ten-Bilder aus unser Phantasie oder Einbildungs-Krafft auslöschet; und hat dann einen Pensel, wormit es das anmuthigste Wesen sei- ner Göttlichen Kindheit mit den allersüssesten Liebes-Zügen hinein- mahlet: Anders kan unser Geist gar nicht in dem liebreichen Ange- dencken GOttes besestiget werden. Dann unsere Phantasie muß nothwendig etwas sichtbahres haben, wormit sie umgehe: Jst nun der im Fleisch geoffenbahrete GOtt nicht ihre Nahrung, so schwär- met alles in ihr herum, wie ein Ameissen-Hauffen, also daß man weit ehender in einer Stuben voller Flöh ungebissen sitzen könnte, als von den eitelen Creatur-Bildern ungeplaget bleiben. Der lieffe mit dem Kopf an die Maur, wer sich selbst darvon erledigen wollte: Das hei- lige Kind JESUS kan diese Kunst allein, zu dem muß man sich fleis- sig halten. Ubergebe ihm dein Hertz, er wirds so sauber, ruhig, rein und klar machen, daß es eine Freude ist.
Jedennoch must du dich zu grösserem Ernst gewehnen, und mit Mose durch die Wolcken der Menschheit hindurch zu GOTT ins Feuer hinein gehen, wohin auch der unsterbliche Geist in uns beruffen und gezogen wird; nehmlich zu dem ewigen Sohn vor dessen Glantz alle Gaben, Liechter, Empfindungen verschwinden, wie die Sonne mit ihrem Auffgang aller Sternen Schein verdunckelt, und gleichsam in sich verschlinget. Hengen wir uns wie eine Klette an den Menschen- Sohn, und folgen dem Durchbrecher a aller Banden unerschrocken nach, so gelangen wir endlich in diese unendliche Klarheit; dann er ist uns gebohren und gestorben, der Gerechte für die Ungerechten, auf daß Er uns zu GOTT brächteb.
§. 7. Sagst du aber: Hat uns GOTT nicht von Ewigkeit herDie Liebe GOttes hebet die Rothwen- digkeit ei- nes Mitt- lers nicht auf. geliebet? Was ist dann ein Mittler nöthig, uns zu ihm zu führen?
GOTT hat uns zwar geliebet von Ewigkeit her mit der Liebe der Zuneigung, Erbärmd, Wohlgewogenheit, aus welcher erbarmender Liebe die Schenckung und Verehrung seines Sohns an die Welt geflossen. Es liebet uns der Vatter in der Gnaden-Zeit mit der Liebe der Wohlthätigkeit, da er uns als seine Abge- sonderte und Auserkohrne seinem Sohn übergibt, und durch den Glauben zuführet c, der Sohn uns auch willig auf und annimmet,
und
aMich. II. 13.
b 1 Petr. III. 18.
cJoh. XVII. 6. & VI. 37.
J i i i 2
Weyhnachts-Gedancken.
ten-Bilder aus unſer Phantaſie oder Einbildungs-Krafft ausloͤſchet; und hat dann einen Penſel, wormit es das anmuthigſte Weſen ſei- ner Goͤttlichen Kindheit mit den allerſuͤſſeſten Liebes-Zuͤgen hinein- mahlet: Anders kan unſer Geiſt gar nicht in dem liebreichen Ange- dencken GOttes beſeſtiget werden. Dann unſere Phantaſie muß nothwendig etwas ſichtbahres haben, wormit ſie umgehe: Jſt nun der im Fleiſch geoffenbahrete GOtt nicht ihre Nahrung, ſo ſchwaͤr- met alles in ihr herum, wie ein Ameiſſen-Hauffen, alſo daß man weit ehender in einer Stuben voller Floͤh ungebiſſen ſitzen koͤnnte, als von den eitelen Creatur-Bildern ungeplaget bleiben. Der lieffe mit dem Kopf an die Maur, wer ſich ſelbſt darvon erledigen wollte: Das hei- lige Kind JESUS kan dieſe Kunſt allein, zu dem muß man ſich fleiſ- ſig halten. Ubergebe ihm dein Hertz, er wirds ſo ſauber, ruhig, rein und klar machen, daß es eine Freude iſt.
