Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

Bild:
<< vorherige Seite

Die unter der Kelter des Zorns GOttes
Da schlaf-
fen fort
die Regen-
ten.
für seiner Majestät handlend; seine weise Regierung und Leitung für
unnütz und unnöthig achtende; auf ihr Macht, Gewalt und Reich-
thum trotzende; den geringen neben sich verachtende und unterdru-
ckende; die Zucht des H. Geistes von sich werffende, und die von
unserem getreuen Seligmacher so sehr anbefohlene Niedrigkeit und
Demuth verschmähende; ja theils Orten durch Meineyd, das theu-
re und unvergleichliche Pfand, ich meine ihre Seele, hinweg schleu-
derende.

Da schlaf-
fen fort
die Lehrer.

§. 12. Kommt JEsus zu den Lehreren, o wie findt er sie nicht
schlaffend! wie wenige findet Er, die da gern für die Stadt hinaus
gehen, und seine Schmach tragen! Ach wehe! hier siehet man nicht
einen einigen Schrifft-Gelehrten oder Pharisäer, so wenig als zu
Bethlehem, sie blieben lieber zu Jerusalem bey ihren Pfründen und
Einkünfften, und behalten lieber die Gunst der Grossen, als daß sie
die Freundschafft JEsu genau suchen sollten, daß sie mit ihme der
Welt gecreutziget wurden; vielmehr spotten sie heimlich der Einfallt
und Armuth JEsu, und des erbärmlichen Bilds, welches Er in der
Welt vorstellete; indessen blätteren sie in den Schrifften Mosis und
der Propheten, aber die wahre Krafft des Glaubens in ewigem Le-
ben haben sie nicht, weil sie nicht zu JEsu selbst kommen. JEsus
kommt und trifft sie an nicht auf den Knien um seine himmlische Er-
leuchtung ringend, nicht um täglichen Gehorsam ihres Geistes gegen
dem H. Geist anhaltend, nicht um Gefangennehmung ihrer Gedan-
cken unter Christum flehend, sonderen nur etwelche wenige Begriffe
aus ihrem eigenen Geist oder anderen Schrifften zusammen lesend,
und sich dann kützlend in Eigen-Liebe und Selbst-Gefälligkeit mit der
Ehr und Respect so man ihnen allenthalben erweiset; Ja findet sie
JEsus nicht offtmahl brennend von bitterem Neid und Mißgunst
gegen denen, welchen seine gütige Hand etwann mehrere Gaben und
reichere Frucht schencket; Einmahl findt Er wohl wenig deren, wel-
che die Seelen mit Aengsten gebähren, und mit Flehen vor GOtt da-
hin arbeiten, daß JEsus eine Gestalt in ihnen gewinne; ja JEsus
siehet, daß sie nicht einmahl dem Trieb ihres Gewissens folgen, wel-
ches ihnen bißweilen zuspricht: dieser oder jener trittet nicht in Chri-
sti Fußstapffen, und du bist sein Hirt, und siehest es, du must ihms
anzeigen, sonst wurde das Blut seiner Seelen von deiner Hand ge-
forderet; aber da geschweiget man das Gewissen mit allerhand Aus-

flüchten,

Die unter der Kelter des Zorns GOttes
Da ſchlaf-
fen fort
die Regen-
ten.
fuͤr ſeiner Majeſtaͤt handlend; ſeine weiſe Regierung und Leitung fuͤr
unnuͤtz und unnoͤthig achtende; auf ihr Macht, Gewalt und Reich-
thum trotzende; den geringen neben ſich verachtende und unterdru-
ckende; die Zucht des H. Geiſtes von ſich werffende, und die von
unſerem getreuen Seligmacher ſo ſehr anbefohlene Niedrigkeit und
Demuth verſchmaͤhende; ja theils Orten durch Meineyd, das theu-
re und unvergleichliche Pfand, ich meine ihre Seele, hinweg ſchleu-
derende.

