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Leibniz, Gottfried Wilhelm: Unvorgreiffliche Gedancken, betreffend die Ausübung und Verbesserung der Teutschen Sprache. In: Pietsch, Paul (Hg.), Leibniz und die deutsche Sprache. Berlin, 1908 (= Wissenschaftliche Beihefte zur Zeitschrift des Allgemeinen Deutschen Sprachvereins, Vierte Reihe), S. 327-356.

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Daher das Wort so aus dem Griechischen Konn· komt, billig aus-
gesetzet werden solte. Es sind auch einige von unangenehmen Klange,
oder lauten lächerlich, oder geben sonst einen Ubelstand und widrige
Deutung, dafür man sich billig hütet.

83. Es sind auch unvernehmliche Worte und unter andern die
veraltet, verba casca, osca, obsoleta, dergleichen zwar etliche noch
Lutherus in seiner Bibel behalten, so aber nach ihme vollends verblichen,
als Schächer, das ist Mörder, Raunen so mit den Runen der Nordischen
Völcker verwandt, Kogel, das ist eine gewisse Bedeckung des Haupts.

84. Dahin gehören die unzeitig angebrachte Verba Provincialia,
oder Land-Worte gewisser Provintzen Teutschlandes, als das Schmecken
an statt Riechen, wie es bey einigen Teutschen gebraucht wird, von
denen man desswegen sagt, sie haben nur vier Sinne; item der
Kretschmar in Schlesien, der so viel als Krug in Niedersachsen; von
welcher Art auch die Meissner selbst nicht wenig haben, und sich
deren zumal im Schreiben enthalten müssen, als wann sie sagen, der
Zeiger schlägt, oder wann sie den Rock einen Peltz nennen, welches
ihm nicht zukommt, als wann er gefüttert; und was dergleichen mehr.

85. Was aber die fremde oder unteutsche Worte anbetrifft, so ent-
stehet darinn der gröste Zweiffel, ob nemlichen und wie weit sie zu
dulden, nachdem sie vielen annoch unverständlich. Nun will ich
solches der künfftigen Teutsch-Gesinneten Verfassung zu entscheiden
zwar überlassen, doch anietzo ein und anders, obschon vorgängig,
doch unvorgreifflich zu erwegen geben.

86. Und solte ich demnach zuforderst dafür halten, dass man des
Fremden ehe zu wenig als zu viel haben solle, es wäre dann, dass
man mit Fleiss etwas machen wolte auf den Schlag des Liedes:
Da die Engel singen Nova Cantica,
Und die Schellen klingen in regis Curia.

87. Hernach vermeyne, dass ein Unterscheid zu machen unter den
Arten der Zuhörer oder Leser: dann was für männiglich geredet oder
geschrieben wird, als zum Exempel, was man prediget, soll billig von
jedermann verstanden werden; was aber für Gelehrte, für den Richter,
für Staats-Leute geschrieben, da kan man sich mehr Freyheit nehmen.

88. Es kan zwar auch zu Zeiten ein Lateinisches oder aus dem
Lateinischen gezogenes Wort, dabey ein sonderlicher Nachdruck, von
einem Prediger gebrauchet werden; ein Lateinisches sage ich, dann
das Frantzösische schicket sich meines Ermessens gar nicht auf unsere

Daher das Wort so aus dem Griechischen Kόñ· komt, billig aus-
gesetzet werden solte. Es sind auch einige von unangenehmen Klange,
oder lauten lächerlich, oder geben sonst einen Ubelstand und widrige
Deutung, dafür man sich billig hütet.

83. Es sind auch unvernehmliche Worte und unter andern die
veraltet, verba casca, osca, obsoleta, dergleichen zwar etliche noch
Lutherus in seiner Bibel behalten, so aber nach ihme vollends verblichen,
als Schächer, das ist Mörder, Raunen so mit den Runen der Nordischen
Völcker verwandt, Kogel, das ist eine gewisse Bedeckung des Haupts.

84. Dahin gehören die unzeitig angebrachte Verba Provincialia,
oder Land-Worte gewisser Provintzen Teutschlandes, als das Schmecken
an statt Riechen, wie es bey einigen Teutschen gebraucht wird, von
denen man desswegen sagt, sie haben nur vier Sinne; item der
Kretschmar in Schlesien, der so viel als Krug in Niedersachsen; von
welcher Art auch die Meissner selbst nicht wenig haben, und sich
deren zumal im Schreiben enthalten müssen, als wann sie sagen, der
Zeiger schlägt, oder wann sie den Rock einen Peltz nennen, welches
ihm nicht zukommt, als wann er gefüttert; und was dergleichen mehr.

85. Was aber die fremde oder unteutsche Worte anbetrifft, so ent-
stehet darinn der gröste Zweiffel, ob nemlichen und wie weit sie zu
dulden, nachdem sie vielen annoch unverständlich. Nun will ich
solches der künfftigen Teutsch-Gesinneten Verfassung zu entscheiden
zwar überlassen, doch anietzo ein und anders, obschon vorgängig,
doch unvorgreifflich zu erwegen geben.

