuͤthigen
und ruͤhrenden Aufſatz darein, wo er ſeine Maria-
ne als gegenwaͤrtig anredete. Um Eſſenszeit, als
er wieder ziemlich geſtaͤrkt war, gieng er in die
Stube hinunter, wo ihm die Baͤurin ein recht
gutes Eſſen zurichtete. Der Bauer war, weil es
Sonnabend war, in das naͤchſte Staͤdtchen ge-
fahren, um Haber zu verkaufen. Nach dem Eſ-
ſen ſpielte Siegwart mit den Kindern, die ſich
gleich um ihn her machten. So uͤbel ihm auch
zu Muthe war, ſo muſte er doch ihre Spiele mit-
machen, und zuweilen laͤcheln. Er ſah einen Ka-
techismus da liegen, und wollte den aͤltern Knaben
etwas drinn leſen laſſen; aber dieſer konnte noch
kaum buchſtabiren, und von der Religion wuſte
er noch nicht das geringſte. So traurig ſiehts oft
auf dem Lande mit dem Kinderunterricht aus.
Siegwart erkundigte ſich drauf nach allen umliegen-
den Kloͤſtern, und beſonders nach den Nonnenkloͤ-
ſtern. Es war deren eine ſo große Menge, daß ihm
bange ward, wie er das rechte ausfindig machen
wollte. Was er anzufangen habe, wenn er das-
jenige Kloſter faͤnde, in welchem Mariane war,
daran hatte er noch gar nicht gedacht. Jn der an-

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[932/0512] Gott um Geſundheit oder Tod. Endlich langte er ſeine Brieftaſche, und ſchrieb einen wehmuͤthigen und ruͤhrenden Aufſatz darein, wo er ſeine Maria- ne als gegenwaͤrtig anredete. Um Eſſenszeit, als er wieder ziemlich geſtaͤrkt war, gieng er in die Stube hinunter, wo ihm die Baͤurin ein recht gutes Eſſen zurichtete. Der Bauer war, weil es Sonnabend war, in das naͤchſte Staͤdtchen ge- fahren, um Haber zu verkaufen. Nach dem Eſ- ſen ſpielte Siegwart mit den Kindern, die ſich gleich um ihn her machten. So uͤbel ihm auch zu Muthe war, ſo muſte er doch ihre Spiele mit- machen, und zuweilen laͤcheln. Er ſah einen Ka- techismus da liegen, und wollte den aͤltern Knaben etwas drinn leſen laſſen; aber dieſer konnte noch kaum buchſtabiren, und von der Religion wuſte er noch nicht das geringſte. So traurig ſiehts oft auf dem Lande mit dem Kinderunterricht aus. Siegwart erkundigte ſich drauf nach allen umliegen- den Kloͤſtern, und beſonders nach den Nonnenkloͤ- ſtern. Es war deren eine ſo große Menge, daß ihm bange ward, wie er das rechte ausfindig machen wollte. Was er anzufangen habe, wenn er das- jenige Kloſter faͤnde, in welchem Mariane war, daran hatte er noch gar nicht gedacht. Jn der an-

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 932. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/512>, abgerufen am 22.11.2024.