sie werden noch ganz andere Sachen sehen, wenn sie weiter in das Land hinein kommen." Ich glau- be, ich ward roth, und wäre es nicht meiner Na- tur zuwider gewesen, so wäre ich jetzt, da die Fäh- re endlich ans Ufer stieß, langsam in meinen Wagen eingestiegen, um meinen Nationalkarakter trotzig zu beweisen. --
Der neue Weg, der nach Koblenz zu am Ufer des Rheins in die Felsen gebrochen ist, wird ein schönes Denkmal der veränderten Landesverfassung. Sonst konnte man gar nicht dem Rheinufer folgen, sondern reiste auf halsbrechenden Straßen über den Hundsrück, über Kreuznach von Mainz nach Ko- blenz, oder zog den noch heillosern Weg am jen- seitigen Rheinufer über Lienburg, Nachstetten und das Rheingau vor. Jetzt bleibt man dem schönen Fluß immer nahe, oft ist die Straße, dem Felsen abgewonnen, funfzig bis sechzig Fuß senkrecht über die Wasserfläche erhaben, und von der andern Seite von eben so hohen Felsen begrenzt. Es wird noch an ihr gearbeitet, auch die Geländer an der Fluß- seite fehlen noch. Wir begegneten an dem ganzen Rheinufer hinauf oft französischen Ingenieurs, die beim Feldmessen beschäftigt waren; auch bei dem noch thätigen Arbeiten an dem neuen Wege fanden wir mehrere Aufsicht habende Ossiciers, deren artiges Benehmen bei unsern Fragen meinen Dank forderte.
Von Bingen führt jetzt der Postweg über In- gelheim, wo eine neue Station ist. Die Chaussee
ſie werden noch ganz andere Sachen ſehen, wenn ſie weiter in das Land hinein kommen.“ Ich glau- be, ich ward roth, und waͤre es nicht meiner Na- tur zuwider geweſen, ſo waͤre ich jetzt, da die Faͤh- re endlich ans Ufer ſtieß, langſam in meinen Wagen eingeſtiegen, um meinen Nationalkarakter trotzig zu beweiſen. —
Der neue Weg, der nach Koblenz zu am Ufer des Rheins in die Felſen gebrochen iſt, wird ein ſchoͤnes Denkmal der veraͤnderten Landesverfaſſung. Sonſt konnte man gar nicht dem Rheinufer folgen, ſondern reiſte auf halsbrechenden Straßen uͤber den Hundsruͤck, uͤber Kreuznach von Mainz nach Ko- blenz, oder zog den noch heilloſern Weg am jen- ſeitigen Rheinufer uͤber Lienburg, Nachſtetten und das Rheingau vor. Jetzt bleibt man dem ſchoͤnen Fluß immer nahe, oft iſt die Straße, dem Felſen abgewonnen, funfzig bis ſechzig Fuß ſenkrecht uͤber die Waſſerflaͤche erhaben, und von der andern Seite von eben ſo hohen Felſen begrenzt. Es wird noch an ihr gearbeitet, auch die Gelaͤnder an der Fluß- ſeite fehlen noch. Wir begegneten an dem ganzen Rheinufer hinauf oft franzoͤſiſchen Ingenieurs, die beim Feldmeſſen beſchaͤftigt waren; auch bei dem noch thaͤtigen Arbeiten an dem neuen Wege fanden wir mehrere Aufſicht habende Oſſiciers, deren artiges Benehmen bei unſern Fragen meinen Dank forderte.
Von Bingen fuͤhrt jetzt der Poſtweg uͤber In- gelheim, wo eine neue Station iſt. Die Chauſſee
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ſie werden noch ganz andere Sachen ſehen, wenn
ſie weiter in das Land hinein kommen.“ Ich glau-
be, ich ward roth, und waͤre es nicht meiner Na-
tur zuwider geweſen, ſo waͤre ich jetzt, da die Faͤh-
re endlich ans Ufer ſtieß, langſam in meinen
Wagen eingeſtiegen, um meinen Nationalkarakter
trotzig zu beweiſen. —
Der neue Weg, der nach Koblenz zu am Ufer
des Rheins in die Felſen gebrochen iſt, wird ein
ſchoͤnes Denkmal der veraͤnderten Landesverfaſſung.
Sonſt konnte man gar nicht dem Rheinufer folgen,
ſondern reiſte auf halsbrechenden Straßen uͤber den
Hundsruͤck, uͤber Kreuznach von Mainz nach Ko-
blenz, oder zog den noch heilloſern Weg am jen-
ſeitigen Rheinufer uͤber Lienburg, Nachſtetten und
das Rheingau vor. Jetzt bleibt man dem ſchoͤnen
Fluß immer nahe, oft iſt die Straße, dem Felſen
abgewonnen, funfzig bis ſechzig Fuß ſenkrecht uͤber
die Waſſerflaͤche erhaben, und von der andern Seite
von eben ſo hohen Felſen begrenzt. Es wird noch
an ihr gearbeitet, auch die Gelaͤnder an der Fluß-
ſeite fehlen noch. Wir begegneten an dem ganzen
Rheinufer hinauf oft franzoͤſiſchen Ingenieurs, die
beim Feldmeſſen beſchaͤftigt waren; auch bei dem
noch thaͤtigen Arbeiten an dem neuen Wege fanden
wir mehrere Aufſicht habende Oſſiciers, deren artiges
Benehmen bei unſern Fragen meinen Dank forderte.
Von Bingen fuͤhrt jetzt der Poſtweg uͤber In-
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Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 398. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/412>, abgerufen am 29.11.2024.
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