Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736.

Bild:
<< vorherige Seite

Der geistliche Frühling.
zu keinem Frühling anlassen; manchen erinnert schon der weisse Schnee
auf seinem Haupt des herannahenden ewigen Winters a, und den-
noch merckt mans nicht daß man sich mit ausharrenden Gebetteren
und Thränen zu JEsu wendete, um wenigst noch einige Anfäng des
Gnaden-Lebens vor dem Abdrucken zu empfahen. Wann die Son-
ne nur ein einzele Tag nicht aufgienge, wie wurds den Leuten so
angst und bang, und du lebst schon viel 1000. Tag aussert der Ge-
meinschafft JESU, ohne daß er dich anscheine und belebe, und
hast deßhalben weder Sorg noch Kummer: Ach wie lang soll noch
dieser Winter währen, wirds nicht einmahl eine Enderung ge-
ben?

§. 9. Ein geistreicher Mann, als er die wunderbare Gestalt vonEisland
eine Ab-
bildung
des kalten
Christen-
thums.

Europa auf der Land-Carten mit tieffsinnigen Betrachtungen durch-
gangen und nicht wußte, was Eißland die grosse Jnsul im Nordi-
schen Welt-Meer zu sagen hätte, befand er, daß es die Sonne über
Europa vorstellete; Jn der That nichts zu sagen von dem jetzo bey
nahe gantz erfrornen Christenthum unter uns, so muß man gestehen,
daß niemahls solche eifrige Brunst und Hitz der Liebe Christi unter
denen Europäischen Christen (die Gräntz-Oerter als Griechenland
und einige andere ausgenommen) als wie zu denen ersten Zeiten in
Asien und Africa. Ja wo mans sagen darf, so bildet Eißland das
an manchen Orten der Christenheit in himmlischer, Göttlicher Lie-
be zwar eißkalte, unfruchtbare; bey vielen aber in Ruhm-Lust- und
Geld-Sucht, auch falschem, selbst angenommenem Eifer wie der
Berg Hecla brennende Predig-Amt wohl vor. Ach gäben wir nur
nur GOtt die Ehre und gestehen die nur zubekannte Wahrheit un-
sers Elends vor aller Welt, so mag uns noch Gnade wiederfahren.
Wie hat das Heidnische, Römische Reich die Einflüsse der ersten Apo-
stolischen Lehrern als so vieler warmen Sonnen so kräfftig empfunden!
und jetz wills nirgends hin. Ach GOtt erbarm sich um seines Soh-
nes willen über uns! Komm HErr JEsu unsere Gnaden-Sonne
fein bald!

§. 10. O wie betrübt siehets noch auf Erden aus, und unter unsAlles ruf-
fet uns zur
Hertzens-
Enderung.

Nam-Christen am aller betrübtesten! wir warten auf den anmuthi-
gen Lentzen, und GOttes Langmuth, Liebe und Güte lasset ihn kom-

men
a Hos. VII. 9.
U u

Der geiſtliche Fruͤhling.
zu keinem Fruͤhling anlaſſen; manchen erinnert ſchon der weiſſe Schnee
auf ſeinem Haupt des herannahenden ewigen Winters a, und den-
noch merckt mans nicht daß man ſich mit ausharrenden Gebetteren
und Thraͤnen zu JEſu wendete, um wenigſt noch einige Anfaͤng des
Gnaden-Lebens vor dem Abdrucken zu empfahen. Wann die Son-
ne nur ein einzele Tag nicht aufgienge, wie wurds den Leuten ſo
angſt und bang, und du lebſt ſchon viel 1000. Tag auſſert der Ge-
meinſchafft JESU, ohne daß er dich anſcheine und belebe, und
haſt deßhalben weder Sorg noch Kummer: Ach wie lang ſoll noch
dieſer Winter waͤhren, wirds nicht einmahl eine Enderung ge-
ben?

§. 9. Ein geiſtreicher Mann, als er die wunderbare Geſtalt vonEisland
eine Ab-
bildung
des kalten
Chriſten-
thums.

