Leibniz, Gottfried Wilhelm: Unvorgreiffliche Gedancken, betreffend die Ausübung und Verbesserung der Teutschen Sprache. In: Pietsch, Paul (Hg.), Leibniz und die deutsche Sprache. Berlin, 1908 (= Wissenschaftliche Beihefte zur Zeitschrift des Allgemeinen Deutschen Sprachvereins, Vierte Reihe), S. 327-356.hand bürgerliche Lebens- und Staats-Geschäffte ziehen: Wie man 16. Hat es demnach die Meynung nicht, dass man in der Sprach 17. Ich erinnere mich gehöret zu haben, dass wie in Franckreich 18. So hat auch die Italiänische Gesellschaft der Cruska oder
des 19. Also ist auch gewiss, dass einige der Herren fruchtbringenden, hand bürgerliche Lebens- und Staats-Geschäffte ziehen: Wie man 16. Hat es demnach die Meynung nicht, dass man in der Sprach 17. Ich erinnere mich gehöret zu haben, dass wie in Franckreich 18. So hat auch die Italiänische Gesellschaft der Cruska oder
des 19. Also ist auch gewiss, dass einige der Herren fruchtbringenden, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#0006" n="332"/> hand bürgerliche Lebens- und Staats-Geschäffte ziehen: Wie man<lb/> wohl befindet, wenn man etwas aus andern Sprachen in die unsrige<lb/> übersetzen will. Und weilen solche Wort und Reden am meisten<lb/> fürfallen, und zum täglichen Umgang wackerer Leute so wohl als<lb/> zur Brieff-Wechselung zwischen denselben erfordert werden; so hätte<lb/> man fürnehmlich auff deren Ersetzung, oder weil sie schon vorhanden,<lb/> aber vergessen und unbekandt, auff deren Wiederbringung zu ge-<lb/> dencken, und wo sich dergleichen nichts ergeben will, einigen guten<lb/> Worten der Ausländer das Bürger-Recht zu verstatten.</p><lb/> <p>16. Hat es demnach die Meynung nicht, dass man in der Sprach<lb/> zum Puritaner werde und mit einer abergläubischen Furcht ein<lb/> fremdes, aber bequemes Wort als eine Todt-Sünde vermeide, da-<lb/> durch aber sich selbst entkräffte, und seiner Rede den Nachdruck<lb/> nehme; denn solche allzu grosse Scheinreinigkeit ist einer durch-<lb/> brochenen Arbeit zu vergleichen, daran der Meister so lange feilet<lb/> und bessert, biss er sie endlich gar verschwächet, welches denen ge-<lb/> schicht die an der Perfectie-Kranckheit, wie es die Holländer nennen,<lb/> darnieder liegen.</p><lb/> <p>17. Ich erinnere mich gehöret zu haben, dass wie in Franckreich<lb/> auch dergleichen Rein-Dünckler auffkommen, welche in der That,<lb/> wie Verständige anitzo erkennen, die Sprache nicht wenig ärmer ge-<lb/> macht; da solle die gelehrte Jungfrau von Gournay, des berühmten<lb/> Montagne Pflege-Tochter gesaget haben: was diese Leute schrieben,<lb/> wäre eine Suppe von klarem Wasser (<foreign xml:lang="franz">un bouillon d'eau claire</foreign>) nehm-<lb/> lich ohne Unreinigkeit und ohne Krafft.</p><lb/> <p>18. So hat auch die Italiänische Gesellschaft der Cruska oder des<lb/> Beutel-Tuchs, welche die böse Worte von den guten, wie die Kleyen<lb/> vom feinen Mehl scheiden wollen, durch allzu eckelhafftes Verfahren<lb/> ihres Zwecks nicht wenig verfehlet, und sind daher die itzigen<lb/> Glieder gezwungen worden, bey der letzten Ausgebung ihres Wörter-Buchs<lb/> viel Worte zur Hinterthür einzulassen, die man vorhero aus-<lb/> geschlossen; weil die Gesellschafft anfangs gantz Italien an die Floren-<lb/> tinische Gesetze binden, und den Gelehrten selbst allzu enge Schrancken<lb/> setzen wollen. Und habe ich von einem vornehmen Glied derselbigen,<lb/> so selbst ein Florentiner, gehöret, dass er in seiner Jugend auch<lb/> mit solchem Toscanischen Aberglauben behafftet gewesen, nunmehr<lb/> aber sich dessen entschüttet habe.</p><lb/> <p>19. Also ist auch gewiss, dass einige der Herren fruchtbringenden,<lb/> und Glieder der ändern Teutschen Gesellschafften hierinn zu weit<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [332/0006]
hand bürgerliche Lebens- und Staats-Geschäffte ziehen: Wie man
wohl befindet, wenn man etwas aus andern Sprachen in die unsrige
übersetzen will. Und weilen solche Wort und Reden am meisten
fürfallen, und zum täglichen Umgang wackerer Leute so wohl als
zur Brieff-Wechselung zwischen denselben erfordert werden; so hätte
man fürnehmlich auff deren Ersetzung, oder weil sie schon vorhanden,
aber vergessen und unbekandt, auff deren Wiederbringung zu ge-
dencken, und wo sich dergleichen nichts ergeben will, einigen guten
Worten der Ausländer das Bürger-Recht zu verstatten.