Da ſchlaf-
fen fort
die Lehrer.

§. 12. Kommt JEſus zu den Lehreren, o wie findt er ſie nicht
ſchlaffend! wie wenige findet Er, die da gern fuͤr die Stadt hinaus
gehen, und ſeine Schmach tragen! Ach wehe! hier ſiehet man nicht
einen einigen Schrifft-Gelehrten oder Phariſaͤer, ſo wenig als zu
Bethlehem, ſie blieben lieber zu Jeruſalem bey ihren Pfruͤnden und
Einkuͤnfften, und behalten lieber die Gunſt der Groſſen, als daß ſie
die Freundſchafft JEſu genau ſuchen ſollten, daß ſie mit ihme der
Welt gecreutziget wurden; vielmehr ſpotten ſie heimlich der Einfallt
und Armuth JEſu, und des erbaͤrmlichen Bilds, welches Er in der
Welt vorſtellete; indeſſen blaͤtteren ſie in den Schrifften Moſis und
der Propheten, aber die wahre Krafft des Glaubens in ewigem Le-
ben haben ſie nicht, weil ſie nicht zu JEſu ſelbſt kommen. JEſus
kommt und trifft ſie an nicht auf den Knien um ſeine himmliſche Er-
leuchtung ringend, nicht um taͤglichen Gehorſam ihres Geiſtes gegen
dem H. Geiſt anhaltend, nicht um Gefangennehmung ihrer Gedan-
cken unter Chriſtum flehend, ſonderen nur etwelche wenige Begriffe
aus ihrem eigenen Geiſt oder anderen Schrifften zuſammen leſend,
und ſich dann kuͤtzlend in Eigen-Liebe und Selbſt-Gefaͤlligkeit mit der
Ehr und Reſpect ſo man ihnen allenthalben erweiſet; Ja findet ſie
JEſus nicht offtmahl brennend von bitterem Neid und Mißgunſt
gegen denen, welchen ſeine guͤtige Hand etwann mehrere Gaben und
reichere Frucht ſchencket; Einmahl findt Er wohl wenig deren, wel-
che die Seelen mit Aengſten gebaͤhren, und mit Flehen vor GOtt da-
hin arbeiten, daß JEſus eine Geſtalt in ihnen gewinne; ja JEſus
ſiehet, daß ſie nicht einmahl dem Trieb ihres Gewiſſens folgen, wel-
ches ihnen bißweilen zuſpricht: dieſer oder jener trittet nicht in Chri-
ſti Fußſtapffen, und du biſt ſein Hirt, und ſieheſt es, du muſt ihms
anzeigen, ſonſt wurde das Blut ſeiner Seelen von deiner Hand ge-
forderet; aber da geſchweiget man das Gewiſſen mit allerhand Aus-

