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Leibniz, Gottfried Wilhelm: Unvorgreiffliche Gedancken, betreffend die Ausübung und Verbesserung der Teutschen Sprache. In: Pietsch, Paul (Hg.), Leibniz und die deutsche Sprache. Berlin, 1908 (= Wissenschaftliche Beihefte zur Zeitschrift des Allgemeinen Deutschen Sprachvereins, Vierte Reihe), S. 327-356.

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gute Patrioten geblieben, und zuletzt Teutschland vom Frantzösischen
Joch, wiewohl kümmerlich, annoch erretten helffen.

27. Ich will doch gleichwohl gern jedermann recht thun, und
also nicht in Abrede seyn, dass mit diesem Frantz- und Fremd-entzen
auch viel Gutes bey uns eingeführet worden; man hat gleichwie von
den Italiänern die gute Vorsorge gegen ansteckende Kranckheiten,
also von den Frantzosen eine bessere Kriegs-Anstalt erlernet, darin
ein freyherrschender grosser König andern am besten vorgehen können;
man hat mit einiger Munterkeit im Wesen die Teutsche Ernsthafftig-
keit gemässiget, und sonderlich ein und anders in der Lebens-Art
etwas besser zur Zierde und Wohlstand, auch wohl zur Beqvemlich-
keit eingerichtet, und so viel die Sprache selbst betrifft, einige gute
Redens-Arten als fremde Pflantzen in unsere Sprache selbst versetzet.

28. Derowegen wann wir nun etwas mehr als bissher Teutsch ge-
sinnet werden wolten, und den Ruhm unserer Nation und Sprache
etwas mehr behertzigen möchten, als einige dreyssig Jahr her in
diesem gleichsam Frantzösischen Zeit-Wechsel (periodo) geschehen, so
könten wir das Böse zum Guten kehren, und selbst aus unserm Un-
glück Nutzen schöpffen, und so wohl unsern innern Kern des alten
ehrlichen Teutschen wieder herfür suchen, als solchen mit dem neuen
äusserlichen, von den Frantzosen und andern gleichsam erbeuteten
schmuck ausstaffieren.

29. Es finden sich hin und wieder brave Leute, die sonderbahre
Lust und Liebe zeigen, zur Verbesserung und Untersuchung des Teut-
schen. So sind auch deren nicht wenig, die sehr gut Teutsch schreiben,
und so wohl rein als nachdrücklich zu geben wissen, was sonst schwer
und in unserer Sprach wenig getrieben. Neulich hat ein gelehrter
wohlmeinender Mann ein Register von Büchern gemacht, darin aller-
hand Wissenschafften gar wohl in Teutsch verhandelt worden, ich
finde auch, dass offt in Staats-Schrifften jetziger Teutschen zu Regens-
purg und anderswo etwas besonders und nachdenckliches herfür
blicket, welches da es vom Uberflüssigen Fremden, als von ange-
sprützeten Flecken, nach Nothdurfft und Thunlichkeit gesaubert würde,
unser Sprache einen herrlichen Glantz geben solte.

30. Weilen aber die Sach von einem grossen Begriff, so scheinet
selbige zu bestreiten etwas grössers als privat-Anstalt nöthig, und
würde demnach dem gantzen Werck nicht besser noch nachdrüklicher

gute Patrioten geblieben, und zuletzt Teutschland vom Frantzösischen
Joch, wiewohl kümmerlich, annoch erretten helffen.

27. Ich will doch gleichwohl gern jedermann recht thun, und
also nicht in Abrede seyn, dass mit diesem Frantz- und Fremd-entzen
auch viel Gutes bey uns eingeführet worden; man hat gleichwie von
den Italiänern die gute Vorsorge gegen ansteckende Kranckheiten,
also von den Frantzosen eine bessere Kriegs-Anstalt erlernet, darin
ein freyherrschender grosser König andern am besten vorgehen können;
man hat mit einiger Munterkeit im Wesen die Teutsche Ernsthafftig-
keit gemässiget, und sonderlich ein und anders in der Lebens-Art
etwas besser zur Zierde und Wohlstand, auch wohl zur Beqvemlich-
keit eingerichtet, und so viel die Sprache selbst betrifft, einige gute
Redens-Arten als fremde Pflantzen in unsere Sprache selbst versetzet.

28. Derowegen wann wir nun etwas mehr als bissher Teutsch ge-
sinnet werden wolten, und den Ruhm unserer Nation und Sprache
etwas mehr behertzigen möchten, als einige dreyssig Jahr her in
diesem gleichsam Frantzösischen Zeit-Wechsel (periodo) geschehen, so
könten wir das Böse zum Guten kehren, und selbst aus unserm Un-
glück Nutzen schöpffen, und so wohl unsern innern Kern des alten
ehrlichen Teutschen wieder herfür suchen, als solchen mit dem neuen
äusserlichen, von den Frantzosen und andern gleichsam erbeuteten
schmuck ausstaffieren.

