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Leibniz, Gottfried Wilhelm: Unvorgreiffliche Gedancken, betreffend die Ausübung und Verbesserung der Teutschen Sprache. In: Pietsch, Paul (Hg.), Leibniz und die deutsche Sprache. Berlin, 1908 (= Wissenschaftliche Beihefte zur Zeitschrift des Allgemeinen Deutschen Sprachvereins, Vierte Reihe), S. 327-356.

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sich und ihr Oberhaupt gebracht, welchem die Beschirmung des wahren
Glaubens, die Vogthey der allgemeinen Kirche und die Beförderung
des Besten der gantzen Christenheit oblieget, daher ihm auch der
Vorsitz über andere hohe Häupter ohnzweiffentlich gebühret und ge-
lassen worden.

3. Derowegen haben die Teutsche sich desto mehr anzugreiffen, dass
sie sich dieser ihrer Würde würdig zeigen, und es andern nicht weniger
an Verstand und Tapfferkeit zuvor thun mögen, als sie ihnen an Ehren
und Hoheit ihres Oberhaupts vorgehen. Derogestalt können sie ihre
Missgünstige beschämen, und ihnen wider ihren Danck eine innerliche
Uberzeugung, wo nicht äusserliche Bekäntniss der Teutschen Vortreff-
lichkeit abdringen.
Ut qui confessos animo quoque subjugat hostes.

4. Nachdem die Wissenschafft zur Stärcke kommen und die Krieges-Zucht
in Teutschland aufgerichtet worden, hat sich die Teutsche
Tapfferkeit zu unsern Zeiten gegen Morgen- und Abend-ländische
Feinde, durch grosse von Gott verliehene Siege wiederum mercklich
gezeiget; da auch meistentheils die gute Parthey durch Teutsche ge-
fochten. Nun ist zu wünschen, dass auch der Teutschen Verstand
nicht weniger obsiegen, und den Preiss erhalten möge; welches eben-
mässig durch gute Anordnung und fleissige Übung geschehen muss.
Man will von allem dem so daran hanget, anitzo nicht handeln, sondern
allein bemercken, dass die rechte Verstandes-Ubung sich finde, nicht
nur zwischen Lehr- und Lernenden, sondern auch vornehmlich im
gemeinen Leben unter der grossen Lehrmeisterin, nehmlich der Welt
oder Gesellschaft, vermittelst der Sprache, so die menschlichen Gemüther
zusammen füget.

5. Es ist aber bey dem Gebrauch der Sprache auch dieses sonder-
lich zu betrachten, dass die Worte nicht nur der Gedancken, sondern
auch der Dinge Zeichen seyn, und dass wir Zeichen nöthig haben,
nicht nur unsere Meynung andern anzudeuten, sondern auch unsern
Gedancken selbst zu helffen. Denn gleichwie man in grossen Handels-Städten,
auch im Spiel und sonsten nicht allezeit Geld zahlet, sondern
sich an dessen Statt der Zeddel oder Marcken biss zur letzten Ab-
rechnung oder Zahlung bedienet; also thut auch der Verstand mit den
Bildnissen der Dinge, zumahl wenn er viel zu dencken hat, dass er
nehmlich Zeichen dafür brauchet, damit er nicht nöthig habe, die Sache

sich und ihr Oberhaupt gebracht, welchem die Beschirmung des wahren
Glaubens, die Vogthey der allgemeinen Kirche und die Beförderung
des Besten der gantzen Christenheit oblieget, daher ihm auch der
Vorsitz über andere hohe Häupter ohnzweiffentlich gebühret und ge-
lassen worden.

3. Derowegen haben die Teutsche sich desto mehr anzugreiffen, dass
sie sich dieser ihrer Würde würdig zeigen, und es andern nicht weniger
an Verstand und Tapfferkeit zuvor thun mögen, als sie ihnen an Ehren
und Hoheit ihres Oberhaupts vorgehen. Derogestalt können sie ihre
Missgünstige beschämen, und ihnen wider ihren Danck eine innerliche
Uberzeugung, wo nicht äusserliche Bekäntniss der Teutschen Vortreff-
lichkeit abdringen.
Ut qui confessos animo quoque subjugat hostes.

4. Nachdem die Wissenschafft zur Stärcke kommen und die Krieges-Zucht
in Teutschland aufgerichtet worden, hat sich die Teutsche
Tapfferkeit zu unsern Zeiten gegen Morgen- und Abend-ländische
Feinde, durch grosse von Gott verliehene Siege wiederum mercklich
gezeiget; da auch meistentheils die gute Parthey durch Teutsche ge-
fochten. Nun ist zu wünschen, dass auch der Teutschen Verstand
nicht weniger obsiegen, und den Preiss erhalten möge; welches eben-
mässig durch gute Anordnung und fleissige Übung geschehen muss.
Man will von allem dem so daran hanget, anitzo nicht handeln, sondern
allein bemercken, dass die rechte Verstandes-Ubung sich finde, nicht
nur zwischen Lehr- und Lernenden, sondern auch vornehmlich im
gemeinen Leben unter der grossen Lehrmeisterin, nehmlich der Welt
oder Gesellschaft, vermittelst der Sprache, so die menschlichen Gemüther
zusammen füget.

