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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

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Betrachtungen
und schmeckte alsdann nach Oel, also ward JEsus gemahlen, ge-
stampfet im Mörsel des Zorns GOttes, gebacken an der Hitz des
Creutzes, zerhämmert von GOttes Gerechtigkeit, von Menschen,
von Teufeln und von der Höllen, und also brachte JEsus die Salbung
des H. Geistes. Es fiel auf die Erde in der Nacht des Juden-Phari-
säer-Saducäer- und Heydenthums, und so bald der Tag des Evange-
liums anbrach, sammlete man das Manna und asse es, nicht mit fleisch-
lichem Hertzen, sondern mit einer im Mörsel zerstossenen, an der Lie-
bes-Glut, auf das Ansehen der Demuth gebackenen Seelen. Das
Manna war klein, so ware JEsus der Verachteste a.

Wie die
Perlen-
Mutter
ohne Anse-
hen, so war
auch JE-
sus gleich
als ver-
hüllet.

§. 9. Gleich wie nun die Perl in schlechten Schaalen, also hat JE-
sus ein gar schlecht Ansehen vor der Welt, wir sahen ihn, aber da ware
keine Gestalt noch Schöne, die uns gefallen hätte. Ach wie hätte die
allerschärffste Vernunfft es jemahls glauben oder nur errathen können,
daß der so jämmerlich zugerichtete JEsus ein höchst-seliges unendliches
Wesen seye; Daß der mit Dornen gecrönte, mit einem alten stincken-
den, zerlumpten Purpur-Mantel bekleidete, verspeute, mit Geißlen
zerrissene, mit Blut bespritzte, vor seinem Richter verstummete und
gebundene JEsus der erhabene GOtt und König aller Königen seye,
dem die Seraphim zu Ehren das dreymahl Heilig anstimmen, der uns
von allen Fesseln entbinden sollte, in Himmel erhöhen, den englischen
Rosen-Krantz aufsetzen, unsere Blut-rothe Sünden bedecken, die
Schnee-weisse Seiden seiner Unschuld anthun, die kothige und eiteren-
de Seelen-Wunden heilen und vor uns bitten biß zu vollkommener Her-
wiederbringung aller Dingen. Es kostet grosse Arbeit, ehe JEsus der
Seelen durchaus gefalle, und sie alle Lust und Freud an ihm allein habe;
gewiß, wer nicht mehr Neigung hat zu Armuth, Schmach, Schmertzen
ja dem Tod selbst (weil in diesen Dingen als in harten Muschlen das Le-
ben und die Gestalt JEsu zum allerschönsten gebildet und formirt wird)
als zu Reichthum, Menschen-Lob und Ruhm, Gesundheit, Stärcke
und lustiger Lebhafftigkeit, der kan warlich noch nicht sagen, daß er den
unschätzbaren Werth dieser Perlen kenne; Wer nicht alles daran wa-
gen will, nicht nur Leib und Blut, Haab und Gut, sondern sein eigen
Leben und die Seele dazu verliehren und sich in GOttes Liebe gar ver-
sencken, der weiß nicht, was vor ein theurer Schatz in denen harten
Creutz-Schaalen verborgen ist: Die Gemeinschafft der Leyden Christi

und
a Esai. LIII.

Betrachtungen
und ſchmeckte alsdann nach Oel, alſo ward JEſus gemahlen, ge-
ſtampfet im Moͤrſel des Zorns GOttes, gebacken an der Hitz des
Creutzes, zerhaͤmmert von GOttes Gerechtigkeit, von Menſchen,
von Teufeln und von der Hoͤllen, und alſo brachte JEſus die Salbung
des H. Geiſtes. Es fiel auf die Erde in der Nacht des Juden-Phari-
ſaͤer-Saducaͤer- und Heydenthums, und ſo bald der Tag des Evange-
liums anbrach, ſammlete man das Maña und aſſe es, nicht mit fleiſch-
lichem Hertzen, ſondern mit einer im Moͤrſel zerſtoſſenen, an der Lie-
bes-Glut, auf das Anſehen der Demuth gebackenen Seelen. Das
Manna war klein, ſo ware JEſus der Verachteſte a.

Wie die
Perlen-
Mutter
ohne Anſe-
hen, ſo war
auch JE-
ſus gleich
als ver-
huͤllet.

