§. 18. Erschrick nicht darab, wann ich dir schon solches sage,welche dann wi- der Hoffen würcket warum man bit- tet. daß du dich besegnen wolltest und sprechen: ey bin ich doch ein ver- wirrtes Sünden-volles Babel! dann gemeiniglich seynd das die weitesten, die sich am nächsten zu seyn duncken; und die seynd am nächsten, die meynen sie seyen am weitesten, hier wird der Gottlose gerecht, und der Sünder für heilig geachtet: darum sag ich noch einmahl: lobe Zion deinen GOtt, der dir gibt was du von ihm bit- test; aber weilen du eine unverständige Tochter bist, so weist du nicht, daß es eben das ist, was du gebetten, sonderen klagest und heulest, da es doch noch nie so wohl um dich gestanden! wann dirs GOtt offentlich gebe, wie es die Seeligen im Himmel geniessen, und zuweilen auch die Gläubigen auf Erden in denen Erstlingen, so wärest du schon zufrieden? Aber GOtt findets für dich nutzlicher zu seyn, daß Ers dir heimlich gebe; Und weilen du den Schatz nicht kennst noch weist, den dir GOtt zu Hauß im Verborgenen beyge- legt, so muß ich dir solches deutlich unter die Augen stellen, damit du endlich lernest lustig seyn, und GOtt dancken.
§. 19. Einwurff. Lüge mir nicht! wie sollt ich aber einen solchenDer wel- cher sich aller Gnad unwürdig erkennet, Schatz haben, der ich gantz Hülff- und Rathloß bin, und nichts als den Untergang vor mir sehe, weil ich Christi Namen sehr entheili- get, und sein Leyden nie recht gebraucht, zu völliger Absterbung meiner selbst und der Welt; Jch habe nicht nur die Heil. Zehen Gebott gräulich übertretten, sonderen auch das Blut, ach das theu- re Blut JEsu! nicht zum Heyl und Leben angewendet, darum werde ich das ewig leyden müssen, was JEsus eine kleine Zeit am Oelberg, zu Jerusalem und auf der Schädel-Stadt erlitten hat; ich sehe kei- nen Ausgang aus meiner Noth; Christus wird sich an mir rächen?
§. 20. Antwort. 1. Du bist jetz nicht recht bey dir selbst, du urthei-muß wis- sen daß JESUS ihm seine Gnade am liebsten erzeige. lest gantz verkehrt von der Sach, weilen du JEsu lieb-volles Hertz, das er gegen dir hat, nicht kennest; du wilt allezeit in dir Grund und Ursach seiner Liebe finden in deinem guten frommen Wandel und wohlanwendender Zeit, da es eine pur lautere, freye und unverdien- te Gnad, welche JESUS dem bey sich selbst Allerunwürdigsten am liebsten erzeigt; wie schwer gehet es doch zu, ehe sich der Mensch recht drein schicken kan, aus Gnaden selig zu werden! wer hat ja JEsum gezwungen, die Sünden so schwer zu tragen, als seine gros- se Liebe? Lauff ein klein wenig von dem Berg Sinai hinweg, dann
es
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liegende Wein-Trauben.
§. 18. Erſchrick nicht darab, wann ich dir ſchon ſolches ſage,welche dann wi- der Hoffen wuͤrcket warum man bit- tet. daß du dich beſegnen wollteſt und ſprechen: ey bin ich doch ein ver- wirrtes Suͤnden-volles Babel! dann gemeiniglich ſeynd das die weiteſten, die ſich am naͤchſten zu ſeyn duncken; und die ſeynd am naͤchſten, die meynen ſie ſeyen am weiteſten, hier wird der Gottloſe gerecht, und der Suͤnder fuͤr heilig geachtet: darum ſag ich noch einmahl: lobe Zion deinen GOtt, der dir gibt was du von ihm bit- teſt; aber weilen du eine unverſtaͤndige Tochter biſt, ſo weiſt du nicht, daß es eben das iſt, was du gebetten, ſonderen klageſt und heuleſt, da es doch noch nie ſo wohl um dich geſtanden! wann dirs GOtt offentlich gebe, wie es die Seeligen im Himmel genieſſen, und zuweilen auch die Glaͤubigen auf Erden in denen Erſtlingen, ſo waͤreſt du ſchon zufrieden? Aber GOtt findets fuͤr dich nutzlicher zu ſeyn, daß Ers dir heimlich gebe; Und weilen du den Schatz nicht kennſt noch weiſt, den dir GOtt zu Hauß im Verborgenen beyge- legt, ſo muß ich dir ſolches deutlich unter die Augen ſtellen, damit du endlich lerneſt luſtig ſeyn, und GOtt dancken.
