Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

Bild:
<< vorherige Seite

Weyhnachts-Gedancken.
läßt sich noch hertzen und küssen von jedem, der nur will; aber wie
bald kan es von dir weggerückt, oder doch deine Seelen-Kräfften
gebannet, und dir aller freyer Zutritt zu GOTT versperret wer-
den a? Spiegle dich an dem unseligen Bethlehem und verstockten Je-
rusalem b; Jhren Seeligmacher verschupfen sie c unwissend in einen
Stall, der Hirten Aussag von der Englen Erscheinung und himm-
lischem Freuden-Gesang vergessen sie bald, lassen es bewenden bey
einiger Verwunderung; wo nicht etwelche die Hirten gar vor Vi-
sionaires, oder Leute von närrischen Einfällen, Gesichteren und
Träumen d angesehen haben, der Meynung, wann etwas an der Sach
wäre, so sollte es nicht so einfältigen Jdioten, sonderen vornehmen,
hoch-berühmten Männeren wiederfahren seyn e. Was thate GOtt
diesen und anckbaren, vergäßlichen Orten? Nicht nur bleibet die hei-
lige Familie noch eine Weile zu Bethlehem (in dem Joseph Arbeit
in seinem Handwerck gesunden haben, und daselbst aufgehalten, aber
ziemlich knap bezahlt worden seyn muß,) sondern damit jedermann im
gantzen Land wisse, sie seyen noch vorhanden, so langen ohngefehrd
zwey Jahr hernach weise vornehme Männer aus Morgenland an f,
welche durch ihre Ankunfft und Nachfrag die gantze Stadt Jerusa-
lem erregen, das Kind aber nicht mehr im Stall, sondern in einem
Hause antreffen. Diese Weisen waren Nachfolger der Schüleren
des vortrefflichen und von GOtt so hoch-geliebeten Propheten Da-
niels, der zu Susan am Wasser Ulai im Land Elam oder Persien, wo
er ein Königlicher Amtmann gewesen, seine Schule gehabt, in wel-
cher auch Cyrus in der Jugend sein Zuhörer gewesen seyn soll. Alle
Gelehrtheit der Morgenländer kommt her von einem Daniel g, gleich
wie zuvor alle Weißheit der Egypter von Joseph h; So gar viel ist
an einer der Keuschheit und Nüchterkeit ergebenen, lust-häßigen Ju-
gend gelegen, daß sich der Seegen darvon hernach ins Unendliche
ausbreitet. Ast heic sunt rari nantes in gurgite vasto.

I.
Jugend-Säffte, Gnaden-Kräffte
Werden manchem zugetheilt:
Doch hats wenig, die dem König
Sind rechtschaffen nachgeeilt.
II. Sa-
a Matth. XXII. 13.
b Luc. XIX. 42.
c Matth. XI. 23.
d 2 Reg.
IX.
11.
e Joh. VII. 49.
f Matth. II. 16.
g Ezech. XXVIII. 3.
h Ps. CV. 22.
L l l l

Weyhnachts-Gedancken.
laͤßt ſich noch hertzen und kuͤſſen von jedem, der nur will; aber wie
bald kan es von dir weggeruͤckt, oder doch deine Seelen-Kraͤfften
gebannet, und dir aller freyer Zutritt zu GOTT verſperret wer-
den a? Spiegle dich an dem unſeligen Bethlehem und verſtockten Je-
ruſalem b; Jhren Seeligmacher verſchupfen ſie c unwiſſend in einen
Stall, der Hirten Auſſag von der Englen Erſcheinung und himm-
liſchem Freuden-Geſang vergeſſen ſie bald, laſſen es bewenden bey
einiger Verwunderung; wo nicht etwelche die Hirten gar vor Vi-
ſionaires, oder Leute von naͤrriſchen Einfaͤllen, Geſichteren und
Traͤumen d angeſehen haben, der Meynung, wann etwas an der Sach
waͤre, ſo ſollte es nicht ſo einfaͤltigen Jdioten, ſonderen vornehmen,
hoch-beruͤhmten Maͤnneren wiederfahren ſeyn e. Was thate GOtt
dieſen und anckbaren, vergaͤßlichen Orten? Nicht nur bleibet die hei-
lige Familie noch eine Weile zu Bethlehem (in dem Joſeph Arbeit
in ſeinem Handwerck geſunden haben, und daſelbſt aufgehalten, aber
ziemlich knap bezahlt worden ſeyn muß,) ſondern damit jedermann im
gantzen Land wiſſe, ſie ſeyen noch vorhanden, ſo langen ohngefehrd
zwey Jahr hernach weiſe vornehme Maͤnner aus Morgenland an f,
welche durch ihre Ankunfft und Nachfrag die gantze Stadt Jeruſa-
lem erregen, das Kind aber nicht mehr im Stall, ſondern in einem
Hauſe antreffen. Dieſe Weiſen waren Nachfolger der Schuͤleren
des vortrefflichen und von GOtt ſo hoch-geliebeten Propheten Da-
niels, der zu Suſan am Waſſer Ulai im Land Elam oder Perſien, wo
er ein Koͤniglicher Amtmann geweſen, ſeine Schule gehabt, in wel-
cher auch Cyrus in der Jugend ſein Zuhoͤrer geweſen ſeyn ſoll. Alle
Gelehrtheit der Morgenlaͤnder kommt her von einem Daniel g, gleich
wie zuvor alle Weißheit der Egypter von Joſeph h; So gar viel iſt
an einer der Keuſchheit und Nuͤchterkeit ergebenen, luſt-haͤßigen Ju-
gend gelegen, daß ſich der Seegen darvon hernach ins Unendliche
ausbreitet. Aſt hîc ſunt rari nantes in gurgite vaſto.