fluͤchten,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0540" n="444"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Die unter der Kelter des Zorns GOttes</hi></fw><lb/><note place="left">Da &#x017F;chlaf-<lb/>
fen fort<lb/>
die Regen-<lb/>
ten.</note>fu&#x0364;r &#x017F;einer Maje&#x017F;ta&#x0364;t handlend; &#x017F;eine wei&#x017F;e Regierung und Leitung fu&#x0364;r<lb/>
unnu&#x0364;tz und unno&#x0364;thig achtende; auf ihr Macht, Gewalt und Reich-<lb/>
thum trotzende; den geringen neben &#x017F;ich verachtende und unterdru-<lb/>
ckende; die Zucht des H. Gei&#x017F;tes von &#x017F;ich werffende, und die von<lb/>
un&#x017F;erem getreuen Seligmacher &#x017F;o &#x017F;ehr anbefohlene Niedrigkeit und<lb/>
Demuth ver&#x017F;chma&#x0364;hende; ja theils Orten durch Meineyd, das theu-<lb/>
re und unvergleichliche Pfand, ich meine ihre Seele, hinweg &#x017F;chleu-<lb/>
derende.</p><lb/>
          <note place="left">Da &#x017F;chlaf-<lb/>
fen fort<lb/>
die Lehrer.</note>
          <p>§. 12. Kommt JE&#x017F;us zu den Lehreren, o wie findt er &#x017F;ie nicht<lb/>
&#x017F;chlaffend! wie wenige findet Er, die da gern fu&#x0364;r die Stadt hinaus<lb/>
gehen, und &#x017F;eine Schmach tragen! Ach wehe! hier &#x017F;iehet man nicht<lb/>
einen einigen Schrifft-Gelehrten oder Phari&#x017F;a&#x0364;er, &#x017F;o wenig als zu<lb/>
Bethlehem, &#x017F;ie blieben lieber zu Jeru&#x017F;alem bey ihren Pfru&#x0364;nden und<lb/>
Einku&#x0364;nfften, und behalten lieber die Gun&#x017F;t der Gro&#x017F;&#x017F;en, als daß &#x017F;ie<lb/>
die Freund&#x017F;chafft JE&#x017F;u genau &#x017F;uchen &#x017F;ollten, daß &#x017F;ie mit ihme der<lb/>
Welt gecreutziget wurden; vielmehr &#x017F;potten &#x017F;ie heimlich der Einfallt<lb/>
und Armuth JE&#x017F;u, und des erba&#x0364;rmlichen Bilds, welches Er in der<lb/>
Welt vor&#x017F;tellete; inde&#x017F;&#x017F;en bla&#x0364;tteren &#x017F;ie in den Schrifften Mo&#x017F;is und<lb/>
der Propheten, aber die wahre Krafft des Glaubens in ewigem Le-<lb/>
ben haben &#x017F;ie nicht, weil &#x017F;ie nicht zu JE&#x017F;u &#x017F;elb&#x017F;t kommen. JE&#x017F;us<lb/>
kommt und trifft &#x017F;ie an nicht auf den Knien um &#x017F;eine himmli&#x017F;che Er-<lb/>
leuchtung ringend, nicht um ta&#x0364;glichen Gehor&#x017F;am ihres Gei&#x017F;tes gegen<lb/>
dem H. Gei&#x017F;t anhaltend, nicht um Gefangennehmung ihrer Gedan-<lb/>
cken unter Chri&#x017F;tum flehend, &#x017F;onderen nur etwelche wenige Begriffe<lb/>
aus ihrem eigenen Gei&#x017F;t oder anderen Schrifften zu&#x017F;ammen le&#x017F;end,<lb/>
und &#x017F;ich dann ku&#x0364;tzlend in Eigen-Liebe und Selb&#x017F;t-Gefa&#x0364;lligkeit mit der<lb/>
Ehr und Re&#x017F;pect &#x017F;o man ihnen allenthalben erwei&#x017F;et; Ja findet &#x017F;ie<lb/>
JE&#x017F;us nicht offtmahl brennend von bitterem Neid und Mißgun&#x017F;t<lb/>
gegen denen, welchen &#x017F;eine gu&#x0364;tige Hand etwann mehrere Gaben und<lb/>
reichere Frucht &#x017F;chencket; Einmahl findt Er wohl wenig deren, wel-<lb/>
che die Seelen mit Aeng&#x017F;ten geba&#x0364;hren, und mit Flehen vor GOtt da-<lb/>
hin arbeiten, daß JE&#x017F;us eine Ge&#x017F;talt in ihnen gewinne; ja JE&#x017F;us<lb/>
&#x017F;iehet, daß &#x017F;ie nicht einmahl dem Trieb ihres Gewi&#x017F;&#x017F;ens folgen, wel-<lb/>