16. Hat es demnach die Meynung nicht, dass man in der Sprach
zum Puritaner werde und mit einer abergläubischen Furcht ein
fremdes, aber bequemes Wort als eine Todt-Sünde vermeide, da-
durch aber sich selbst entkräffte, und seiner Rede den Nachdruck
nehme; denn solche allzu grosse Scheinreinigkeit ist einer durch-
brochenen Arbeit zu vergleichen, daran der Meister so lange feilet
und bessert, biss er sie endlich gar verschwächet, welches denen ge-
schicht die an der Perfectie-Kranckheit, wie es die Holländer nennen,
darnieder liegen.
17. Ich erinnere mich gehöret zu haben, dass wie in Franckreich
auch dergleichen Rein-Dünckler auffkommen, welche in der That,
wie Verständige anitzo erkennen, die Sprache nicht wenig ärmer ge-
macht; da solle die gelehrte Jungfrau von Gournay, des berühmten
Montagne Pflege-Tochter gesaget haben: was diese Leute schrieben,
wäre eine Suppe von klarem Wasser (un bouillon d'eau claire) nehm-
lich ohne Unreinigkeit und ohne Krafft.
18. So hat auch die Italiänische Gesellschaft der Cruska oder des
Beutel-Tuchs, welche die böse Worte von den guten, wie die Kleyen
vom feinen Mehl scheiden wollen, durch allzu eckelhafftes Verfahren
ihres Zwecks nicht wenig verfehlet, und sind daher die itzigen
Glieder gezwungen worden, bey der letzten Ausgebung ihres Wörter-Buchs
viel Worte zur Hinterthür einzulassen, die man vorhero aus-
geschlossen; weil die Gesellschafft anfangs gantz Italien an die Floren-
tinische Gesetze binden, und den Gelehrten selbst allzu enge Schrancken
setzen wollen. Und habe ich von einem vornehmen Glied derselbigen,
so selbst ein Florentiner, gehöret, dass er in seiner Jugend auch
mit solchem Toscanischen Aberglauben behafftet gewesen, nunmehr
aber sich dessen entschüttet habe.
19. Also ist auch gewiss, dass einige der Herren fruchtbringenden,
und Glieder der ändern Teutschen Gesellschafften hierinn zu weit
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/leibniz_sprache_1717 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/leibniz_sprache_1717/6 |
Zitationshilfe: | Leibniz, Gottfried Wilhelm: Unvorgreiffliche Gedancken, betreffend die Ausübung und Verbesserung der Teutschen Sprache. In: Pietsch, Paul (Hg.), Leibniz und die deutsche Sprache. Berlin, 1908 (= Wissenschaftliche Beihefte zur Zeitschrift des Allgemeinen Deutschen Sprachvereins, Vierte Reihe), S. 327-356, hier S. 332. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/leibniz_sprache_1717/6>, abgerufen am 16.02.2025. |