läßt sich noch hertzen und küssen von jedem, der nur will; aber wie bald kan es von dir weggerückt, oder doch deine Seelen-Kräfften gebannet, und dir aller freyer Zutritt zu GOTT versperret wer- den a? Spiegle dich an dem unseligen Bethlehem und verstockten Je- rusalem b; Jhren Seeligmacher verschupfen sie c unwissend in einen Stall, der Hirten Aussag von der Englen Erscheinung und himm- lischem Freuden-Gesang vergessen sie bald, lassen es bewenden bey einiger Verwunderung; wo nicht etwelche die Hirten gar vor Vi- sionaires, oder Leute von närrischen Einfällen, Gesichteren und Träumen d angesehen haben, der Meynung, wann etwas an der Sach wäre, so sollte es nicht so einfältigen Jdioten, sonderen vornehmen, hoch-berühmten Männeren wiederfahren seyn e. Was thate GOtt diesen und anckbaren, vergäßlichen Orten? Nicht nur bleibet die hei- lige Familie noch eine Weile zu Bethlehem (in dem Joseph Arbeit in seinem Handwerck gesunden haben, und daselbst aufgehalten, aber ziemlich knap bezahlt worden seyn muß,) sondern damit jedermann im gantzen Land wisse, sie seyen noch vorhanden, so langen ohngefehrd zwey Jahr hernach weise vornehme Männer aus Morgenland an f, welche durch ihre Ankunfft und Nachfrag die gantze Stadt Jerusa- lem erregen, das Kind aber nicht mehr im Stall, sondern in einem Hause antreffen. Diese Weisen waren Nachfolger der Schüleren des vortrefflichen und von GOtt so hoch-geliebeten Propheten Da- niels, der zu Susan am Wasser Ulai im Land Elam oder Persien, wo er ein Königlicher Amtmann gewesen, seine Schule gehabt, in wel- cher auch Cyrus in der Jugend sein Zuhörer gewesen seyn soll. Alle Gelehrtheit der Morgenländer kommt her von einem Daniel g, gleich wie zuvor alle Weißheit der Egypter von Joseph h; So gar viel ist an einer der Keuschheit und Nüchterkeit ergebenen, lust-häßigen Ju- gend gelegen, daß sich der Seegen darvon hernach ins Unendliche ausbreitet. Ast heic sunt rari nantes in gurgite vasto.
I. Jugend-Säffte, Gnaden-Kräffte Werden manchem zugetheilt: Doch hats wenig, die dem König Sind rechtschaffen nachgeeilt.
II. Sa-
aMatth. XXII. 13.
bLuc. XIX. 42.
cMatth. XI. 23.
d 2 Reg. IX. 11.
eJoh. VII. 49.
fMatth. II. 16.
gEzech. XXVIII. 3.
hPs. CV. 22.
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Weyhnachts-Gedancken.
laͤßt ſich noch hertzen und kuͤſſen von jedem, der nur will; aber wie bald kan es von dir weggeruͤckt, oder doch deine Seelen-Kraͤfften gebannet, und dir aller freyer Zutritt zu GOTT verſperret wer- den a? Spiegle dich an dem unſeligen Bethlehem und verſtockten Je- ruſalem b; Jhren Seeligmacher verſchupfen ſie c unwiſſend in einen Stall, der Hirten Auſſag von der Englen Erſcheinung und himm- liſchem Freuden-Geſang vergeſſen ſie bald, laſſen es bewenden bey einiger Verwunderung; wo nicht etwelche die Hirten gar vor Vi- ſionaires, oder Leute von naͤrriſchen Einfaͤllen, Geſichteren und Traͤumen d angeſehen haben, der Meynung, wann etwas an der Sach waͤre, ſo ſollte es nicht ſo einfaͤltigen Jdioten, ſonderen vornehmen, hoch-beruͤhmten Maͤnneren wiederfahren ſeyn e. Was thate GOtt dieſen und anckbaren, vergaͤßlichen Orten? Nicht nur bleibet die hei- lige Familie noch eine Weile zu Bethlehem (in dem Joſeph Arbeit in ſeinem Handwerck geſunden haben, und daſelbſt aufgehalten, aber ziemlich knap bezahlt worden ſeyn muß,) ſondern damit jedermann im gantzen Land wiſſe, ſie ſeyen noch vorhanden, ſo langen ohngefehrd zwey Jahr hernach weiſe vornehme Maͤnner aus Morgenland an f, welche durch ihre Ankunfft und Nachfrag die gantze Stadt Jeruſa- lem erregen, das Kind aber nicht mehr im Stall, ſondern in einem Hauſe antreffen. Dieſe Weiſen waren Nachfolger der Schuͤleren des vortrefflichen und von GOtt ſo hoch-geliebeten Propheten Da- niels, der zu Suſan am Waſſer Ulai im Land Elam oder Perſien, wo er ein Koͤniglicher Amtmann geweſen, ſeine Schule gehabt, in wel- cher auch Cyrus in der Jugend ſein Zuhoͤrer geweſen ſeyn ſoll. Alle Gelehrtheit der Morgenlaͤnder kommt her von einem Daniel g, gleich wie zuvor alle Weißheit der Egypter von Joſeph h; So gar viel iſt an einer der Keuſchheit und Nuͤchterkeit ergebenen, luſt-haͤßigen Ju- gend gelegen, daß ſich der Seegen darvon hernach ins Unendliche ausbreitet. Aſt hîc ſunt rari nantes in gurgite vaſto.