5. Es ist aber bey dem Gebrauch der Sprache auch dieses sonder-
lich zu betrachten, dass die Worte nicht nur der Gedancken, sondern
auch der Dinge Zeichen seyn, und dass wir Zeichen nöthig haben,
nicht nur unsere Meynung andern anzudeuten, sondern auch unsern
Gedancken selbst zu helffen. Denn gleichwie man in grossen Handels-Städten,
auch im Spiel und sonsten nicht allezeit Geld zahlet, sondern
sich an dessen Statt der Zeddel oder Marcken biss zur letzten Ab-
rechnung oder Zahlung bedienet; also thut auch der Verstand mit den
Bildnissen der Dinge, zumahl wenn er viel zu dencken hat, dass er
nehmlich Zeichen dafür brauchet, damit er nicht nöthig habe, die Sache

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[328/0002] sich und ihr Oberhaupt gebracht, welchem die Beschirmung des wahren Glaubens, die Vogthey der allgemeinen Kirche und die Beförderung des Besten der gantzen Christenheit oblieget, daher ihm auch der Vorsitz über andere hohe Häupter ohnzweiffentlich gebühret und ge- lassen worden. 3. Derowegen haben die Teutsche sich desto mehr anzugreiffen, dass sie sich dieser ihrer Würde würdig zeigen, und es andern nicht weniger an Verstand und Tapfferkeit zuvor thun mögen, als sie ihnen an Ehren und Hoheit ihres Oberhaupts vorgehen. Derogestalt können sie ihre Missgünstige beschämen, und ihnen wider ihren Danck eine innerliche Uberzeugung, wo nicht äusserliche Bekäntniss der Teutschen Vortreff- lichkeit abdringen. Ut qui confessos animo quoque subjugat hostes. 4. Nachdem die Wissenschafft zur Stärcke kommen und die Krieges-Zucht in Teutschland aufgerichtet worden, hat sich die Teutsche Tapfferkeit zu unsern Zeiten gegen Morgen- und Abend-ländische Feinde, durch grosse von Gott verliehene Siege wiederum mercklich gezeiget; da auch meistentheils die gute Parthey durch Teutsche ge- fochten. Nun ist zu wünschen, dass auch der Teutschen Verstand nicht weniger obsiegen, und den Preiss erhalten möge; welches eben- mässig durch gute Anordnung und fleissige Übung geschehen muss. Man will von allem dem so daran hanget, anitzo nicht handeln, sondern allein bemercken, dass die rechte Verstandes-Ubung sich finde, nicht nur zwischen Lehr- und Lernenden, sondern auch vornehmlich im gemeinen Leben unter der grossen Lehrmeisterin, nehmlich der Welt oder Gesellschaft, vermittelst der Sprache, so die menschlichen Gemüther zusammen füget. 5. Es ist aber bey dem Gebrauch der Sprache auch dieses sonder- lich zu betrachten, dass die Worte nicht nur der Gedancken, sondern auch der Dinge Zeichen seyn, und dass wir Zeichen nöthig haben, nicht nur unsere Meynung andern anzudeuten, sondern auch unsern Gedancken selbst zu helffen. Denn gleichwie man in grossen Handels-Städten, auch im Spiel und sonsten nicht allezeit Geld zahlet, sondern sich an dessen Statt der Zeddel oder Marcken biss zur letzten Ab- rechnung oder Zahlung bedienet; also thut auch der Verstand mit den Bildnissen der Dinge, zumahl wenn er viel zu dencken hat, dass er nehmlich Zeichen dafür brauchet, damit er nicht nöthig habe, die Sache

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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Gloning: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-10-05T14:54:07Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-10-05T14:54:07Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • langes s (?): als s transkribiert
  • Vollständigkeit: teilweise erfasst

Die Transkription beruht auf dem Abdruck in Pietsch, Paul (Hg.): Leibniz und die deutsche Sprache. Berlin, 1908 (= Wissenschaftliche Beihefte zur Zeitschrift des Allgemeinen Deutschen Sprachvereins, Vierte Reihe), S. 327-356.

Pietsch stützte sich vor allem auf den Druck von 1717, zog für die Textherstellung aber auch die drei Handschriften A, B, C, alle in Hannover,heran. Der abweichende Schluß der ältesten Handschrift A wird unten in den Paragraphen A114 bis A119 wiedergegeben. Digitale Fassung bearbeitet von Thomas Gloning, Stand 22.7.2000. Korrekturhinweis 20.9.2013: hospes korr. zu hostes (freundlicher Hinweis von Dieter Maue). In A118, Z. 2 wurde "uach" zu "auch" korrigiert, in A119,4 "vermitttelst" zu "vermittelst" (Druckfehler).




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Zitationshilfe: Leibniz, Gottfried Wilhelm: Unvorgreiffliche Gedancken, betreffend die Ausübung und Verbesserung der Teutschen Sprache. In: Pietsch, Paul (Hg.), Leibniz und die deutsche Sprache. Berlin, 1908 (= Wissenschaftliche Beihefte zur Zeitschrift des Allgemeinen Deutschen Sprachvereins, Vierte Reihe), S. 327-356, hier S. 328. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/leibniz_sprache_1717/2>, abgerufen am 19.04.2024.