und verfluche alle seine Einblasungen zum Mißtrauen, Unmacht, Argwohn; zur Sinnlichkeit oder Erlustigung der äusseren Sinnen, zum Hochmuth, Falschheit, Nachreden, Verleumden, Neid, Zorn, Haß, Grimm, Rachgier; glaube nur, daß es alles böse Leib und Seel verderbende Dinge sind, die vom bösen Geist herkommen, sie mögen Fleisch und Blut noch so vernünfftig duncken; von einem abgefeimten Bößwicht und mehr als höllischen Dornbusch kan un- möglich etwas Gutes entspringen.
um so mehr, wei- len der Haß das Element ist, darin- nen er sich am lieb- sten auf- haltet.
§. 9. Sonderbar ist der Haß sein Element darinn der Drach gern badet; dann seit er sich von dem GOTT der Liebe getrennet, kan keine Liebe oder seelige Freud in den Teufel hinein kommen, oder Platz in ihm finden; und wann es möglich wäre, daß ein Tropfe hei- liger Liebe und Freude in seinen Schlund fiele, so würde es ihm nur seine Qual vermehren, und eben so plötzlich aufgezehrt werden, als ein Tropf Wasser im Feur-Ofen. So ist gleichfalls seine gröste, höllische Lust das, wann er einem Zioniten etwas von seinem grimmi- gen Wesen kan anhencken: Eben deßwegen ficht er sie eher mit Lieb- losigkeit an, als die Welt-Kinder, denen er in diesem Leben schonet, mit seinem ewigen Weh, so viel er kan. Darum rühre dem Teufel seine Sach nicht an in neidiger, verachtender Betrübung und Be- schämung des Nächsten; du würdest heut oder morgen Pein darvon haben.
Fälle allezeit ein schonend, barmhertzig Urtheil über den Nächsten, und traue nicht jedem Gedancken, der dir einfallt, daß du mit unvor- sichtigen Worten heraus platzest, indem du dich besser duncken lassest als den Nächsten, in eigen Gefallen deiner Tugenden.
Solch eigen-liebiger Gedancken ist ein Pfeifflin, darmit der Teu- fel herbey gelocket wird, und Macht und Gelegenheit bekommt dich übern Hauffen zu werffen, und dir hernach ein greulich Angst-Bad anzurichten, daß du wolltest du hättest geschwiegen. Darum geb ich dir den einfältigen Rath; verschantze dich wohl in der Liebes-Festung, so bleibest du in der Friedens-Burg neben dem wohl-riechenden Myr- ten-Gebüsch und denen edlen Weinbergen der Demuth.
Hoffe nimmermehr, daß du das Böse mit Bösem überwinden wollest; es wird kein Teufel den anderen austreiben, GOttes Finger muß
es
Der unter den Stech-Diſteln
und verfluche alle ſeine Einblaſungen zum Mißtrauen, Unmacht, Argwohn; zur Sinnlichkeit oder Erluſtigung der aͤuſſeren Sinnen, zum Hochmuth, Falſchheit, Nachreden, Verleumden, Neid, Zorn, Haß, Grimm, Rachgier; glaube nur, daß es alles boͤſe Leib und Seel verderbende Dinge ſind, die vom boͤſen Geiſt herkommen, ſie moͤgen Fleiſch und Blut noch ſo vernuͤnfftig duncken; von einem abgefeimten Boͤßwicht und mehr als hoͤlliſchen Dornbuſch kan un- moͤglich etwas Gutes entſpringen.
um ſo mehr, wei- len der Haß das Element iſt, darin- nen er ſich am lieb- ſten auf- haltet.
§. 9. Sonderbar iſt der Haß ſein Element darinn der Drach gern badet; dann ſeit er ſich von dem GOTT der Liebe getrennet, kan keine Liebe oder ſeelige Freud in den Teufel hinein kommen, oder Platz in ihm finden; und wann es moͤglich waͤre, daß ein Tropfe hei- liger Liebe und Freude in ſeinen Schlund fiele, ſo wuͤrde es ihm nur ſeine Qual vermehren, und eben ſo ploͤtzlich aufgezehrt werden, als ein Tropf Waſſer im Feur-Ofen. So iſt gleichfalls ſeine groͤſte, hoͤlliſche Luſt das, wann er einem Zioniten etwas von ſeinem grimmi- gen Weſen kan anhencken: Eben deßwegen ficht er ſie eher mit Lieb- loſigkeit an, als die Welt-Kinder, denen er in dieſem Leben ſchonet, mit ſeinem ewigen Weh, ſo viel er kan. Darum ruͤhre dem Teufel ſeine Sach nicht an in neidiger, verachtender Betruͤbung und Be- ſchaͤmung des Naͤchſten; du wuͤrdeſt heut oder morgen Pein darvon haben.
