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Leibniz, Gottfried Wilhelm: Unvorgreiffliche Gedancken, betreffend die Ausübung und Verbesserung der Teutschen Sprache. In: Pietsch, Paul (Hg.), Leibniz und die deutsche Sprache. Berlin, 1908 (= Wissenschaftliche Beihefte zur Zeitschrift des Allgemeinen Deutschen Sprachvereins, Vierte Reihe), S. 327-356.

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Cantzel, es ist aber alsdann rathsam, dass die Erklärung alsbald da-
bey sey, damit beyder Art Zuhörer ein Genügen geschehe.

89. Sonst ist von alten Zeiten her bräuchlich gewesen, in Rechts-
handlungen, Libellen und Producten, Lateinische Worte zu brauchen,
es thun es auch die Fremden so wohl als die Teutschen, obschon einige
Gerichte, Facultäten und Schöppenstühle, zumahl in Abfassung der Ur-
theile und Sprüche von geraumer Zeit her, die nicht unlöbliche Gewohnheit
angenommen, viel in Teutsch zu geben so anderswo nicht anders als La-
teinisch genennet worden: als Krieg rechtens befestigen, litem contestari;
Gerichts-Zwang, >Instantia; End-Urtheil, Definitiva und dergleichen viel.

90. In Staats-Schrifften, so die Angelegenheiten und Rechte hoher
Häupter und Potentzen betreffen, ist es nun dahin gediehen, dass
man nicht nur des Lateinischen, sondern auch des Frantzösischen und
Welschen sich schwerlich allerdings entbrechen kan, dabey doch eine
ungezwungene und ungesuchte Mässigung wohl anständig seyn dürffte;
wenigstens solte man sich befleissen, das Frantzösische nicht an des
Teutschen Stelle zu setzen, wann das Teutsche eben so gut, wo nicht
besser; welches ich gleichwohl gar offt bemercket habe.

91. So könte man sich auch zum öfftern dieser Vermittelung mit
Nutzen bedienen, dass man das Teutsche Wort mit dem fremden ver-
setzte, und eines zu des andern Erklärung brauchte, da denn auch
eines des andern Abgang so wol als Verständligkeit, als an Nachdruck,
ersetzen könte.

92. Und dieser Vortheil würde auch sonderlich dienen, gute und
wohlgemachte, aber noch nicht so gar gemeine noch durchgehends
angenommene Teutsche Worte in Schwang zu bringen, wann sie An-
fangs mit den Fremden, oder mit Einheimischen zwar mehr gebräuch-
lichen, aber nicht zulänglichen zusammen gefügt, oder auch sonst
mit einer Erklärung begleitet würden, biss man deren endlich mit
der Zeit gewohnet worden; da solche Vorsorge nicht weiter nöthig.

93. Uber dergleichen guten Anstalten zu Beybehaltung der Teutschen
Sprache Reinigkeit, so viel es immer thunlich, hätten die vornehmen
Scribenten durch ihr Exempel die Hand zu halten, und damit dem
einbrechenden Sturm der fremden Worte sich nicht zwar gäntzlich,
so vergebens, doch gleichsam lavirend zu widersetzen, biss solcher
Sturm vorüber und überwunden.

94. So solte ich auch dafür halten, dass in gewissen Schrifften, so
nicht wegen Geschäffte und zur Nothdurfft, auch nicht zur Lehre der

Cantzel, es ist aber alsdann rathsam, dass die Erklärung alsbald da-
bey sey, damit beyder Art Zuhörer ein Genügen geschehe.

89. Sonst ist von alten Zeiten her bräuchlich gewesen, in Rechts-
handlungen, Libellen und Producten, Lateinische Worte zu brauchen,
es thun es auch die Fremden so wohl als die Teutschen, obschon einige
Gerichte, Facultäten und Schöppenstühle, zumahl in Abfassung der Ur-
theile und Sprüche von geraumer Zeit her, die nicht unlöbliche Gewohnheit
angenommen, viel in Teutsch zu geben so anderswo nicht anders als La-
teinisch genennet worden: als Krieg rechtens befestigen, litem contestari;
Gerichts-Zwang, >Instantia; End-Urtheil, Definitiva und dergleichen viel.

90. In Staats-Schrifften, so die Angelegenheiten und Rechte hoher
Häupter und Potentzen betreffen, ist es nun dahin gediehen, dass
man nicht nur des Lateinischen, sondern auch des Frantzösischen und
Welschen sich schwerlich allerdings entbrechen kan, dabey doch eine
ungezwungene und ungesuchte Mässigung wohl anständig seyn dürffte;
wenigstens solte man sich befleissen, das Frantzösische nicht an des
Teutschen Stelle zu setzen, wann das Teutsche eben so gut, wo nicht
besser; welches ich gleichwohl gar offt bemercket habe.

91. So könte man sich auch zum öfftern dieser Vermittelung mit
Nutzen bedienen, dass man das Teutsche Wort mit dem fremden ver-
setzte, und eines zu des andern Erklärung brauchte, da denn auch
eines des andern Abgang so wol als Verständligkeit, als an Nachdruck,
ersetzen könte.

