allgegenwärtigen Richter und Zeugen gedencken, in den Tag hinein leben, und die Seeligkeit seiner Seelen an ein dünnen Faden am Rand der Höllen aufhencken, und auf dem Dummel-Platz des Got- tes dieser Welt wie die Trunckene herum daumlen, und sich im Ker- cker der Sünden-Sclaverey von lauter Wohl, Ehr und Ruhm trau- men lassen; Dieses alles, sag ich, ist eine so gewohnte Sach, daß der Teufel sich nicht lang bemühen darf, die Menschen darmit zu fan- gen, und ihnen nachzulauffen, sie lauffen ihme nach, und belieben sich auf seinem Grund und Boden, und jagen nach dem Verderben, das in der Welt ist, durch die Lust.
§. 9. JEsus traff hier seine Jünger schlaffend an, aber Er konnteJEsus kan diesen Schlaff so wenig an uns als seinen Jüngern vertra- gen. es an ihnen dennoch, ob sie schon seine liebsten Jünger waren, nicht wohl vertragen, sonderen ermahnete sie zum dritten mahl zum wachen und betten. O! wie meynet ihr, daß es der liebe JEsus an uns, die wir noch lang nicht in dem Stand seynd in dem damahls die Jün- ger waren, werde vertragen können! dann bedencket doch! ob nicht alles im tieffsten Schlaff liege, so daß man nichts siehet noch vernimmt, weder die Schlang, die um uns her schleicht, noch den König JE- sum, der uns die Cron des Lebens anbietet, noch das gezuckte und blinckende Schwerdt der Göttlichen Straff, so ob uns hanget; noch die Pfeile des Tods, so auf uns gerichtet; noch die Stricke des Sa- tans, damit er uns je länger je mehr an Händen und Füssen verwicklet.
§. 10. JEsus ruffte seinen Jüngern ein mahl, und siehe! sie er-Sein öff- terer Zu- ruff hat uns noch nicht er- wecken können. wachten! aber o wie viel tausend mahl hat JEsus uns schon zugeruf- fen durchs Evangelium, durch Wohlthaten und Züchtigungen, durch so viel helle Trompeten um uns her? ja wie offt stoßt und rüttelt Er uns inwendig in unserem Gewissen! daß wir erwachen, die Augen aufthun, und um uns sehen sollten, wo wir seyen, und wo wir in kurtzem könnten hinkommen; daß wir doch einmahl dem vor uns ste- henden JEsu recht in die Augen sehen; Aber vergebens. Dann so offt JEsus kommt, so findet Er uns schlaffend; ja was sag ich, schlaf- fend! spielend und schertzend, liegend und betriegend; in einem Ge- bett- und Gnadenlosen Wandel, nach unsers Feindes Willen hin- fahrend. JEsus kommt und findet uns dienende den Begierden und mancherley Wollüsten, würckende die Werck der Finsternuß, und wandlend in Boßheit, Neid und Rachgier.
§. 11. JEsus kommt zu den Regenten, und findet sie ohne Forcht
für
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liegende Wein-Trauben.
allgegenwaͤrtigen Richter und Zeugen gedencken, in den Tag hinein leben, und die Seeligkeit ſeiner Seelen an ein duͤnnen Faden am Rand der Hoͤllen aufhencken, und auf dem Dummel-Platz des Got- tes dieſer Welt wie die Trunckene herum daumlen, und ſich im Ker- cker der Suͤnden-Sclaverey von lauter Wohl, Ehr und Ruhm trau- men laſſen; Dieſes alles, ſag ich, iſt eine ſo gewohnte Sach, daß der Teufel ſich nicht lang bemuͤhen darf, die Menſchen darmit zu fan- gen, und ihnen nachzulauffen, ſie lauffen ihme nach, und belieben ſich auf ſeinem Grund und Boden, und jagen nach dem Verderben, das in der Welt iſt, durch die Luſt.
§. 9. JEſus traff hier ſeine Juͤnger ſchlaffend an, aber Er konnteJEſus kan dieſen Schlaff ſo wenig an uns als ſeinen Juͤngern vertra- gen. es an ihnen dennoch, ob ſie ſchon ſeine liebſten Juͤnger waren, nicht wohl vertragen, ſonderen ermahnete ſie zum dritten mahl zum wachen und betten. O! wie meynet ihr, daß es der liebe JEſus an uns, die wir noch lang nicht in dem Stand ſeynd in dem damahls die Juͤn- ger waren, werde vertragen koͤnnen! dann bedencket doch! ob nicht alles im tieffſten Schlaff liege, ſo daß man nichts ſiehet noch vernimmt, weder die Schlang, die um uns her ſchleicht, noch den Koͤnig JE- ſum, der uns die Cron des Lebens anbietet, noch das gezuckte und blinckende Schwerdt der Goͤttlichen Straff, ſo ob uns hanget; noch die Pfeile des Tods, ſo auf uns gerichtet; noch die Stricke des Sa- tans, damit er uns je laͤnger je mehr an Haͤnden und Fuͤſſen verwicklet.