Faͤlle allezeit ein ſchonend, barmhertzig Urtheil uͤber den Naͤchſten, und traue nicht jedem Gedancken, der dir einfallt, daß du mit unvor- ſichtigen Worten heraus platzeſt, indem du dich beſſer duncken laſſeſt als den Naͤchſten, in eigen Gefallen deiner Tugenden.
Solch eigen-liebiger Gedancken iſt ein Pfeifflin, darmit der Teu- fel herbey gelocket wird, und Macht und Gelegenheit bekommt dich uͤbern Hauffen zu werffen, und dir hernach ein greulich Angſt-Bad anzurichten, daß du wollteſt du haͤtteſt geſchwiegen. Darum geb ich dir den einfaͤltigen Rath; verſchantze dich wohl in der Liebes-Feſtung, ſo bleibeſt du in der Friedens-Burg neben dem wohl-riechenden Myr- ten-Gebuͤſch und denen edlen Weinbergen der Demuth.
Hoffe nim̃ermehr, daß du das Boͤſe mit Boͤſem uͤberwinden wolleſt; es wird kein Teufel den anderen austreiben, GOttes Finger muß
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Der unter den Stech-Diſteln
und verfluche alle ſeine Einblaſungen zum Mißtrauen, Unmacht,
Argwohn; zur Sinnlichkeit oder Erluſtigung der aͤuſſeren Sinnen,
zum Hochmuth, Falſchheit, Nachreden, Verleumden, Neid,
Zorn, Haß, Grimm, Rachgier; glaube nur, daß es alles boͤſe Leib
und Seel verderbende Dinge ſind, die vom boͤſen Geiſt herkommen,
ſie moͤgen Fleiſch und Blut noch ſo vernuͤnfftig duncken; von einem
abgefeimten Boͤßwicht und mehr als hoͤlliſchen Dornbuſch kan un-
moͤglich etwas Gutes entſpringen.
§. 9. Sonderbar iſt der Haß ſein Element darinn der Drach gern
badet; dann ſeit er ſich von dem GOTT der Liebe getrennet, kan
keine Liebe oder ſeelige Freud in den Teufel hinein kommen, oder
Platz in ihm finden; und wann es moͤglich waͤre, daß ein Tropfe hei-
liger Liebe und Freude in ſeinen Schlund fiele, ſo wuͤrde es ihm nur
ſeine Qual vermehren, und eben ſo ploͤtzlich aufgezehrt werden, als
ein Tropf Waſſer im Feur-Ofen. So iſt gleichfalls ſeine groͤſte,
hoͤlliſche Luſt das, wann er einem Zioniten etwas von ſeinem grimmi-
gen Weſen kan anhencken: Eben deßwegen ficht er ſie eher mit Lieb-
loſigkeit an, als die Welt-Kinder, denen er in dieſem Leben ſchonet,
mit ſeinem ewigen Weh, ſo viel er kan. Darum ruͤhre dem Teufel
ſeine Sach nicht an in neidiger, verachtender Betruͤbung und Be-
ſchaͤmung des Naͤchſten; du wuͤrdeſt heut oder morgen Pein darvon
haben.
Faͤlle allezeit ein ſchonend, barmhertzig Urtheil uͤber den Naͤchſten,
und traue nicht jedem Gedancken, der dir einfallt, daß du mit unvor-
ſichtigen Worten heraus platzeſt, indem du dich beſſer duncken laſſeſt
als den Naͤchſten, in eigen Gefallen deiner Tugenden.
Solch eigen-liebiger Gedancken iſt ein Pfeifflin, darmit der Teu-
fel herbey gelocket wird, und Macht und Gelegenheit bekommt dich
uͤbern Hauffen zu werffen, und dir hernach ein greulich Angſt-Bad
anzurichten, daß du wollteſt du haͤtteſt geſchwiegen. Darum geb ich
dir den einfaͤltigen Rath; verſchantze dich wohl in der Liebes-Feſtung,
ſo bleibeſt du in der Friedens-Burg neben dem wohl-riechenden Myr-
ten-Gebuͤſch und denen edlen Weinbergen der Demuth.
Hoffe nim̃ermehr, daß du das Boͤſe mit Boͤſem uͤberwinden wolleſt;
es wird kein Teufel den anderen austreiben, GOttes Finger muß
es
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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 720. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/816>, abgerufen am 23.11.2024.
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