29. Es finden sich hin und wieder brave Leute, die sonderbahre
Lust und Liebe zeigen, zur Verbesserung und Untersuchung des Teut-
schen. So sind auch deren nicht wenig, die sehr gut Teutsch schreiben,
und so wohl rein als nachdrücklich zu geben wissen, was sonst schwer
und in unserer Sprach wenig getrieben. Neulich hat ein gelehrter
wohlmeinender Mann ein Register von Büchern gemacht, darin aller-
hand Wissenschafften gar wohl in Teutsch verhandelt worden, ich
finde auch, dass offt in Staats-Schrifften jetziger Teutschen zu Regens-
purg und anderswo etwas besonders und nachdenckliches herfür
blicket, welches da es vom Uberflüssigen Fremden, als von ange-
sprützeten Flecken, nach Nothdurfft und Thunlichkeit gesaubert würde,
unser Sprache einen herrlichen Glantz geben solte.

30. Weilen aber die Sach von einem grossen Begriff, so scheinet
selbige zu bestreiten etwas grössers als privat-Anstalt nöthig, und
würde demnach dem gantzen Werck nicht besser noch nachdrüklicher

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[335/0009] gute Patrioten geblieben, und zuletzt Teutschland vom Frantzösischen Joch, wiewohl kümmerlich, annoch erretten helffen. 27. Ich will doch gleichwohl gern jedermann recht thun, und also nicht in Abrede seyn, dass mit diesem Frantz- und Fremd-entzen auch viel Gutes bey uns eingeführet worden; man hat gleichwie von den Italiänern die gute Vorsorge gegen ansteckende Kranckheiten, also von den Frantzosen eine bessere Kriegs-Anstalt erlernet, darin ein freyherrschender grosser König andern am besten vorgehen können; man hat mit einiger Munterkeit im Wesen die Teutsche Ernsthafftig- keit gemässiget, und sonderlich ein und anders in der Lebens-Art etwas besser zur Zierde und Wohlstand, auch wohl zur Beqvemlich- keit eingerichtet, und so viel die Sprache selbst betrifft, einige gute Redens-Arten als fremde Pflantzen in unsere Sprache selbst versetzet. 28. Derowegen wann wir nun etwas mehr als bissher Teutsch ge- sinnet werden wolten, und den Ruhm unserer Nation und Sprache etwas mehr behertzigen möchten, als einige dreyssig Jahr her in diesem gleichsam Frantzösischen Zeit-Wechsel (periodo) geschehen, so könten wir das Böse zum Guten kehren, und selbst aus unserm Un- glück Nutzen schöpffen, und so wohl unsern innern Kern des alten ehrlichen Teutschen wieder herfür suchen, als solchen mit dem neuen äusserlichen, von den Frantzosen und andern gleichsam erbeuteten schmuck ausstaffieren. 29. Es finden sich hin und wieder brave Leute, die sonderbahre Lust und Liebe zeigen, zur Verbesserung und Untersuchung des Teut- schen. So sind auch deren nicht wenig, die sehr gut Teutsch schreiben, und so wohl rein als nachdrücklich zu geben wissen, was sonst schwer und in unserer Sprach wenig getrieben. Neulich hat ein gelehrter wohlmeinender Mann ein Register von Büchern gemacht, darin aller- hand Wissenschafften gar wohl in Teutsch verhandelt worden, ich finde auch, dass offt in Staats-Schrifften jetziger Teutschen zu Regens- purg und anderswo etwas besonders und nachdenckliches herfür blicket, welches da es vom Uberflüssigen Fremden, als von ange- sprützeten Flecken, nach Nothdurfft und Thunlichkeit gesaubert würde, unser Sprache einen herrlichen Glantz geben solte. 30. Weilen aber die Sach von einem grossen Begriff, so scheinet selbige zu bestreiten etwas grössers als privat-Anstalt nöthig, und würde demnach dem gantzen Werck nicht besser noch nachdrüklicher

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Gloning: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-10-05T14:54:07Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-10-05T14:54:07Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • langes s (?): als s transkribiert
  • Vollständigkeit: teilweise erfasst

Die Transkription beruht auf dem Abdruck in Pietsch, Paul (Hg.): Leibniz und die deutsche Sprache. Berlin, 1908 (= Wissenschaftliche Beihefte zur Zeitschrift des Allgemeinen Deutschen Sprachvereins, Vierte Reihe), S. 327-356.

Pietsch stützte sich vor allem auf den Druck von 1717, zog für die Textherstellung aber auch die drei Handschriften A, B, C, alle in Hannover,heran. Der abweichende Schluß der ältesten Handschrift A wird unten in den Paragraphen A114 bis A119 wiedergegeben. Digitale Fassung bearbeitet von Thomas Gloning, Stand 22.7.2000. Korrekturhinweis 20.9.2013: hospes korr. zu hostes (freundlicher Hinweis von Dieter Maue). In A118, Z. 2 wurde "uach" zu "auch" korrigiert, in A119,4 "vermitttelst" zu "vermittelst" (Druckfehler).




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Zitationshilfe: Leibniz, Gottfried Wilhelm: Unvorgreiffliche Gedancken, betreffend die Ausübung und Verbesserung der Teutschen Sprache. In: Pietsch, Paul (Hg.), Leibniz und die deutsche Sprache. Berlin, 1908 (= Wissenschaftliche Beihefte zur Zeitschrift des Allgemeinen Deutschen Sprachvereins, Vierte Reihe), S. 327-356, hier S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/leibniz_sprache_1717/9>, abgerufen am 23.04.2024.