86. Und solte ich demnach zuforderst dafür halten, dass man des
Fremden ehe zu wenig als zu viel haben solle, es wäre dann, dass
man mit Fleiss etwas machen wolte auf den Schlag des Liedes:
Da die Engel singen Nova Cantica,
Und die Schellen klingen in regis Curia.

87. Hernach vermeyne, dass ein Unterscheid zu machen unter den
Arten der Zuhörer oder Leser: dann was für männiglich geredet oder
geschrieben wird, als zum Exempel, was man prediget, soll billig von
jedermann verstanden werden; was aber für Gelehrte, für den Richter,
für Staats-Leute geschrieben, da kan man sich mehr Freyheit nehmen.

88. Es kan zwar auch zu Zeiten ein Lateinisches oder aus dem
Lateinischen gezogenes Wort, dabey ein sonderlicher Nachdruck, von
einem Prediger gebrauchet werden; ein Lateinisches sage ich, dann
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[350/0024] Daher das Wort so aus dem Griechischen Kόñ· komt, billig aus- gesetzet werden solte. Es sind auch einige von unangenehmen Klange, oder lauten lächerlich, oder geben sonst einen Ubelstand und widrige Deutung, dafür man sich billig hütet. 83. Es sind auch unvernehmliche Worte und unter andern die veraltet, verba casca, osca, obsoleta, dergleichen zwar etliche noch Lutherus in seiner Bibel behalten, so aber nach ihme vollends verblichen, als Schächer, das ist Mörder, Raunen so mit den Runen der Nordischen Völcker verwandt, Kogel, das ist eine gewisse Bedeckung des Haupts. 84. Dahin gehören die unzeitig angebrachte Verba Provincialia, oder Land-Worte gewisser Provintzen Teutschlandes, als das Schmecken an statt Riechen, wie es bey einigen Teutschen gebraucht wird, von denen man desswegen sagt, sie haben nur vier Sinne; item der Kretschmar in Schlesien, der so viel als Krug in Niedersachsen; von welcher Art auch die Meissner selbst nicht wenig haben, und sich deren zumal im Schreiben enthalten müssen, als wann sie sagen, der Zeiger schlägt, oder wann sie den Rock einen Peltz nennen, welches ihm nicht zukommt, als wann er gefüttert; und was dergleichen mehr. 85. Was aber die fremde oder unteutsche Worte anbetrifft, so ent- stehet darinn der gröste Zweiffel, ob nemlichen und wie weit sie zu dulden, nachdem sie vielen annoch unverständlich. Nun will ich solches der künfftigen Teutsch-Gesinneten Verfassung zu entscheiden zwar überlassen, doch anietzo ein und anders, obschon vorgängig, doch unvorgreifflich zu erwegen geben. 86. Und solte ich demnach zuforderst dafür halten, dass man des Fremden ehe zu wenig als zu viel haben solle, es wäre dann, dass man mit Fleiss etwas machen wolte auf den Schlag des Liedes: Da die Engel singen Nova Cantica, Und die Schellen klingen in regis Curia. 87. Hernach vermeyne, dass ein Unterscheid zu machen unter den Arten der Zuhörer oder Leser: dann was für männiglich geredet oder geschrieben wird, als zum Exempel, was man prediget, soll billig von jedermann verstanden werden; was aber für Gelehrte, für den Richter, für Staats-Leute geschrieben, da kan man sich mehr Freyheit nehmen. 88. Es kan zwar auch zu Zeiten ein Lateinisches oder aus dem Lateinischen gezogenes Wort, dabey ein sonderlicher Nachdruck, von einem Prediger gebrauchet werden; ein Lateinisches sage ich, dann das Frantzösische schicket sich meines Ermessens gar nicht auf unsere

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Gloning: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-10-05T14:54:07Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-10-05T14:54:07Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • langes s (?): als s transkribiert
  • Vollständigkeit: teilweise erfasst

Die Transkription beruht auf dem Abdruck in Pietsch, Paul (Hg.): Leibniz und die deutsche Sprache. Berlin, 1908 (= Wissenschaftliche Beihefte zur Zeitschrift des Allgemeinen Deutschen Sprachvereins, Vierte Reihe), S. 327-356.

Pietsch stützte sich vor allem auf den Druck von 1717, zog für die Textherstellung aber auch die drei Handschriften A, B, C, alle in Hannover,heran. Der abweichende Schluß der ältesten Handschrift A wird unten in den Paragraphen A114 bis A119 wiedergegeben. Digitale Fassung bearbeitet von Thomas Gloning, Stand 22.7.2000. Korrekturhinweis 20.9.2013: hospes korr. zu hostes (freundlicher Hinweis von Dieter Maue). In A118, Z. 2 wurde "uach" zu "auch" korrigiert, in A119,4 "vermitttelst" zu "vermittelst" (Druckfehler).




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Zitationshilfe: Leibniz, Gottfried Wilhelm: Unvorgreiffliche Gedancken, betreffend die Ausübung und Verbesserung der Teutschen Sprache. In: Pietsch, Paul (Hg.), Leibniz und die deutsche Sprache. Berlin, 1908 (= Wissenschaftliche Beihefte zur Zeitschrift des Allgemeinen Deutschen Sprachvereins, Vierte Reihe), S. 327-356, hier S. 350. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/leibniz_sprache_1717/24>, abgerufen am 23.11.2024.