Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811.

Bild:
<< vorherige Seite

kennt, und so sieht man heut einen Nachbar fort-
segeln, der sein Haus nach Tornea führt, und mor-
gen früh steht vielieicht ein Nachbar, der vor sechs
Wochen im Tajo wohnte, und einem andern die
Hand bietet, der so eben von dem Völker scheiden-
den Rheinstrom anlangte. Was ist dieses Men-
schenvereinen für eine schöne Seite des Handels! --
Daß dieser Trieb beides so grausam in sich ver-
binden muß, dieses Aufsuchen der fernsten Na-
tionen, weil die Natur ihre Güter weise über den
Erdball vertheilte, und das starre Vereinzeln,
weil der Eigennutz allein am mehrsten zu besitzen
wähnt.

Wenn dieser Anblick in dem jetzigen unglückli-
chen Augenblick, wo aller Handel gelähmt ist, so
reich und mannichfaltig ist, was muß er erst in
ruhigen Zeiten seyn? besonders der des Hafens.
Die Maas ist hier ein breites majestätisches Ge-
wässer, das die schwersten Schiffe in die Kanäle
einführt -- der Hafen von Amsterdam erlaubt das
bekanntlich nicht, sie müssen an dem Pampus er-
leichtert werden, weil er zu seicht ist, geladene
Schiffe zu tragen. -- Die gegenüber liegenden
Ufer haben nichts ausgezeichnetes, sie sind meist
mit Buschwerk geziert, aber so niedrig, daß sie

kennt, und ſo ſieht man heut einen Nachbar fort-
ſegeln, der ſein Haus nach Tornea fuͤhrt, und mor-
gen fruͤh ſteht vielieicht ein Nachbar, der vor ſechs
Wochen im Tajo wohnte, und einem andern die
Hand bietet, der ſo eben von dem Voͤlker ſcheiden-
den Rheinſtrom anlangte. Was iſt dieſes Men-
ſchenvereinen fuͤr eine ſchoͤne Seite des Handels! —
Daß dieſer Trieb beides ſo grauſam in ſich ver-
binden muß, dieſes Aufſuchen der fernſten Na-
tionen, weil die Natur ihre Guͤter weiſe uͤber den
Erdball vertheilte, und das ſtarre Vereinzeln,
weil der Eigennutz allein am mehrſten zu beſitzen
waͤhnt.

Wenn dieſer Anblick in dem jetzigen ungluͤckli-
chen Augenblick, wo aller Handel gelaͤhmt iſt, ſo
reich und mannichfaltig iſt, was muß er erſt in
ruhigen Zeiten ſeyn? beſonders der des Hafens.
Die Maas iſt hier ein breites majeſtaͤtiſches Ge-
waͤſſer, das die ſchwerſten Schiffe in die Kanaͤle
einfuͤhrt — der Hafen von Amſterdam erlaubt das
bekanntlich nicht, ſie muͤſſen an dem Pampus er-
leichtert werden, weil er zu ſeicht iſt, geladene
Schiffe zu tragen. — Die gegenuͤber liegenden
Ufer haben nichts ausgezeichnetes, ſie ſind meiſt
mit Buſchwerk geziert, aber ſo niedrig, daß ſie