I.
Jugend-Saͤffte, Gnaden-Kraͤffte
Werden manchem zugetheilt:
Doch hats wenig, die dem Koͤnig
Sind rechtſchaffen nachgeeilt.
II. Sa-
a Matth. XXII. 13.
b Luc. XIX. 42.
c Matth. XI. 23.
d 2 Reg.
IX.
11.
e Joh. VII. 49.
f Matth. II. 16.
g Ezech. XXVIII. 3.
h Pſ. CV. 22.
L l l l
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0729" n="633"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Weyhnachts-Gedancken.</hi></fw><lb/>
la&#x0364;ßt &#x017F;ich noch hertzen und ku&#x0364;&#x017F;&#x017F;en von jedem, der nur will; aber wie<lb/>
bald kan es von dir weggeru&#x0364;ckt, oder doch deine Seelen-Kra&#x0364;fften<lb/>
gebannet, und dir aller freyer Zutritt zu GOTT ver&#x017F;perret wer-<lb/>
den <note place="foot" n="a"><hi rendition="#aq">Matth. XXII.</hi> 13.</note>? Spiegle dich an dem un&#x017F;eligen Bethlehem und ver&#x017F;tockten Je-<lb/>
ru&#x017F;alem <note place="foot" n="b"><hi rendition="#aq">Luc. XIX.</hi> 42.</note>; Jhren Seeligmacher ver&#x017F;chupfen &#x017F;ie <note place="foot" n="c"><hi rendition="#aq">Matth. XI.</hi> 23.</note> unwi&#x017F;&#x017F;end in einen<lb/>
Stall, der Hirten Au&#x017F;&#x017F;ag von der Englen Er&#x017F;cheinung und himm-<lb/>
li&#x017F;chem Freuden-Ge&#x017F;ang verge&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie bald, la&#x017F;&#x017F;en es bewenden bey<lb/>
einiger Verwunderung; wo nicht etwelche die Hirten gar vor Vi-<lb/>
&#x017F;ionaires, oder Leute von na&#x0364;rri&#x017F;chen Einfa&#x0364;llen, Ge&#x017F;ichteren und<lb/>
Tra&#x0364;umen <note place="foot" n="d">2 <hi rendition="#aq">Reg.<lb/>
IX.</hi> 11.</note> ange&#x017F;ehen haben, der Meynung, wann etwas an der Sach<lb/>
wa&#x0364;re, &#x017F;o &#x017F;ollte es nicht &#x017F;o einfa&#x0364;ltigen Jdioten, &#x017F;onderen vornehmen,<lb/>
hoch-beru&#x0364;hmten Ma&#x0364;nneren wiederfahren &#x017F;eyn <note place="foot" n="e"><hi rendition="#aq">Joh. VII.</hi> 49.</note>. Was thate GOtt<lb/>
die&#x017F;en und anckbaren, verga&#x0364;ßlichen Orten? Nicht nur bleibet die hei-<lb/>
lige Familie noch eine Weile zu Bethlehem (in dem Jo&#x017F;eph Arbeit<lb/>
in &#x017F;einem Handwerck ge&#x017F;unden haben, und da&#x017F;elb&#x017F;t aufgehalten, aber<lb/>
ziemlich knap bezahlt worden &#x017F;eyn muß,) &#x017F;ondern damit jedermann im<lb/>
gantzen Land wi&#x017F;&#x017F;e, &#x017F;ie &#x017F;eyen noch vorhanden, &#x017F;o langen ohngefehrd<lb/>
zwey Jahr hernach wei&#x017F;e vornehme Ma&#x0364;nner aus Morgenland an <note place="foot" n="f"><hi rendition="#aq">Matth. II.</hi> 16.</note>,<lb/>
welche durch ihre Ankunfft und Nachfrag die gantze Stadt Jeru&#x017F;a-<lb/>
lem erregen, das Kind aber nicht mehr im Stall, &#x017F;ondern in einem<lb/>
Hau&#x017F;e antreffen. Die&#x017F;e Wei&#x017F;en waren Nachfolger der Schu&#x0364;leren<lb/>
des vortrefflichen und von GOtt &#x017F;o hoch-geliebeten Propheten Da-<lb/>
niels, der zu Su&#x017F;an am Wa&#x017F;&#x017F;er Ulai im Land Elam oder Per&#x017F;ien, wo<lb/>
er ein Ko&#x0364;niglicher Amtmann gewe&#x017F;en, &#x017F;eine Schule gehabt, in wel-<lb/>
cher auch Cyrus in der Jugend &#x017F;ein Zuho&#x0364;rer gewe&#x017F;en &#x017F;eyn &#x017F;oll. Alle<lb/>
Gelehrtheit der Morgenla&#x0364;nder kommt her von einem Daniel <note place="foot" n="g"><hi rendition="#aq">Ezech. XXVIII.</hi> 3.</note>, gleich<lb/>
wie zuvor alle Weißheit der Egypter von Jo&#x017F;eph <note place="foot" n="h"><hi rendition="#aq">P&#x017F;. CV.</hi> 22.</note>; So gar viel i&#x017F;t<lb/>