§. 9. Gleich wie nun die Perl in ſchlechten Schaalen, alſo hat JE-
ſus ein gar ſchlecht Anſehen vor der Welt, wir ſahen ihn, aber da ware
keine Geſtalt noch Schoͤne, die uns gefallen haͤtte. Ach wie haͤtte die
allerſchaͤrffſte Vernunfft es jemahls glauben oder nur errathen koͤnnen,
daß der ſo jaͤmmerlich zugerichtete JEſus ein hoͤchſt-ſeliges unendliches
Weſen ſeye; Daß der mit Dornen gecroͤnte, mit einem alten ſtincken-
den, zerlumpten Purpur-Mantel bekleidete, verſpeute, mit Geißlen
zerriſſene, mit Blut beſpritzte, vor ſeinem Richter verſtummete und
gebundene JEſus der erhabene GOtt und Koͤnig aller Koͤnigen ſeye,
dem die Seraphim zu Ehren das dreymahl Heilig anſtimmen, der uns
von allen Feſſeln entbinden ſollte, in Himmel erhoͤhen, den engliſchen
Roſen-Krantz aufſetzen, unſere Blut-rothe Suͤnden bedecken, die
Schnee-weiſſe Seiden ſeiner Unſchuld anthun, die kothige und eiteren-
de Seelen-Wunden heilen und vor uns bitten biß zu vollkommener Her-
wiederbringung aller Dingen. Es koſtet groſſe Arbeit, ehe JEſus der
Seelen durchaus gefalle, und ſie alle Luſt und Freud an ihm allein habe;
gewiß, wer nicht mehr Neigung hat zu Armuth, Schmach, Schmertzen
ja dem Tod ſelbſt (weil in dieſen Dingen als in harten Muſchlen das Le-
ben und die Geſtalt JEſu zum allerſchoͤnſten gebildet und formirt wird)
als zu Reichthum, Menſchen-Lob und Ruhm, Geſundheit, Staͤrcke
und luſtiger Lebhafftigkeit, der kan warlich noch nicht ſagen, daß er den
unſchaͤtzbaren Werth dieſer Perlen kenne; Wer nicht alles daran wa-
gen will, nicht nur Leib und Blut, Haab und Gut, ſondern ſein eigen
Leben und die Seele dazu verliehren und ſich in GOttes Liebe gar ver-
ſencken, der weiß nicht, was vor ein theurer Schatz in denen harten
Creutz-Schaalen verborgen iſt: Die Gemeinſchafft der Leyden Chriſti

und
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[810/0906] Betrachtungen und ſchmeckte alsdann nach Oel, alſo ward JEſus gemahlen, ge- ſtampfet im Moͤrſel des Zorns GOttes, gebacken an der Hitz des Creutzes, zerhaͤmmert von GOttes Gerechtigkeit, von Menſchen, von Teufeln und von der Hoͤllen, und alſo brachte JEſus die Salbung des H. Geiſtes. Es fiel auf die Erde in der Nacht des Juden-Phari- ſaͤer-Saducaͤer- und Heydenthums, und ſo bald der Tag des Evange- liums anbrach, ſammlete man das Maña und aſſe es, nicht mit fleiſch- lichem Hertzen, ſondern mit einer im Moͤrſel zerſtoſſenen, an der Lie- bes-Glut, auf das Anſehen der Demuth gebackenen Seelen. Das Manna war klein, ſo ware JEſus der Verachteſte a. §. 9. Gleich wie nun die Perl in ſchlechten Schaalen, alſo hat JE- ſus ein gar ſchlecht Anſehen vor der Welt, wir ſahen ihn, aber da ware keine Geſtalt noch Schoͤne, die uns gefallen haͤtte. Ach wie haͤtte die allerſchaͤrffſte Vernunfft es jemahls glauben oder nur errathen koͤnnen, daß der ſo jaͤmmerlich zugerichtete JEſus ein hoͤchſt-ſeliges unendliches Weſen ſeye; Daß der mit Dornen gecroͤnte, mit einem alten ſtincken- den, zerlumpten Purpur-Mantel bekleidete, verſpeute, mit Geißlen zerriſſene, mit Blut beſpritzte, vor ſeinem Richter verſtummete und gebundene JEſus der erhabene GOtt und Koͤnig aller Koͤnigen ſeye, dem die Seraphim zu Ehren das dreymahl Heilig anſtimmen, der uns von allen Feſſeln entbinden ſollte, in Himmel erhoͤhen, den engliſchen Roſen-Krantz aufſetzen, unſere Blut-rothe Suͤnden bedecken, die Schnee-weiſſe Seiden ſeiner Unſchuld anthun, die kothige und eiteren- de Seelen-Wunden heilen und vor uns bitten biß zu vollkommener Her- wiederbringung aller Dingen. Es koſtet groſſe Arbeit, ehe JEſus der Seelen durchaus gefalle, und ſie alle Luſt und Freud an ihm allein habe; gewiß, wer nicht mehr Neigung hat zu Armuth, Schmach, Schmertzen ja dem Tod ſelbſt (weil in dieſen Dingen als in harten Muſchlen das Le- ben und die Geſtalt JEſu zum allerſchoͤnſten gebildet und formirt wird) als zu Reichthum, Menſchen-Lob und Ruhm, Geſundheit, Staͤrcke und luſtiger Lebhafftigkeit, der kan warlich noch nicht ſagen, daß er den unſchaͤtzbaren Werth dieſer Perlen kenne; Wer nicht alles daran wa- gen will, nicht nur Leib und Blut, Haab und Gut, ſondern ſein eigen Leben und die Seele dazu verliehren und ſich in GOttes Liebe gar ver- ſencken, der weiß nicht, was vor ein theurer Schatz in denen harten Creutz-Schaalen verborgen iſt: Die Gemeinſchafft der Leyden Chriſti und a Eſai. LIII.

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Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 810. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/906>, abgerufen am 03.07.2024.