ches ihnen bißweilen zu&#x017F;pricht: die&#x017F;er oder jener trittet nicht in Chri-<lb/>
&#x017F;ti Fuß&#x017F;tapffen, und du bi&#x017F;t &#x017F;ein Hirt, und &#x017F;iehe&#x017F;t es, du mu&#x017F;t ihms<lb/>
anzeigen, &#x017F;on&#x017F;t wurde das Blut &#x017F;einer Seelen von deiner Hand ge-<lb/>
forderet; aber da ge&#x017F;chweiget man das Gewi&#x017F;&#x017F;en mit allerhand Aus-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">flu&#x0364;chten,</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[444/0540] Die unter der Kelter des Zorns GOttes fuͤr ſeiner Majeſtaͤt handlend; ſeine weiſe Regierung und Leitung fuͤr unnuͤtz und unnoͤthig achtende; auf ihr Macht, Gewalt und Reich- thum trotzende; den geringen neben ſich verachtende und unterdru- ckende; die Zucht des H. Geiſtes von ſich werffende, und die von unſerem getreuen Seligmacher ſo ſehr anbefohlene Niedrigkeit und Demuth verſchmaͤhende; ja theils Orten durch Meineyd, das theu- re und unvergleichliche Pfand, ich meine ihre Seele, hinweg ſchleu- derende. Da ſchlaf- fen fort die Regen- ten. §. 12. Kommt JEſus zu den Lehreren, o wie findt er ſie nicht ſchlaffend! wie wenige findet Er, die da gern fuͤr die Stadt hinaus gehen, und ſeine Schmach tragen! Ach wehe! hier ſiehet man nicht einen einigen Schrifft-Gelehrten oder Phariſaͤer, ſo wenig als zu Bethlehem, ſie blieben lieber zu Jeruſalem bey ihren Pfruͤnden und Einkuͤnfften, und behalten lieber die Gunſt der Groſſen, als daß ſie die Freundſchafft JEſu genau ſuchen ſollten, daß ſie mit ihme der Welt gecreutziget wurden; vielmehr ſpotten ſie heimlich der Einfallt und Armuth JEſu, und des erbaͤrmlichen Bilds, welches Er in der Welt vorſtellete; indeſſen blaͤtteren ſie in den Schrifften Moſis und der Propheten, aber die wahre Krafft des Glaubens in ewigem Le- ben haben ſie nicht, weil ſie nicht zu JEſu ſelbſt kommen. JEſus kommt und trifft ſie an nicht auf den Knien um ſeine himmliſche Er- leuchtung ringend, nicht um taͤglichen Gehorſam ihres Geiſtes gegen dem H. Geiſt anhaltend, nicht um Gefangennehmung ihrer Gedan- cken unter Chriſtum flehend, ſonderen nur etwelche wenige Begriffe aus ihrem eigenen Geiſt oder anderen Schrifften zuſammen leſend, und ſich dann kuͤtzlend in Eigen-Liebe und Selbſt-Gefaͤlligkeit mit der Ehr und Reſpect ſo man ihnen allenthalben erweiſet; Ja findet ſie JEſus nicht offtmahl brennend von bitterem Neid und Mißgunſt gegen denen, welchen ſeine guͤtige Hand etwann mehrere Gaben und reichere Frucht ſchencket; Einmahl findt Er wohl wenig deren, wel- che die Seelen mit Aengſten gebaͤhren, und mit Flehen vor GOtt da- hin arbeiten, daß JEſus eine Geſtalt in ihnen gewinne; ja JEſus ſiehet, daß ſie nicht einmahl dem Trieb ihres Gewiſſens folgen, wel- ches ihnen bißweilen zuſpricht: dieſer oder jener trittet nicht in Chri- ſti Fußſtapffen, und du biſt ſein Hirt, und ſieheſt es, du muſt ihms anzeigen, ſonſt wurde das Blut ſeiner Seelen von deiner Hand ge- forderet; aber da geſchweiget man das Gewiſſen mit allerhand Aus- fluͤchten,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/540
Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 444. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/540>, abgerufen am 20.05.2024.