92. Und dieser Vortheil würde auch sonderlich dienen, gute und
wohlgemachte, aber noch nicht so gar gemeine noch durchgehends
angenommene Teutsche Worte in Schwang zu bringen, wann sie An-
fangs mit den Fremden, oder mit Einheimischen zwar mehr gebräuch-
lichen, aber nicht zulänglichen zusammen gefügt, oder auch sonst
mit einer Erklärung begleitet würden, biss man deren endlich mit
der Zeit gewohnet worden; da solche Vorsorge nicht weiter nöthig.

93. Uber dergleichen guten Anstalten zu Beybehaltung der Teutschen
Sprache Reinigkeit, so viel es immer thunlich, hätten die vornehmen
Scribenten durch ihr Exempel die Hand zu halten, und damit dem
einbrechenden Sturm der fremden Worte sich nicht zwar gäntzlich,
so vergebens, doch gleichsam lavirend zu widersetzen, biss solcher
Sturm vorüber und überwunden.

94. So solte ich auch dafür halten, dass in gewissen Schrifften, so
nicht wegen Geschäffte und zur Nothdurfft, auch nicht zur Lehre der

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[351/0025] Cantzel, es ist aber alsdann rathsam, dass die Erklärung alsbald da- bey sey, damit beyder Art Zuhörer ein Genügen geschehe. 89. Sonst ist von alten Zeiten her bräuchlich gewesen, in Rechts- handlungen, Libellen und Producten, Lateinische Worte zu brauchen, es thun es auch die Fremden so wohl als die Teutschen, obschon einige Gerichte, Facultäten und Schöppenstühle, zumahl in Abfassung der Ur- theile und Sprüche von geraumer Zeit her, die nicht unlöbliche Gewohnheit angenommen, viel in Teutsch zu geben so anderswo nicht anders als La- teinisch genennet worden: als Krieg rechtens befestigen, litem contestari; Gerichts-Zwang, >Instantia; End-Urtheil, Definitiva und dergleichen viel. 90. In Staats-Schrifften, so die Angelegenheiten und Rechte hoher Häupter und Potentzen betreffen, ist es nun dahin gediehen, dass man nicht nur des Lateinischen, sondern auch des Frantzösischen und Welschen sich schwerlich allerdings entbrechen kan, dabey doch eine ungezwungene und ungesuchte Mässigung wohl anständig seyn dürffte; wenigstens solte man sich befleissen, das Frantzösische nicht an des Teutschen Stelle zu setzen, wann das Teutsche eben so gut, wo nicht besser; welches ich gleichwohl gar offt bemercket habe. 91. So könte man sich auch zum öfftern dieser Vermittelung mit Nutzen bedienen, dass man das Teutsche Wort mit dem fremden ver- setzte, und eines zu des andern Erklärung brauchte, da denn auch eines des andern Abgang so wol als Verständligkeit, als an Nachdruck, ersetzen könte. 92. Und dieser Vortheil würde auch sonderlich dienen, gute und wohlgemachte, aber noch nicht so gar gemeine noch durchgehends angenommene Teutsche Worte in Schwang zu bringen, wann sie An- fangs mit den Fremden, oder mit Einheimischen zwar mehr gebräuch- lichen, aber nicht zulänglichen zusammen gefügt, oder auch sonst mit einer Erklärung begleitet würden, biss man deren endlich mit der Zeit gewohnet worden; da solche Vorsorge nicht weiter nöthig. 93. Uber dergleichen guten Anstalten zu Beybehaltung der Teutschen Sprache Reinigkeit, so viel es immer thunlich, hätten die vornehmen Scribenten durch ihr Exempel die Hand zu halten, und damit dem einbrechenden Sturm der fremden Worte sich nicht zwar gäntzlich, so vergebens, doch gleichsam lavirend zu widersetzen, biss solcher Sturm vorüber und überwunden. 94. So solte ich auch dafür halten, dass in gewissen Schrifften, so nicht wegen Geschäffte und zur Nothdurfft, auch nicht zur Lehre der

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Gloning: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-10-05T14:54:07Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-10-05T14:54:07Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • langes s (?): als s transkribiert
  • Vollständigkeit: teilweise erfasst

Die Transkription beruht auf dem Abdruck in Pietsch, Paul (Hg.): Leibniz und die deutsche Sprache. Berlin, 1908 (= Wissenschaftliche Beihefte zur Zeitschrift des Allgemeinen Deutschen Sprachvereins, Vierte Reihe), S. 327-356.

Pietsch stützte sich vor allem auf den Druck von 1717, zog für die Textherstellung aber auch die drei Handschriften A, B, C, alle in Hannover,heran. Der abweichende Schluß der ältesten Handschrift A wird unten in den Paragraphen A114 bis A119 wiedergegeben. Digitale Fassung bearbeitet von Thomas Gloning, Stand 22.7.2000. Korrekturhinweis 20.9.2013: hospes korr. zu hostes (freundlicher Hinweis von Dieter Maue). In A118, Z. 2 wurde "uach" zu "auch" korrigiert, in A119,4 "vermitttelst" zu "vermittelst" (Druckfehler).




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Zitationshilfe: Leibniz, Gottfried Wilhelm: Unvorgreiffliche Gedancken, betreffend die Ausübung und Verbesserung der Teutschen Sprache. In: Pietsch, Paul (Hg.), Leibniz und die deutsche Sprache. Berlin, 1908 (= Wissenschaftliche Beihefte zur Zeitschrift des Allgemeinen Deutschen Sprachvereins, Vierte Reihe), S. 327-356, hier S. 351. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/leibniz_sprache_1717/25>, abgerufen am 26.04.2024.