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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776.

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te sich nach ihm. Sie bot sich an, beym Herrn
Pfarrer Kaffee zu entlehnen, um ihm welchen zu
machen. Er verbats aber, und ließ sich eine Bier-
suppe machen. Eh er sie essen konnte, mußte er
sich wieder zu Bette legen, denn er ward ein paar-
mal halb ohnmächtig.

Er war sehr ungeduldig, daß er nun hier so
unthätig liegen mußte, und die beste Zeit, Ma-
rianen nachzuspüren, vorbeygehen lassen sollte.
Die Bäurin setzte sich neben ihm ans Bette, und
war seinetwegen sehr besorgt. Als er sie versicher-
te daß er sich nun wieder etwas besser befinde, so
fieng sie an: Es muß Jhnen wol sehr übel in der
Welt gegangen seyn, denn ich habs schon gemerkt,
daß Sie recht betrübt sind, und immer nasse Au-
gen haben. Man sollt denken, so einem Herrn,
wie Sie sind, könnts an nichts fehlen. Sie ha-
ben ja ein schönes Kleid, und sind sonst so wohl
ausstaffirt, daß es eine Lust ist. Geld haben Sie
auch genug, wie ich gestern sah, als Sie den
Brandewein bezahlen wollten. -- Ach meine lie-
be Frau, sagte Siegwart, Geld und Gut macht
allein nicht glücklich. Wenn man auch alles ge-
nung hat, so gibts noch tausend andre Leiden, die
man einem nicht so sagen kann. Jch wollt ihr



te ſich nach ihm. Sie bot ſich an, beym Herrn
Pfarrer Kaffee zu entlehnen, um ihm welchen zu
machen. Er verbats aber, und ließ ſich eine Bier-
ſuppe machen. Eh er ſie eſſen konnte, mußte er
ſich wieder zu Bette legen, denn er ward ein paar-
mal halb ohnmaͤchtig.

Er war ſehr ungeduldig, daß er nun hier ſo
unthaͤtig liegen mußte, und die beſte Zeit, Ma-
rianen nachzuſpuͤren, vorbeygehen laſſen ſollte.
Die Baͤurin ſetzte ſich neben ihm ans Bette, und
war ſeinetwegen ſehr beſorgt. Als er ſie verſicher-
te daß er ſich nun wieder etwas beſſer befinde, ſo
fieng ſie an: Es muß Jhnen wol ſehr uͤbel in der
Welt gegangen ſeyn, denn ich habs ſchon gemerkt,
daß Sie recht betruͤbt ſind, und immer naſſe Au-
gen haben. Man ſollt denken, ſo einem Herrn,
wie Sie ſind, koͤnnts an nichts fehlen. Sie ha-
ben ja ein ſchoͤnes Kleid, und ſind ſonſt ſo wohl
ausſtaffirt, daß es eine Luſt iſt. Geld haben Sie
auch genug, wie ich geſtern ſah, als Sie den
Brandewein bezahlen wollten. — Ach meine lie-
be Frau, ſagte Siegwart, Geld und Gut macht
allein nicht gluͤcklich. Wenn man auch alles ge-
nung hat, ſo gibts noch tauſend andre Leiden, die
man einem nicht ſo ſagen kann. Jch wollt ihr

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[930/0510] te ſich nach ihm. Sie bot ſich an, beym Herrn Pfarrer Kaffee zu entlehnen, um ihm welchen zu machen. Er verbats aber, und ließ ſich eine Bier- ſuppe machen. Eh er ſie eſſen konnte, mußte er ſich wieder zu Bette legen, denn er ward ein paar- mal halb ohnmaͤchtig. Er war ſehr ungeduldig, daß er nun hier ſo unthaͤtig liegen mußte, und die beſte Zeit, Ma- rianen nachzuſpuͤren, vorbeygehen laſſen ſollte. Die Baͤurin ſetzte ſich neben ihm ans Bette, und war ſeinetwegen ſehr beſorgt. Als er ſie verſicher- te daß er ſich nun wieder etwas beſſer befinde, ſo fieng ſie an: Es muß Jhnen wol ſehr uͤbel in der Welt gegangen ſeyn, denn ich habs ſchon gemerkt, daß Sie recht betruͤbt ſind, und immer naſſe Au- gen haben. Man ſollt denken, ſo einem Herrn, wie Sie ſind, koͤnnts an nichts fehlen. Sie ha- ben ja ein ſchoͤnes Kleid, und ſind ſonſt ſo wohl ausſtaffirt, daß es eine Luſt iſt. Geld haben Sie auch genug, wie ich geſtern ſah, als Sie den Brandewein bezahlen wollten. — Ach meine lie- be Frau, ſagte Siegwart, Geld und Gut macht allein nicht gluͤcklich. Wenn man auch alles ge- nung hat, ſo gibts noch tauſend andre Leiden, die man einem nicht ſo ſagen kann. Jch wollt ihr

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 930. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/510>, abgerufen am 25.11.2024.