an einer der Keu&#x017F;chheit und Nu&#x0364;chterkeit ergebenen, lu&#x017F;t-ha&#x0364;ßigen Ju-<lb/>
gend gelegen, daß &#x017F;ich der Seegen darvon hernach ins Unendliche<lb/>
ausbreitet. <hi rendition="#aq">A&#x017F;t hîc &#x017F;unt rari nantes in gurgite va&#x017F;to.</hi></p><lb/>
          <lg type="poem">
            <lg>
              <l> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#aq">I.</hi> </hi> </l><lb/>
              <l>Jugend-Sa&#x0364;ffte, Gnaden-Kra&#x0364;ffte</l><lb/>
              <l>Werden manchem zugetheilt:</l><lb/>
              <l>Doch hats wenig, die dem Ko&#x0364;nig</l><lb/>
              <l>Sind recht&#x017F;chaffen nachgeeilt.</l>
            </lg><lb/>
            <fw place="bottom" type="sig">L l l l</fw>
            <fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#aq">II.</hi> Sa-</fw><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[633/0729] Weyhnachts-Gedancken. laͤßt ſich noch hertzen und kuͤſſen von jedem, der nur will; aber wie bald kan es von dir weggeruͤckt, oder doch deine Seelen-Kraͤfften gebannet, und dir aller freyer Zutritt zu GOTT verſperret wer- den a? Spiegle dich an dem unſeligen Bethlehem und verſtockten Je- ruſalem b; Jhren Seeligmacher verſchupfen ſie c unwiſſend in einen Stall, der Hirten Auſſag von der Englen Erſcheinung und himm- liſchem Freuden-Geſang vergeſſen ſie bald, laſſen es bewenden bey einiger Verwunderung; wo nicht etwelche die Hirten gar vor Vi- ſionaires, oder Leute von naͤrriſchen Einfaͤllen, Geſichteren und Traͤumen d angeſehen haben, der Meynung, wann etwas an der Sach waͤre, ſo ſollte es nicht ſo einfaͤltigen Jdioten, ſonderen vornehmen, hoch-beruͤhmten Maͤnneren wiederfahren ſeyn e. Was thate GOtt dieſen und anckbaren, vergaͤßlichen Orten? Nicht nur bleibet die hei- lige Familie noch eine Weile zu Bethlehem (in dem Joſeph Arbeit in ſeinem Handwerck geſunden haben, und daſelbſt aufgehalten, aber ziemlich knap bezahlt worden ſeyn muß,) ſondern damit jedermann im gantzen Land wiſſe, ſie ſeyen noch vorhanden, ſo langen ohngefehrd zwey Jahr hernach weiſe vornehme Maͤnner aus Morgenland an f, welche durch ihre Ankunfft und Nachfrag die gantze Stadt Jeruſa- lem erregen, das Kind aber nicht mehr im Stall, ſondern in einem Hauſe antreffen. Dieſe Weiſen waren Nachfolger der Schuͤleren des vortrefflichen und von GOtt ſo hoch-geliebeten Propheten Da- niels, der zu Suſan am Waſſer Ulai im Land Elam oder Perſien, wo er ein Koͤniglicher Amtmann geweſen, ſeine Schule gehabt, in wel- cher auch Cyrus in der Jugend ſein Zuhoͤrer geweſen ſeyn ſoll. Alle Gelehrtheit der Morgenlaͤnder kommt her von einem Daniel g, gleich wie zuvor alle Weißheit der Egypter von Joſeph h; So gar viel iſt an einer der Keuſchheit und Nuͤchterkeit ergebenen, luſt-haͤßigen Ju- gend gelegen, daß ſich der Seegen darvon hernach ins Unendliche ausbreitet. Aſt hîc ſunt rari nantes in gurgite vaſto. I. Jugend-Saͤffte, Gnaden-Kraͤffte Werden manchem zugetheilt: Doch hats wenig, die dem Koͤnig Sind rechtſchaffen nachgeeilt. II. Sa- a Matth. XXII. 13. b Luc. XIX. 42. c Matth. XI. 23. d 2 Reg. IX. 11. e Joh. VII. 49. f Matth. II. 16. g Ezech. XXVIII. 3. h Pſ. CV. 22. L l l l

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/729
Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 633. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/729>, abgerufen am 13.06.2024.