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Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811.

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Werk kam mir jetzt riesenmäßig vor. Es war bis
auf das obere Verdeck vollendet, hatte also seine
ganze Höhe -- ein Schlagregen, den wir diesen
Morgen schon gehabt hatten, hatte dieses unge-
heure Holzgebäude dunkel gefärbt, und in seiner
schrägen Stellung gegen das Bassin, sah es von
der nächsten Kanalsbrücke wie ein Theil des Arse-
nals aus, der durch ein Erdbeben abgerissen, und
gegen die Tiefe gesenkt wäre. Die Anzahl neu-
gegossener Kanonen, die hier in langen Reihen
bis auf eine weite Strecke neben einander lagen,
schien mir unzählbar. Lavetten, Tauwerk, Anker
waren aufgehäuft auf beiden Seiten, daß ich mich
wie in ein Labyrinth in den Zwischenräumen ver-
lohr, und wohl begriff, daß das Kriegsschiff, was
vorige Woche neugebaut die Maas herabsegelte,
und das, was jetzt seiner Vollendung nahe war,
so wie ein drittes, das so eben auf die Docke ge-
bracht wurde, diese Vorräthe kaum anbräche, viel-
weniger verminderte. Wenn wir Binnenländer
von unsern sparsamen schläfrigen Flußfahrten hie-
her kommen, fangen wir an, die jetzige Niederge-
schlagenheit der seehandelnden Nationen zu begrei-
fen. -- Die vielen hundert Fahrzeuge, die jetzt
hier vor Anker liegen, sind gezwungen, da sie hät-

Werk kam mir jetzt rieſenmaͤßig vor. Es war bis
auf das obere Verdeck vollendet, hatte alſo ſeine
ganze Hoͤhe — ein Schlagregen, den wir dieſen
Morgen ſchon gehabt hatten, hatte dieſes unge-
heure Holzgebaͤude dunkel gefaͤrbt, und in ſeiner
ſchraͤgen Stellung gegen das Baſſin, ſah es von
der naͤchſten Kanalsbruͤcke wie ein Theil des Arſe-
nals aus, der durch ein Erdbeben abgeriſſen, und
gegen die Tiefe geſenkt waͤre. Die Anzahl neu-
gegoſſener Kanonen, die hier in langen Reihen
bis auf eine weite Strecke neben einander lagen,
ſchien mir unzaͤhlbar. Lavetten, Tauwerk, Anker
waren aufgehaͤuft auf beiden Seiten, daß ich mich
wie in ein Labyrinth in den Zwiſchenraͤumen ver-
lohr, und wohl begriff, daß das Kriegsſchiff, was
vorige Woche neugebaut die Maas herabſegelte,
und das, was jetzt ſeiner Vollendung nahe war,
ſo wie ein drittes, das ſo eben auf die Docke ge-
bracht wurde, dieſe Vorraͤthe kaum anbraͤche, viel-
weniger verminderte. Wenn wir Binnenlaͤnder
von unſern ſparſamen ſchlaͤfrigen Flußfahrten hie-
her kommen, fangen wir an, die jetzige Niederge-
ſchlagenheit der ſeehandelnden Nationen zu begrei-
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[365/0379] Werk kam mir jetzt rieſenmaͤßig vor. Es war bis auf das obere Verdeck vollendet, hatte alſo ſeine ganze Hoͤhe — ein Schlagregen, den wir dieſen Morgen ſchon gehabt hatten, hatte dieſes unge- heure Holzgebaͤude dunkel gefaͤrbt, und in ſeiner ſchraͤgen Stellung gegen das Baſſin, ſah es von der naͤchſten Kanalsbruͤcke wie ein Theil des Arſe- nals aus, der durch ein Erdbeben abgeriſſen, und gegen die Tiefe geſenkt waͤre. Die Anzahl neu- gegoſſener Kanonen, die hier in langen Reihen bis auf eine weite Strecke neben einander lagen, ſchien mir unzaͤhlbar. Lavetten, Tauwerk, Anker waren aufgehaͤuft auf beiden Seiten, daß ich mich wie in ein Labyrinth in den Zwiſchenraͤumen ver- lohr, und wohl begriff, daß das Kriegsſchiff, was vorige Woche neugebaut die Maas herabſegelte, und das, was jetzt ſeiner Vollendung nahe war, ſo wie ein drittes, das ſo eben auf die Docke ge- bracht wurde, dieſe Vorraͤthe kaum anbraͤche, viel- weniger verminderte. Wenn wir Binnenlaͤnder von unſern ſparſamen ſchlaͤfrigen Flußfahrten hie- her kommen, fangen wir an, die jetzige Niederge- ſchlagenheit der ſeehandelnden Nationen zu begrei- fen. — Die vielen hundert Fahrzeuge, die jetzt hier vor Anker liegen, ſind gezwungen, da ſie haͤt-

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Zitationshilfe: Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 365. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/379>, abgerufen am 24.11.2024.