Jedennoch muſt du dich zu groͤſſerem Ernſt gewehnen, und mit Moſe durch die Wolcken der Menſchheit hindurch zu GOTT ins Feuer hinein gehen, wohin auch der unſterbliche Geiſt in uns beruffen und gezogen wird; nehmlich zu dem ewigen Sohn vor deſſen Glantz alle Gaben, Liechter, Empfindungen verſchwinden, wie die Sonne mit ihrem Auffgang aller Sternen Schein verdunckelt, und gleichſam in ſich verſchlinget. Hengen wir uns wie eine Klette an den Menſchen- Sohn, und folgen dem Durchbrecher a aller Banden unerſchrocken nach, ſo gelangen wir endlich in dieſe unendliche Klarheit; dann er iſt uns gebohren und geſtorben, der Gerechte fuͤr die Ungerechten, auf daß Er uns zu GOTT braͤchteb.
§. 7. Sagſt du aber: Hat uns GOTT nicht von Ewigkeit herDie Liebe GOttes hebet die Rothwen- digkeit ei- nes Mitt- lers nicht auf. geliebet? Was iſt dann ein Mittler noͤthig, uns zu ihm zu fuͤhren?
GOTT hat uns zwar geliebet von Ewigkeit her mit der Liebe der Zuneigung, Erbaͤrmd, Wohlgewogenheit, aus welcher erbarmender Liebe die Schenckung und Verehrung ſeines Sohns an die Welt gefloſſen. Es liebet uns der Vatter in der Gnaden-Zeit mit der Liebe der Wohlthaͤtigkeit, da er uns als ſeine Abge- ſonderte und Auserkohrne ſeinem Sohn uͤbergibt, und durch den Glauben zufuͤhret c, der Sohn uns auch willig auf und annimmet,
und
aMich. II. 13.
b 1 Petr. III. 18.
cJoh. XVII. 6. & VI. 37.
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Weyhnachts-Gedancken.
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ner Goͤttlichen Kindheit mit den allerſuͤſſeſten Liebes-Zuͤgen hinein-
mahlet: Anders kan unſer Geiſt gar nicht in dem liebreichen Ange-
dencken GOttes beſeſtiget werden. Dann unſere Phantaſie muß
nothwendig etwas ſichtbahres haben, wormit ſie umgehe: Jſt nun
der im Fleiſch geoffenbahrete GOtt nicht ihre Nahrung, ſo ſchwaͤr-
met alles in ihr herum, wie ein Ameiſſen-Hauffen, alſo daß man weit
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den eitelen Creatur-Bildern ungeplaget bleiben. Der lieffe mit dem
Kopf an die Maur, wer ſich ſelbſt darvon erledigen wollte: Das hei-
lige Kind JESUS kan dieſe Kunſt allein, zu dem muß man ſich fleiſ-
ſig halten. Ubergebe ihm dein Hertz, er wirds ſo ſauber, ruhig, rein
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Jedennoch muſt du dich zu groͤſſerem Ernſt gewehnen, und mit
Moſe durch die Wolcken der Menſchheit hindurch zu GOTT ins
Feuer hinein gehen, wohin auch der unſterbliche Geiſt in uns beruffen
und gezogen wird; nehmlich zu dem ewigen Sohn vor deſſen Glantz
alle Gaben, Liechter, Empfindungen verſchwinden, wie die Sonne
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in ſich verſchlinget. Hengen wir uns wie eine Klette an den Menſchen-
Sohn, und folgen dem Durchbrecher a aller Banden unerſchrocken
nach, ſo gelangen wir endlich in dieſe unendliche Klarheit; dann er
iſt uns gebohren und geſtorben, der Gerechte fuͤr die Ungerechten,
auf daß Er uns zu GOTT braͤchte b.
§. 7. Sagſt du aber: Hat uns GOTT nicht von Ewigkeit her
geliebet? Was iſt dann ein Mittler noͤthig, uns zu ihm zu fuͤhren?
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Rothwen-
digkeit ei-
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lers nicht
auf.
GOTT hat uns zwar geliebet von Ewigkeit her mit der Liebe
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erbarmender Liebe die Schenckung und Verehrung ſeines Sohns an
die Welt gefloſſen. Es liebet uns der Vatter in der Gnaden-Zeit
mit der Liebe der Wohlthaͤtigkeit, da er uns als ſeine Abge-
ſonderte und Auserkohrne ſeinem Sohn uͤbergibt, und durch den
Glauben zufuͤhret c, der Sohn uns auch willig auf und annimmet,
und
a Mich. II. 13.
b 1 Petr. III. 18.
c Joh. XVII. 6. & VI. 37.
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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 619. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/715>, abgerufen am 23.11.2024.
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