§. 19. Einwurff. Luͤge mir nicht! wie ſollt ich aber einen ſolchenDer wel- cher ſich aller Gnad unwuͤrdig erkennet, Schatz haben, der ich gantz Huͤlff- und Rathloß bin, und nichts als den Untergang vor mir ſehe, weil ich Chriſti Namen ſehr entheili- get, und ſein Leyden nie recht gebraucht, zu voͤlliger Abſterbung meiner ſelbſt und der Welt; Jch habe nicht nur die Heil. Zehen Gebott graͤulich uͤbertretten, ſonderen auch das Blut, ach das theu- re Blut JEſu! nicht zum Heyl und Leben angewendet, darum werde ich das ewig leyden muͤſſen, was JEſus eine kleine Zeit am Oelberg, zu Jeruſalem und auf der Schaͤdel-Stadt erlitten hat; ich ſehe kei- nen Ausgang aus meiner Noth; Chriſtus wird ſich an mir raͤchen?
§. 20. Antwort. 1. Du biſt jetz nicht recht bey dir ſelbſt, du urthei-muß wiſ- ſen daß JESUS ihm ſeine Gnade am liebſten erzeige. leſt gantz verkehrt von der Sach, weilen du JEſu lieb-volles Hertz, das er gegen dir hat, nicht kenneſt; du wilt allezeit in dir Grund und Urſach ſeiner Liebe finden in deinem guten frommen Wandel und wohlanwendender Zeit, da es eine pur lautere, freye und unverdien- te Gnad, welche JESUS dem bey ſich ſelbſt Allerunwuͤrdigſten am liebſten erzeigt; wie ſchwer gehet es doch zu, ehe ſich der Menſch recht drein ſchicken kan, aus Gnaden ſelig zu werden! wer hat ja JEſum gezwungen, die Suͤnden ſo ſchwer zu tragen, als ſeine groſ- ſe Liebe? Lauff ein klein wenig von dem Berg Sinai hinweg, dann
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liegende Wein-Trauben.
§. 18. Erſchrick nicht darab, wann ich dir ſchon ſolches ſage,
daß du dich beſegnen wollteſt und ſprechen: ey bin ich doch ein ver-
wirrtes Suͤnden-volles Babel! dann gemeiniglich ſeynd das die
weiteſten, die ſich am naͤchſten zu ſeyn duncken; und die ſeynd am
naͤchſten, die meynen ſie ſeyen am weiteſten, hier wird der Gottloſe
gerecht, und der Suͤnder fuͤr heilig geachtet: darum ſag ich noch
einmahl: lobe Zion deinen GOtt, der dir gibt was du von ihm bit-
teſt; aber weilen du eine unverſtaͤndige Tochter biſt, ſo weiſt du
nicht, daß es eben das iſt, was du gebetten, ſonderen klageſt und
heuleſt, da es doch noch nie ſo wohl um dich geſtanden! wann dirs
GOtt offentlich gebe, wie es die Seeligen im Himmel genieſſen,
und zuweilen auch die Glaͤubigen auf Erden in denen Erſtlingen, ſo
waͤreſt du ſchon zufrieden? Aber GOtt findets fuͤr dich nutzlicher zu
ſeyn, daß Ers dir heimlich gebe; Und weilen du den Schatz nicht
kennſt noch weiſt, den dir GOtt zu Hauß im Verborgenen beyge-
legt, ſo muß ich dir ſolches deutlich unter die Augen ſtellen, damit
du endlich lerneſt luſtig ſeyn, und GOtt dancken.
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dann wi-
der Hoffen
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warum
man bit-
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§. 19. Einwurff. Luͤge mir nicht! wie ſollt ich aber einen ſolchen
Schatz haben, der ich gantz Huͤlff- und Rathloß bin, und nichts als
den Untergang vor mir ſehe, weil ich Chriſti Namen ſehr entheili-
get, und ſein Leyden nie recht gebraucht, zu voͤlliger Abſterbung
meiner ſelbſt und der Welt; Jch habe nicht nur die Heil. Zehen
Gebott graͤulich uͤbertretten, ſonderen auch das Blut, ach das theu-
re Blut JEſu! nicht zum Heyl und Leben angewendet, darum werde
ich das ewig leyden muͤſſen, was JEſus eine kleine Zeit am Oelberg,
zu Jeruſalem und auf der Schaͤdel-Stadt erlitten hat; ich ſehe kei-
nen Ausgang aus meiner Noth; Chriſtus wird ſich an mir raͤchen?
Der wel-
cher ſich
aller Gnad
unwuͤrdig
erkennet,
§. 20. Antwort. 1. Du biſt jetz nicht recht bey dir ſelbſt, du urthei-
leſt gantz verkehrt von der Sach, weilen du JEſu lieb-volles Hertz,
das er gegen dir hat, nicht kenneſt; du wilt allezeit in dir Grund
und Urſach ſeiner Liebe finden in deinem guten frommen Wandel und
wohlanwendender Zeit, da es eine pur lautere, freye und unverdien-
te Gnad, welche JESUS dem bey ſich ſelbſt Allerunwuͤrdigſten
am liebſten erzeigt; wie ſchwer gehet es doch zu, ehe ſich der Menſch
recht drein ſchicken kan, aus Gnaden ſelig zu werden! wer hat ja
JEſum gezwungen, die Suͤnden ſo ſchwer zu tragen, als ſeine groſ-
ſe Liebe? Lauff ein klein wenig von dem Berg Sinai hinweg, dann
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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 465. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/561>, abgerufen am 22.11.2024.
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