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Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

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Der geistliche Frühling.
gar mißfalle: Vielmehr muß das Leben JEsu aus dem Hertzen allen
um uns stehenden Distlen aufs reineste vorleuchten, aus brünstiger
Begierd, daß keine Distel-Blum in Christi Garten überbleiben, son-
dern alles voller Lilien werde, durch den Wunder-Safft der Wur-
tzel David: der sie eben so wohl als dich zu verwandlen vermag: Ach
wo wir uns nur fleißiger hielten zu dem, der die sieben Geister GOt-
tes hat, so würden sich dieselben als ein siebenfache Quell lebendigen
Wassers in unser Willen ergiessen, und in uns, hernach auch durch
uns in anderen seelige Aenderung bringen. O wie so überaus nöthig
wäre dieses in unseren Zeiten, da sich die Distlen die Unterhanen des
Reichs der Finsternuß häuffig erzeigen, fast in allen Gesellschafften
und Zusammenkünfften in unserem leblosen Christenthum, da das
stinckende unreine Wesen des Fleisches ein allgemeine Sache gewor-
den: Oder wer bereitet sich mit weissen Kleideren zur Hochzeit des
Lamms? Wo ist der Lilien Geruch in Libanon? Wer kämpffet um
den Geist Zions, wer gedenckt an JEsu Zukunfft, zu sammlen seine
Lilien, wer bekennet GOttes Namen vor der Welt?

§. 15. Fr. Wie mag ich dann eine Lilien werden?

Antw. 1. Erkenne daß du ein Dorn, der GOtt und MenschenMittel ei-
ne Lilien
in dem
Garten
JEsu zu
werden.

quält und sticht, einmahl könne JEsus nicht seine Lust an dir haben,
bedencke also dein Elend und Gefahr offt, wie du das Haupt JEsu
zerstochen, sinne ihme nach, bitte GOTT, daß er alle Dörn und
Gelüst in dir ausreuten wolle, mit dem Feuer seines Geistes, bitte
immer daß GOtt der Vatter dich so flarck ziehe, und folge dem Zug
dieses ernsthafften GOttes so genau, biß das Leben der Welt gar in
dir untergehet; Kämpffe immer fort nach der Gnad mit Ernst und
Wachsamkeit, ohngeacht der Trägheit, Eigenheit und selbst-Gefäl-
ligkeit, die du in der Natur empfinden must. 2. Armuth des Gei-
stes ist das Thal, darinn die schönen Lilien wachsen. 3. Jmmer inn-
wendig bey JEsu bleiben, und sein Blut und Geist in dir lassen wür-
cken, in Gedult und Anhalten, so wirst endlichen die vollkommene
weisse Blumen sehen, obschon der Lilien-Baum einen langen Sten-
gel hat: Ach daß doch hin und wieder sich solche Lilien-Zweige hervor
thäten, da aus einem Stengel in JEsu Liebe gewurtzleten Menschen
viele Lilien wahre Glaubige und reine Seelen hervor wachsen zu JE-
SU Ehre.

§. 16. O ja! sollte die Sonn zu holder Frühlings-Zeit alle Ele-

ment

Der geiſtliche Fruͤhling.
gar mißfalle: Vielmehr muß das Leben JEſu aus dem Hertzen allen
um uns ſtehenden Diſtlen aufs reineſte vorleuchten, aus bruͤnſtiger
Begierd, daß keine Diſtel-Blum in Chriſti Garten uͤberbleiben, ſon-
dern alles voller Lilien werde, durch den Wunder-Safft der Wur-
tzel David: der ſie eben ſo wohl als dich zu verwandlen vermag: Ach
wo wir uns nur fleißiger hielten zu dem, der die ſieben Geiſter GOt-
tes hat, ſo wuͤrden ſich dieſelben als ein ſiebenfache Quell lebendigen
Waſſers in unſer Willen ergieſſen, und in uns, hernach auch durch
uns in anderen ſeelige Aenderung bringen. O wie ſo uͤberaus noͤthig
waͤre dieſes in unſeren Zeiten, da ſich die Diſtlen die Unterhanen des
Reichs der Finſternuß haͤuffig erzeigen, faſt in allen Geſellſchafften
und Zuſammenkuͤnfften in unſerem lebloſen Chriſtenthum, da das
ſtinckende unreine Weſen des Fleiſches ein allgemeine Sache gewor-
den: Oder wer bereitet ſich mit weiſſen Kleideren zur Hochzeit des
Lamms? Wo iſt der Lilien Geruch in Libanon? Wer kaͤmpffet um
den Geiſt Zions, wer gedenckt an JEſu Zukunfft, zu ſammlen ſeine
Lilien, wer bekennet GOttes Namen vor der Welt?

§. 15. Fr. Wie mag ich dann eine Lilien werden?

