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Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811.

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Ruinen, von einem Häuflein Reichstruppen be-
rannt zu werden, wird unsrer Wohnung nicht na-
hen, doch so wie der Besitzer dieser Häuser, könnte
auch deines eine Haubitze zerstören, deswegen
hast du beim Anblick jener alten Ritterburg Zeit
zu schönen Empfindungen, die Trümmern des
verfloßnen Jahres mahnen dich aber an das Un-
glück, was dir selbst noch drohen kann. Dieser
Unterschied zwischen alten und neuen Ruinen ist
nirgends auffallender als in St. Goar. Auf dem
Abhange des Berges liegt das alte Schloß, das
vor dem Kriege eines der schönsten am Rheinufer
war, in großen, schönen Massen zertrümmert,
unten am Ufer stehen die Mauern der schönen Ca-
sernen, die etwas später, wie ich glaube, zer-
stört wurden. Als Gegenstand der Darstellung
scheint es mir leicht wahrzunehmen, warum die
Trümmern aus dem dreizehnten Jahrhundert vor-
theilhafter erscheinen, wie die aus unsrer Zeit. --
Die Unregelmäßigkeit jener Bauart, die getrenn-
ten Massen, geben der Phantasie Spielraum, sich
in jedem Einzelnen noch etwas Ganzes zu denken,
und in der Trümmer ist noch Größe; dagegen ei-
ne Fronte, die in gerader Linie dreißig Fenster
hatte, wenn sie theilweise eingestürzt ist, nur

Ruinen, von einem Haͤuflein Reichstruppen be-
rannt zu werden, wird unſrer Wohnung nicht na-
hen, doch ſo wie der Beſitzer dieſer Haͤuſer, koͤnnte
auch deines eine Haubitze zerſtoͤren, deswegen
haſt du beim Anblick jener alten Ritterburg Zeit
zu ſchoͤnen Empfindungen, die Truͤmmern des
verfloßnen Jahres mahnen dich aber an das Un-
gluͤck, was dir ſelbſt noch drohen kann. Dieſer
Unterſchied zwiſchen alten und neuen Ruinen iſt
nirgends auffallender als in St. Goar. Auf dem
Abhange des Berges liegt das alte Schloß, das
vor dem Kriege eines der ſchoͤnſten am Rheinufer
war, in großen, ſchoͤnen Maſſen zertruͤmmert,
unten am Ufer ſtehen die Mauern der ſchoͤnen Ca-
ſernen, die etwas ſpaͤter, wie ich glaube, zer-
ſtoͤrt wurden. Als Gegenſtand der Darſtellung
ſcheint es mir leicht wahrzunehmen, warum die
Truͤmmern aus dem dreizehnten Jahrhundert vor-
theilhafter erſcheinen, wie die aus unſrer Zeit. —
Die Unregelmaͤßigkeit jener Bauart, die getrenn-
ten Maſſen, geben der Phantaſie Spielraum, ſich
in jedem Einzelnen noch etwas Ganzes zu denken,
und in der Truͤmmer iſt noch Groͤße; dagegen ei-
ne Fronte, die in gerader Linie dreißig Fenſter
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[52/0066] Ruinen, von einem Haͤuflein Reichstruppen be- rannt zu werden, wird unſrer Wohnung nicht na- hen, doch ſo wie der Beſitzer dieſer Haͤuſer, koͤnnte auch deines eine Haubitze zerſtoͤren, deswegen haſt du beim Anblick jener alten Ritterburg Zeit zu ſchoͤnen Empfindungen, die Truͤmmern des verfloßnen Jahres mahnen dich aber an das Un- gluͤck, was dir ſelbſt noch drohen kann. Dieſer Unterſchied zwiſchen alten und neuen Ruinen iſt nirgends auffallender als in St. Goar. Auf dem Abhange des Berges liegt das alte Schloß, das vor dem Kriege eines der ſchoͤnſten am Rheinufer war, in großen, ſchoͤnen Maſſen zertruͤmmert, unten am Ufer ſtehen die Mauern der ſchoͤnen Ca- ſernen, die etwas ſpaͤter, wie ich glaube, zer- ſtoͤrt wurden. Als Gegenſtand der Darſtellung ſcheint es mir leicht wahrzunehmen, warum die Truͤmmern aus dem dreizehnten Jahrhundert vor- theilhafter erſcheinen, wie die aus unſrer Zeit. — Die Unregelmaͤßigkeit jener Bauart, die getrenn- ten Maſſen, geben der Phantaſie Spielraum, ſich in jedem Einzelnen noch etwas Ganzes zu denken, und in der Truͤmmer iſt noch Groͤße; dagegen ei- ne Fronte, die in gerader Linie dreißig Fenſter hatte, wenn ſie theilweiſe eingeſtuͤrzt iſt, nur

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Zitationshilfe: Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/66>, abgerufen am 24.11.2024.