§. 10. JEſus ruffte ſeinen Juͤngern ein mahl, und ſiehe! ſie er-Sein oͤff- terer Zu- ruff hat uns noch nicht er- wecken koͤnnen. wachten! aber o wie viel tauſend mahl hat JEſus uns ſchon zugeruf- fen durchs Evangelium, durch Wohlthaten und Zuͤchtigungen, durch ſo viel helle Trompeten um uns her? ja wie offt ſtoßt und ruͤttelt Er uns inwendig in unſerem Gewiſſen! daß wir erwachen, die Augen aufthun, und um uns ſehen ſollten, wo wir ſeyen, und wo wir in kurtzem koͤnnten hinkommen; daß wir doch einmahl dem vor uns ſte- henden JEſu recht in die Augen ſehen; Aber vergebens. Dann ſo offt JEſus kommt, ſo findet Er uns ſchlaffend; ja was ſag ich, ſchlaf- fend! ſpielend und ſchertzend, liegend und betriegend; in einem Ge- bett- und Gnadenloſen Wandel, nach unſers Feindes Willen hin- fahrend. JEſus kommt und findet uns dienende den Begierden und mancherley Wolluͤſten, wuͤrckende die Werck der Finſternuß, und wandlend in Boßheit, Neid und Rachgier.
§. 11. JEſus kommt zu den Regenten, und findet ſie ohne Forcht
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liegende Wein-Trauben.
allgegenwaͤrtigen Richter und Zeugen gedencken, in den Tag hinein
leben, und die Seeligkeit ſeiner Seelen an ein duͤnnen Faden am
Rand der Hoͤllen aufhencken, und auf dem Dummel-Platz des Got-
tes dieſer Welt wie die Trunckene herum daumlen, und ſich im Ker-
cker der Suͤnden-Sclaverey von lauter Wohl, Ehr und Ruhm trau-
men laſſen; Dieſes alles, ſag ich, iſt eine ſo gewohnte Sach, daß
der Teufel ſich nicht lang bemuͤhen darf, die Menſchen darmit zu fan-
gen, und ihnen nachzulauffen, ſie lauffen ihme nach, und belieben
ſich auf ſeinem Grund und Boden, und jagen nach dem Verderben,
das in der Welt iſt, durch die Luſt.
§. 9. JEſus traff hier ſeine Juͤnger ſchlaffend an, aber Er konnte
es an ihnen dennoch, ob ſie ſchon ſeine liebſten Juͤnger waren, nicht
wohl vertragen, ſonderen ermahnete ſie zum dritten mahl zum wachen
und betten. O! wie meynet ihr, daß es der liebe JEſus an uns,
die wir noch lang nicht in dem Stand ſeynd in dem damahls die Juͤn-
ger waren, werde vertragen koͤnnen! dann bedencket doch! ob nicht
alles im tieffſten Schlaff liege, ſo daß man nichts ſiehet noch vernimmt,
weder die Schlang, die um uns her ſchleicht, noch den Koͤnig JE-
ſum, der uns die Cron des Lebens anbietet, noch das gezuckte und
blinckende Schwerdt der Goͤttlichen Straff, ſo ob uns hanget; noch
die Pfeile des Tods, ſo auf uns gerichtet; noch die Stricke des Sa-
tans, damit er uns je laͤnger je mehr an Haͤnden und Fuͤſſen verwicklet.
JEſus
kan dieſen
Schlaff ſo
wenig an
uns als
ſeinen
Juͤngern
vertra-
gen.
§. 10. JEſus ruffte ſeinen Juͤngern ein mahl, und ſiehe! ſie er-
wachten! aber o wie viel tauſend mahl hat JEſus uns ſchon zugeruf-
fen durchs Evangelium, durch Wohlthaten und Zuͤchtigungen, durch
ſo viel helle Trompeten um uns her? ja wie offt ſtoßt und ruͤttelt Er
uns inwendig in unſerem Gewiſſen! daß wir erwachen, die Augen
aufthun, und um uns ſehen ſollten, wo wir ſeyen, und wo wir in
kurtzem koͤnnten hinkommen; daß wir doch einmahl dem vor uns ſte-
henden JEſu recht in die Augen ſehen; Aber vergebens. Dann ſo
offt JEſus kommt, ſo findet Er uns ſchlaffend; ja was ſag ich, ſchlaf-
fend! ſpielend und ſchertzend, liegend und betriegend; in einem Ge-
bett- und Gnadenloſen Wandel, nach unſers Feindes Willen hin-
fahrend. JEſus kommt und findet uns dienende den Begierden und
mancherley Wolluͤſten, wuͤrckende die Werck der Finſternuß, und
wandlend in Boßheit, Neid und Rachgier.
Sein oͤff-
terer Zu-
ruff hat
uns noch
nicht er-
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koͤnnen.
§. 11. JEſus kommt zu den Regenten, und findet ſie ohne Forcht
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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 443. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/539>, abgerufen am 22.11.2024.
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