Antw. 1. Erkenne daß du ein Dorn, der GOtt und MenſchenMittel ei-
ne Lilien
in dem
Garten
JEſu zu
werden.

quaͤlt und ſticht, einmahl koͤnne JEſus nicht ſeine Luſt an dir haben,
bedencke alſo dein Elend und Gefahr offt, wie du das Haupt JEſu
zerſtochen, ſinne ihme nach, bitte GOTT, daß er alle Doͤrn und
Geluͤſt in dir ausreuten wolle, mit dem Feuer ſeines Geiſtes, bitte
immer daß GOtt der Vatter dich ſo flarck ziehe, und folge dem Zug
dieſes ernſthafften GOttes ſo genau, biß das Leben der Welt gar in
dir untergehet; Kaͤmpffe immer fort nach der Gnad mit Ernſt und
Wachſamkeit, ohngeacht der Traͤgheit, Eigenheit und ſelbſt-Gefaͤl-
ligkeit, die du in der Natur empfinden muſt. 2. Armuth des Gei-
ſtes iſt das Thal, darinn die ſchoͤnen Lilien wachſen. 3. Jmmer inn-
wendig bey JEſu bleiben, und ſein Blut und Geiſt in dir laſſen wuͤr-
cken, in Gedult und Anhalten, ſo wirſt endlichen die vollkommene
weiſſe Blumen ſehen, obſchon der Lilien-Baum einen langen Sten-
gel hat: Ach daß doch hin und wieder ſich ſolche Lilien-Zweige hervor
thaͤten, da aus einem Stengel in JEſu Liebe gewurtzleten Menſchen
viele Lilien wahre Glaubige und reine Seelen hervor wachſen zu JE-
SU Ehre.

§. 16. O ja! ſollte die Sonn zu holder Fruͤhlings-Zeit alle Ele-

ment
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[359/0455] Der geiſtliche Fruͤhling. gar mißfalle: Vielmehr muß das Leben JEſu aus dem Hertzen allen um uns ſtehenden Diſtlen aufs reineſte vorleuchten, aus bruͤnſtiger Begierd, daß keine Diſtel-Blum in Chriſti Garten uͤberbleiben, ſon- dern alles voller Lilien werde, durch den Wunder-Safft der Wur- tzel David: der ſie eben ſo wohl als dich zu verwandlen vermag: Ach wo wir uns nur fleißiger hielten zu dem, der die ſieben Geiſter GOt- tes hat, ſo wuͤrden ſich dieſelben als ein ſiebenfache Quell lebendigen Waſſers in unſer Willen ergieſſen, und in uns, hernach auch durch uns in anderen ſeelige Aenderung bringen. O wie ſo uͤberaus noͤthig waͤre dieſes in unſeren Zeiten, da ſich die Diſtlen die Unterhanen des Reichs der Finſternuß haͤuffig erzeigen, faſt in allen Geſellſchafften und Zuſammenkuͤnfften in unſerem lebloſen Chriſtenthum, da das ſtinckende unreine Weſen des Fleiſches ein allgemeine Sache gewor- den: Oder wer bereitet ſich mit weiſſen Kleideren zur Hochzeit des Lamms? Wo iſt der Lilien Geruch in Libanon? Wer kaͤmpffet um den Geiſt Zions, wer gedenckt an JEſu Zukunfft, zu ſammlen ſeine Lilien, wer bekennet GOttes Namen vor der Welt? §. 15. Fr. Wie mag ich dann eine Lilien werden? Antw. 1. Erkenne daß du ein Dorn, der GOtt und Menſchen quaͤlt und ſticht, einmahl koͤnne JEſus nicht ſeine Luſt an dir haben, bedencke alſo dein Elend und Gefahr offt, wie du das Haupt JEſu zerſtochen, ſinne ihme nach, bitte GOTT, daß er alle Doͤrn und Geluͤſt in dir ausreuten wolle, mit dem Feuer ſeines Geiſtes, bitte immer daß GOtt der Vatter dich ſo flarck ziehe, und folge dem Zug dieſes ernſthafften GOttes ſo genau, biß das Leben der Welt gar in dir untergehet; Kaͤmpffe immer fort nach der Gnad mit Ernſt und Wachſamkeit, ohngeacht der Traͤgheit, Eigenheit und ſelbſt-Gefaͤl- ligkeit, die du in der Natur empfinden muſt. 2. Armuth des Gei- ſtes iſt das Thal, darinn die ſchoͤnen Lilien wachſen. 3. Jmmer inn- wendig bey JEſu bleiben, und ſein Blut und Geiſt in dir laſſen wuͤr- cken, in Gedult und Anhalten, ſo wirſt endlichen die vollkommene weiſſe Blumen ſehen, obſchon der Lilien-Baum einen langen Sten- gel hat: Ach daß doch hin und wieder ſich ſolche Lilien-Zweige hervor thaͤten, da aus einem Stengel in JEſu Liebe gewurtzleten Menſchen viele Lilien wahre Glaubige und reine Seelen hervor wachſen zu JE- SU Ehre. Mittel ei- ne Lilien in dem Garten JEſu zu werden. §. 16. O ja! ſollte die Sonn zu holder Fruͤhlings-Zeit alle Ele- ment

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Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 359. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/455>, abgerufen am 06.07.2024.