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Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811.

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gen berühmt ist. Diese Mahlerei ist nicht meine
Sache als Kunst, und mir verhaßt, weil sie das
klare Himmelslicht färbt, das mir nie unmittel-
bar genug zukommen kann. -- Ich trat also mit
einem Bischen Laune in die Kirche, sie machte
aber bald der Billigkeit Platz. Ich weiß nicht,
ob man etwas schöneres von Glasmahlerei sehen
kann? Mir schien dieses das schönste, was ich in
mancher alten Kirche aufgesucht hatte. Die Schei-
ben sind alle vollständig, und jedes Fenster ent-
hält noch obendrein das Wappen des Schenkers;
denn diese Gemählde sind alle fromme Stiftungen
einzelner Bürger der Republik. Die Darstellun-
gen sind meistens biblisch, oder doch aus der Kir-
chengeschichte, es laufen sogar einige Wunder mit-
unter, welche in die katholische Kirche gehören,
aber hier unschuldigerweise das Bürgerrecht erwor-
ben haben. Die Anordnung der Figuren ist ganz
so steif und erdrückend, wie es die Art der Dar-
stellung und ihr Zeitalter mit sich bringt; die Kö-
pfe stehen schaarenweise auf einem Plan, und des
Königs Salomon Thron ruht felsenfest auf seiner
Minister Glazen. Die Gewande sind ganz im
Style des Mittelalters, und an keiner Figur auf-
ser dem Gesicht und den Fingerspitzen ein nackter

gen beruͤhmt iſt. Dieſe Mahlerei iſt nicht meine
Sache als Kunſt, und mir verhaßt, weil ſie das
klare Himmelslicht faͤrbt, das mir nie unmittel-
bar genug zukommen kann. — Ich trat alſo mit
einem Bischen Laune in die Kirche, ſie machte
aber bald der Billigkeit Platz. Ich weiß nicht,
ob man etwas ſchoͤneres von Glasmahlerei ſehen
kann? Mir ſchien dieſes das ſchoͤnſte, was ich in
mancher alten Kirche aufgeſucht hatte. Die Schei-
ben ſind alle vollſtaͤndig, und jedes Fenſter ent-
haͤlt noch obendrein das Wappen des Schenkers;
denn dieſe Gemaͤhlde ſind alle fromme Stiftungen
einzelner Buͤrger der Republik. Die Darſtellun-
gen ſind meiſtens bibliſch, oder doch aus der Kir-
chengeſchichte, es laufen ſogar einige Wunder mit-
unter, welche in die katholiſche Kirche gehoͤren,
aber hier unſchuldigerweiſe das Buͤrgerrecht erwor-
ben haben. Die Anordnung der Figuren iſt ganz
ſo ſteif und erdruͤckend, wie es die Art der Dar-
ſtellung und ihr Zeitalter mit ſich bringt; die Koͤ-
pfe ſtehen ſchaarenweiſe auf einem Plan, und des
Koͤnigs Salomon Thron ruht felſenfeſt auf ſeiner
Miniſter Glazen. Die Gewande ſind ganz im
Style des Mittelalters, und an keiner Figur auf-
ſer dem Geſicht und den Fingerſpitzen ein nackter

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[372/0386] gen beruͤhmt iſt. Dieſe Mahlerei iſt nicht meine Sache als Kunſt, und mir verhaßt, weil ſie das klare Himmelslicht faͤrbt, das mir nie unmittel- bar genug zukommen kann. — Ich trat alſo mit einem Bischen Laune in die Kirche, ſie machte aber bald der Billigkeit Platz. Ich weiß nicht, ob man etwas ſchoͤneres von Glasmahlerei ſehen kann? Mir ſchien dieſes das ſchoͤnſte, was ich in mancher alten Kirche aufgeſucht hatte. Die Schei- ben ſind alle vollſtaͤndig, und jedes Fenſter ent- haͤlt noch obendrein das Wappen des Schenkers; denn dieſe Gemaͤhlde ſind alle fromme Stiftungen einzelner Buͤrger der Republik. Die Darſtellun- gen ſind meiſtens bibliſch, oder doch aus der Kir- chengeſchichte, es laufen ſogar einige Wunder mit- unter, welche in die katholiſche Kirche gehoͤren, aber hier unſchuldigerweiſe das Buͤrgerrecht erwor- ben haben. Die Anordnung der Figuren iſt ganz ſo ſteif und erdruͤckend, wie es die Art der Dar- ſtellung und ihr Zeitalter mit ſich bringt; die Koͤ- pfe ſtehen ſchaarenweiſe auf einem Plan, und des Koͤnigs Salomon Thron ruht felſenfeſt auf ſeiner Miniſter Glazen. Die Gewande ſind ganz im Style des Mittelalters, und an keiner Figur auf- ſer dem Geſicht und den Fingerſpitzen ein nackter

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Zitationshilfe: Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 372. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/386>, abgerufen am 24.11.2024.