Europa auf der Land-Carten mit tieffſinnigen Betrachtungen durch-
gangen und nicht wußte, was Eißland die groſſe Jnſul im Nordi-
ſchen Welt-Meer zu ſagen haͤtte, befand er, daß es die Sonne uͤber
Europa vorſtellete; Jn der That nichts zu ſagen von dem jetzo bey
nahe gantz erfrornen Chriſtenthum unter uns, ſo muß man geſtehen,
daß niemahls ſolche eifrige Brunſt und Hitz der Liebe Chriſti unter
denen Europaͤiſchen Chriſten (die Graͤntz-Oerter als Griechenland
und einige andere ausgenommen) als wie zu denen erſten Zeiten in
Aſien und Africa. Ja wo mans ſagen darf, ſo bildet Eißland das
an manchen Orten der Chriſtenheit in himmliſcher, Goͤttlicher Lie-
be zwar eißkalte, unfruchtbare; bey vielen aber in Ruhm-Luſt- und
Geld-Sucht, auch falſchem, ſelbſt angenommenem Eifer wie der
Berg Hecla brennende Predig-Amt wohl vor. Ach gaͤben wir nur
nur GOtt die Ehre und geſtehen die nur zubekannte Wahrheit un-
ſers Elends vor aller Welt, ſo mag uns noch Gnade wiederfahren.
Wie hat das Heidniſche, Roͤmiſche Reich die Einfluͤſſe der erſten Apo-
ſtoliſchen Lehrern als ſo vieler warmen Sonnen ſo kraͤfftig empfunden!
und jetz wills nirgends hin. Ach GOtt erbarm ſich um ſeines Soh-
nes willen uͤber uns! Komm HErr JEſu unſere Gnaden-Sonne
fein bald!

§. 10. O wie betruͤbt ſiehets noch auf Erden aus, und unter unsAlles ruf-
fet uns zur
Hertzens-
Endeꝛung.

Nam-Chriſten am aller betruͤbteſten! wir warten auf den anmuthi-
gen Lentzen, und GOttes Langmuth, Liebe und Guͤte laſſet ihn kom-