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0375" n="361"/>
kennt, und &#x017F;o &#x017F;ieht man heut einen Nachbar fort-<lb/>
&#x017F;egeln, der &#x017F;ein Haus nach Tornea fu&#x0364;hrt, und mor-<lb/>
gen fru&#x0364;h &#x017F;teht vielieicht ein Nachbar, der vor &#x017F;echs<lb/>
Wochen im Tajo wohnte, und einem andern die<lb/>
Hand bietet, der &#x017F;o eben von dem Vo&#x0364;lker &#x017F;cheiden-<lb/>
den Rhein&#x017F;trom anlangte. Was i&#x017F;t die&#x017F;es Men-<lb/>
&#x017F;chenvereinen fu&#x0364;r eine &#x017F;cho&#x0364;ne Seite des Handels! &#x2014;<lb/>
Daß die&#x017F;er Trieb beides &#x017F;o grau&#x017F;am in &#x017F;ich ver-<lb/>
binden muß, die&#x017F;es Auf&#x017F;uchen der fern&#x017F;ten Na-<lb/>
tionen, weil die Natur ihre Gu&#x0364;ter wei&#x017F;e u&#x0364;ber den<lb/>
Erdball vertheilte, und das &#x017F;tarre Vereinzeln,<lb/>
weil der Eigennutz allein am mehr&#x017F;ten zu be&#x017F;itzen<lb/>
wa&#x0364;hnt.</p><lb/>
        <p>Wenn die&#x017F;er Anblick in dem jetzigen unglu&#x0364;ckli-<lb/>
chen Augenblick, wo aller Handel gela&#x0364;hmt i&#x017F;t, &#x017F;o<lb/>
reich und mannichfaltig i&#x017F;t, was muß er er&#x017F;t in<lb/>
ruhigen Zeiten &#x017F;eyn? be&#x017F;onders der des Hafens.<lb/>
Die Maas i&#x017F;t hier ein breites maje&#x017F;ta&#x0364;ti&#x017F;ches Ge-<lb/>
wa&#x0364;&#x017F;&#x017F;er, das die &#x017F;chwer&#x017F;ten Schiffe in die Kana&#x0364;le<lb/>
einfu&#x0364;hrt &#x2014; der Hafen von Am&#x017F;terdam erlaubt das<lb/>
bekanntlich nicht, &#x017F;ie mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en an dem Pampus er-<lb/>
leichtert werden, weil er zu &#x017F;eicht i&#x017F;t, geladene<lb/>
Schiffe zu tragen. &#x2014; Die gegenu&#x0364;ber liegenden<lb/>
Ufer haben nichts ausgezeichnetes, &#x017F;ie &#x017F;ind mei&#x017F;t<lb/>
mit Bu&#x017F;chwerk geziert, aber &#x017F;o niedrig, daß &#x017F;ie<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[361/0375] kennt, und ſo ſieht man heut einen Nachbar fort- ſegeln, der ſein Haus nach Tornea fuͤhrt, und mor- gen fruͤh ſteht vielieicht ein Nachbar, der vor ſechs Wochen im Tajo wohnte, und einem andern die Hand bietet, der ſo eben von dem Voͤlker ſcheiden- den Rheinſtrom anlangte. Was iſt dieſes Men- ſchenvereinen fuͤr eine ſchoͤne Seite des Handels! — Daß dieſer Trieb beides ſo grauſam in ſich ver- binden muß, dieſes Aufſuchen der fernſten Na- tionen, weil die Natur ihre Guͤter weiſe uͤber den Erdball vertheilte, und das ſtarre Vereinzeln, weil der Eigennutz allein am mehrſten zu beſitzen waͤhnt. Wenn dieſer Anblick in dem jetzigen ungluͤckli- chen Augenblick, wo aller Handel gelaͤhmt iſt, ſo reich und mannichfaltig iſt, was muß er erſt in ruhigen Zeiten ſeyn? beſonders der des Hafens. Die Maas iſt hier ein breites majeſtaͤtiſches Ge- waͤſſer, das die ſchwerſten Schiffe in die Kanaͤle einfuͤhrt — der Hafen von Amſterdam erlaubt das bekanntlich nicht, ſie muͤſſen an dem Pampus er- leichtert werden, weil er zu ſeicht iſt, geladene Schiffe zu tragen. — Die gegenuͤber liegenden Ufer haben nichts ausgezeichnetes, ſie ſind meiſt mit Buſchwerk geziert, aber ſo niedrig, daß ſie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/375
Zitationshilfe: Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 361. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/375>, abgerufen am 24.11.2024.