I. Jugend-Saͤffte, Gnaden-Kraͤffte Werden manchem zugetheilt: Doch hats wenig, die dem Koͤnig Sind rechtſchaffen nachgeeilt.
II. Sa-
aMatth. XXII. 13.
bLuc. XIX. 42.
cMatth. XI. 23.
d 2 Reg. IX. 11.
eJoh. VII. 49.
fMatth. II. 16.
gEzech. XXVIII. 3.
hPſ. CV. 22.
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Weyhnachts-Gedancken.
laͤßt ſich noch hertzen und kuͤſſen von jedem, der nur will; aber wie
bald kan es von dir weggeruͤckt, oder doch deine Seelen-Kraͤfften
gebannet, und dir aller freyer Zutritt zu GOTT verſperret wer-
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ruſalem b; Jhren Seeligmacher verſchupfen ſie c unwiſſend in einen
Stall, der Hirten Auſſag von der Englen Erſcheinung und himm-
liſchem Freuden-Geſang vergeſſen ſie bald, laſſen es bewenden bey
einiger Verwunderung; wo nicht etwelche die Hirten gar vor Vi-
ſionaires, oder Leute von naͤrriſchen Einfaͤllen, Geſichteren und
Traͤumen d angeſehen haben, der Meynung, wann etwas an der Sach
waͤre, ſo ſollte es nicht ſo einfaͤltigen Jdioten, ſonderen vornehmen,
hoch-beruͤhmten Maͤnneren wiederfahren ſeyn e. Was thate GOtt
dieſen und anckbaren, vergaͤßlichen Orten? Nicht nur bleibet die hei-
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in ſeinem Handwerck geſunden haben, und daſelbſt aufgehalten, aber
ziemlich knap bezahlt worden ſeyn muß,) ſondern damit jedermann im
gantzen Land wiſſe, ſie ſeyen noch vorhanden, ſo langen ohngefehrd
zwey Jahr hernach weiſe vornehme Maͤnner aus Morgenland an f,
welche durch ihre Ankunfft und Nachfrag die gantze Stadt Jeruſa-
lem erregen, das Kind aber nicht mehr im Stall, ſondern in einem
Hauſe antreffen. Dieſe Weiſen waren Nachfolger der Schuͤleren
des vortrefflichen und von GOtt ſo hoch-geliebeten Propheten Da-
niels, der zu Suſan am Waſſer Ulai im Land Elam oder Perſien, wo
er ein Koͤniglicher Amtmann geweſen, ſeine Schule gehabt, in wel-
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an einer der Keuſchheit und Nuͤchterkeit ergebenen, luſt-haͤßigen Ju-
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ausbreitet. Aſt hîc ſunt rari nantes in gurgite vaſto.
I.
Jugend-Saͤffte, Gnaden-Kraͤffte
Werden manchem zugetheilt:
Doch hats wenig, die dem Koͤnig
Sind rechtſchaffen nachgeeilt.
II. Sa-
a Matth. XXII. 13.
b Luc. XIX. 42.
c Matth. XI. 23.
d 2 Reg.
IX. 11.
e Joh. VII. 49.
f Matth. II. 16.
g Ezech. XXVIII. 3.
h Pſ. CV. 22.
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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 633. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/729>, abgerufen am 23.11.2024.
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