men
a Hoſ. VII. 9.
U u
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0433" n="337"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Der gei&#x017F;tliche Fru&#x0364;hling.</hi></fw><lb/>
zu keinem Fru&#x0364;hling anla&#x017F;&#x017F;en; manchen erinnert &#x017F;chon der wei&#x017F;&#x017F;e Schnee<lb/>
auf &#x017F;einem Haupt des herannahenden ewigen Winters <note place="foot" n="a"><hi rendition="#aq">Ho&#x017F;. VII.</hi> 9.</note>, und den-<lb/>
noch merckt mans nicht daß man &#x017F;ich mit ausharrenden Gebetteren<lb/>
und Thra&#x0364;nen zu JE&#x017F;u wendete, um wenig&#x017F;t noch einige Anfa&#x0364;ng des<lb/>
Gnaden-Lebens vor dem Abdrucken zu empfahen. Wann die Son-<lb/>
ne nur ein einzele Tag nicht aufgienge, wie wurds den Leuten &#x017F;o<lb/>
ang&#x017F;t und bang, und du leb&#x017F;t &#x017F;chon viel 1000. Tag au&#x017F;&#x017F;ert der Ge-<lb/>
mein&#x017F;chafft JESU, ohne daß er dich an&#x017F;cheine und belebe, und<lb/>
ha&#x017F;t deßhalben weder Sorg noch Kummer: Ach wie lang &#x017F;oll noch<lb/>
die&#x017F;er Winter wa&#x0364;hren, wirds nicht einmahl eine Enderung ge-<lb/>
ben?</p><lb/>
          <p>§. 9. Ein gei&#x017F;treicher Mann, als er die wunderbare Ge&#x017F;talt von<note place="right">Eisland<lb/>
eine Ab-<lb/>
bildung<lb/>
des kalten<lb/>
Chri&#x017F;ten-<lb/>
thums.</note><lb/>
Europa auf der Land-Carten mit tieff&#x017F;innigen Betrachtungen durch-<lb/>
gangen und nicht wußte, was Eißland die gro&#x017F;&#x017F;e Jn&#x017F;ul im Nordi-<lb/>
&#x017F;chen Welt-Meer zu &#x017F;agen ha&#x0364;tte, befand er, daß es die Sonne u&#x0364;ber<lb/>
Europa vor&#x017F;tellete; Jn der That nichts zu &#x017F;agen von dem jetzo bey<lb/>
nahe gantz erfrornen Chri&#x017F;tenthum unter uns, &#x017F;o muß man ge&#x017F;tehen,<lb/>
daß niemahls &#x017F;olche eifrige Brun&#x017F;t und Hitz der Liebe Chri&#x017F;ti unter<lb/>
denen Europa&#x0364;i&#x017F;chen Chri&#x017F;ten (die Gra&#x0364;ntz-Oerter als Griechenland<lb/>
und einige andere ausgenommen) als wie zu denen er&#x017F;ten Zeiten in<lb/>
A&#x017F;ien und Africa. Ja wo mans &#x017F;agen darf, &#x017F;o bildet Eißland das<lb/>
an manchen Orten der Chri&#x017F;tenheit in himmli&#x017F;cher, Go&#x0364;ttlicher Lie-<lb/>
be zwar eißkalte, unfruchtbare; bey vielen aber in Ruhm-Lu&#x017F;t- und<lb/>
Geld-Sucht, auch fal&#x017F;chem, &#x017F;elb&#x017F;t angenommenem Eifer wie der<lb/>
Berg Hecla brennende Predig-Amt wohl vor. Ach ga&#x0364;ben wir nur<lb/>
nur GOtt die Ehre und ge&#x017F;tehen die nur zubekannte Wahrheit un-<lb/>
&#x017F;ers Elends vor aller Welt, &#x017F;o mag uns noch Gnade wiederfahren.<lb/>
Wie hat das Heidni&#x017F;che, Ro&#x0364;mi&#x017F;che Reich die Einflu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e der er&#x017F;ten Apo-<lb/>
&#x017F;toli&#x017F;chen Lehrern als &#x017F;o vieler warmen Sonnen &#x017F;o kra&#x0364;fftig empfunden!<lb/>
und jetz wills nirgends hin. Ach GOtt erbarm &#x017F;ich um &#x017F;eines Soh-<lb/>
nes willen u&#x0364;ber uns! Komm HErr JE&#x017F;u un&#x017F;ere Gnaden-Sonne<lb/>
fein bald!</p><lb/>
          <p>§. 10. O wie betru&#x0364;bt &#x017F;iehets noch auf Erden aus, und unter uns<note place="right">Alles ruf-<lb/>
fet uns zur<lb/>
Hertzens-<lb/>
Ende&#xA75B;ung.</note><lb/>
Nam-Chri&#x017F;ten am aller betru&#x0364;bte&#x017F;ten! wir warten auf den anmuthi-<lb/>
gen Lentzen, und GOttes Langmuth, Liebe und Gu&#x0364;te la&#x017F;&#x017F;et ihn kom-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">U u</fw><fw place="bottom" type="catch">men</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[337/0433] Der geiſtliche Fruͤhling. zu keinem Fruͤhling anlaſſen; manchen erinnert ſchon der weiſſe Schnee auf ſeinem Haupt des herannahenden ewigen Winters a, und den- noch merckt mans nicht daß man ſich mit ausharrenden Gebetteren und Thraͤnen zu JEſu wendete, um wenigſt noch einige Anfaͤng des Gnaden-Lebens vor dem Abdrucken zu empfahen. Wann die Son- ne nur ein einzele Tag nicht aufgienge, wie wurds den Leuten ſo angſt und bang, und du lebſt ſchon viel 1000. Tag auſſert der Ge- meinſchafft JESU, ohne daß er dich anſcheine und belebe, und haſt deßhalben weder Sorg noch Kummer: Ach wie lang ſoll noch dieſer Winter waͤhren, wirds nicht einmahl eine Enderung ge- ben? §. 9. Ein geiſtreicher Mann, als er die wunderbare Geſtalt von Europa auf der Land-Carten mit tieffſinnigen Betrachtungen durch- gangen und nicht wußte, was Eißland die groſſe Jnſul im Nordi- ſchen Welt-Meer zu ſagen haͤtte, befand er, daß es die Sonne uͤber Europa vorſtellete; Jn der That nichts zu ſagen von dem jetzo bey nahe gantz erfrornen Chriſtenthum unter uns, ſo muß man geſtehen, daß niemahls ſolche eifrige Brunſt und Hitz der Liebe Chriſti unter denen Europaͤiſchen Chriſten (die Graͤntz-Oerter als Griechenland und einige andere ausgenommen) als wie zu denen erſten Zeiten in Aſien und Africa. Ja wo mans ſagen darf, ſo bildet Eißland das an manchen Orten der Chriſtenheit in himmliſcher, Goͤttlicher Lie- be zwar eißkalte, unfruchtbare; bey vielen aber in Ruhm-Luſt- und Geld-Sucht, auch falſchem, ſelbſt angenommenem Eifer wie der Berg Hecla brennende Predig-Amt wohl vor. Ach gaͤben wir nur nur GOtt die Ehre und geſtehen die nur zubekannte Wahrheit un- ſers Elends vor aller Welt, ſo mag uns noch Gnade wiederfahren. Wie hat das Heidniſche, Roͤmiſche Reich die Einfluͤſſe der erſten Apo- ſtoliſchen Lehrern als ſo vieler warmen Sonnen ſo kraͤfftig empfunden! und jetz wills nirgends hin. Ach GOtt erbarm ſich um ſeines Soh- nes willen uͤber uns! Komm HErr JEſu unſere Gnaden-Sonne fein bald! Eisland eine Ab- bildung des kalten Chriſten- thums. §. 10. O wie betruͤbt ſiehets noch auf Erden aus, und unter uns Nam-Chriſten am aller betruͤbteſten! wir warten auf den anmuthi- gen Lentzen, und GOttes Langmuth, Liebe und Guͤte laſſet ihn kom- men Alles ruf- fet uns zur Hertzens- Endeꝛung. a Hoſ. VII. 9. U u

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/433
Zitationshilfe: Lutz, Samuel: Ein Wohlriechender Straus Von schönen und gesunden Himmels-Blumen. Basel, 1736, S. 337. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lucius_himmelsblumen_1736/433>, abgerufen am 10.05.2024.