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Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811.

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erklärte die milde Absicht des Stifters. Sie war
aber in lateinischer Sprache, diese Inschrift. War
das recht? -- in welcher Sprache sollte sie denn
seyn? -- Deutsch; aber Deutsch! höre ich allge-
sammt rufen. Und dabei fällt mir ein, daß die
Sprache des alten Frankreichs in den neuen De-
partements schon sehr gemein wird. In den kleinen
Städtchen, worin wir Pferde wechselten oder füt-
terten, belustigten mich die Knaben von zehn bis
vierzehn Jahren, die an den Ecken der Gassen in
der neuen Sprache vorkehrten. Die kleinen Tauge-
nichtse nehmen dabei den Gang und die Haltung
des französischen Militärs an, so, daß ich eine
Menge Gedanken darüber hatte. Die alten Fran-
zosen scheinen an dieser Amalgamation noch keinen
großen Glauben zu haben, wie ich bei ein paar
Gelegenheiten wahrnahm. Wie ich bei Kostheim
über den Rhein setzte, hielten mich die Fährleute
sehr lange auf, indeß ich mit der Schildwache sprach,
die -- ich weiß nicht, warum? da stand, denn
das Wachthaus ist bei Cassel. Der Mensch beant-
wortete mir mehrere Fragen über die Belagerung
von Mainz, bei der er gedient hatte, und mir that
das Herz sonderbar weh, wenn er immer auf kahle
Plätze wies, und sagte: da standen Bäume, dort
war ein Bauerhof. -- Die Herren sind etwas lang-
sam, sagte ich endlich auf die Fährleute zeigend,
die, ihre kurzen Pfeifen im Munde, unerschütter-
lich fortkrochen. "Das sind Deutsche, Madame,

erklaͤrte die milde Abſicht des Stifters. Sie war
aber in lateiniſcher Sprache, dieſe Inſchrift. War
das recht? — in welcher Sprache ſollte ſie denn
ſeyn? — Deutſch; aber Deutſch! hoͤre ich allge-
ſammt rufen. Und dabei faͤllt mir ein, daß die
Sprache des alten Frankreichs in den neuen De-
partements ſchon ſehr gemein wird. In den kleinen
Staͤdtchen, worin wir Pferde wechſelten oder fuͤt-
terten, beluſtigten mich die Knaben von zehn bis
vierzehn Jahren, die an den Ecken der Gaſſen in
der neuen Sprache vorkehrten. Die kleinen Tauge-
nichtſe nehmen dabei den Gang und die Haltung
des franzoͤſiſchen Militaͤrs an, ſo, daß ich eine
Menge Gedanken daruͤber hatte. Die alten Fran-
zoſen ſcheinen an dieſer Amalgamation noch keinen
großen Glauben zu haben, wie ich bei ein paar
Gelegenheiten wahrnahm. Wie ich bei Koſtheim
uͤber den Rhein ſetzte, hielten mich die Faͤhrleute
ſehr lange auf, indeß ich mit der Schildwache ſprach,
die — ich weiß nicht, warum? da ſtand, denn
das Wachthaus iſt bei Caſſel. Der Menſch beant-
wortete mir mehrere Fragen uͤber die Belagerung
von Mainz, bei der er gedient hatte, und mir that
das Herz ſonderbar weh, wenn er immer auf kahle
Plaͤtze wies, und ſagte: da ſtanden Baͤume, dort
war ein Bauerhof. — Die Herren ſind etwas lang-
ſam, ſagte ich endlich auf die Faͤhrleute zeigend,
die, ihre kurzen Pfeifen im Munde, unerſchuͤtter-
lich fortkrochen. „Das ſind Deutſche, Madame,

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[397/0411] erklaͤrte die milde Abſicht des Stifters. Sie war aber in lateiniſcher Sprache, dieſe Inſchrift. War das recht? — in welcher Sprache ſollte ſie denn ſeyn? — Deutſch; aber Deutſch! hoͤre ich allge- ſammt rufen. Und dabei faͤllt mir ein, daß die Sprache des alten Frankreichs in den neuen De- partements ſchon ſehr gemein wird. In den kleinen Staͤdtchen, worin wir Pferde wechſelten oder fuͤt- terten, beluſtigten mich die Knaben von zehn bis vierzehn Jahren, die an den Ecken der Gaſſen in der neuen Sprache vorkehrten. Die kleinen Tauge- nichtſe nehmen dabei den Gang und die Haltung des franzoͤſiſchen Militaͤrs an, ſo, daß ich eine Menge Gedanken daruͤber hatte. Die alten Fran- zoſen ſcheinen an dieſer Amalgamation noch keinen großen Glauben zu haben, wie ich bei ein paar Gelegenheiten wahrnahm. Wie ich bei Koſtheim uͤber den Rhein ſetzte, hielten mich die Faͤhrleute ſehr lange auf, indeß ich mit der Schildwache ſprach, die — ich weiß nicht, warum? da ſtand, denn das Wachthaus iſt bei Caſſel. Der Menſch beant- wortete mir mehrere Fragen uͤber die Belagerung von Mainz, bei der er gedient hatte, und mir that das Herz ſonderbar weh, wenn er immer auf kahle Plaͤtze wies, und ſagte: da ſtanden Baͤume, dort war ein Bauerhof. — Die Herren ſind etwas lang- ſam, ſagte ich endlich auf die Faͤhrleute zeigend, die, ihre kurzen Pfeifen im Munde, unerſchuͤtter- lich fortkrochen. „Das ſind Deutſche, Madame,

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Zitationshilfe: Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 397. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/411>, abgerufen am 28.11.2024.