nur die Thurmspitzen der nahgelegenen Orte zei- gen; doch das Leben nah um mich her machte das Ferne verschwinden. Es wehte ein bitter kalter Nordost, bei dem dennoch viele Fahrzeuge den Strom herab, meistens in den Hafen einsegelten. Die Schnelligkeit der Bewegung, die Gewalt, mit welcher das Wasser au den Kiel hinauf gepeitscht ward, die Kunst, mit der das Steuerruder die Strömung zu gewinnen weiß, und das mächtige Element überlistend, schnell ihm zum Trotz unter den Schutz des Steindammes einläuft -- das ist ein herrlicher Anblick! -- und wie neugierig der müßige Zuschauer nun die Ankömmlinge mustert, wie erwartend der Geschäfts- und Handelsmann au den Quai tritt, und in seiner Kunstsprache Nach- richten einsammelt -- natürlich sah ich jetzt nur Fahrzeuge, welche den Fluß herab kamen, wie muß das Schauspiel nicht an Interesse gewinnen, wenn das Meer offen ist. Ich sah ein Schiff an- landen, das Reisende nebst ihren Reisewagen führ- te, und beobachtete mit Vergnügen, mit welcher Leichtigkeit der Wagen aus dem Schiff heraus ge- wunden ward, auf die Anfahrt. Dieses Geschäft kostete nicht die mindeste Anstrengung, er hob sich, und stand auf dem Quai, der doch wohl an die
nur die Thurmſpitzen der nahgelegenen Orte zei- gen; doch das Leben nah um mich her machte das Ferne verſchwinden. Es wehte ein bitter kalter Nordoſt, bei dem dennoch viele Fahrzeuge den Strom herab, meiſtens in den Hafen einſegelten. Die Schnelligkeit der Bewegung, die Gewalt, mit welcher das Waſſer au den Kiel hinauf gepeitſcht ward, die Kunſt, mit der das Steuerruder die Stroͤmung zu gewinnen weiß, und das maͤchtige Element uͤberliſtend, ſchnell ihm zum Trotz unter den Schutz des Steindammes einlaͤuft — das iſt ein herrlicher Anblick! — und wie neugierig der muͤßige Zuſchauer nun die Ankoͤmmlinge muſtert, wie erwartend der Geſchaͤfts- und Handelsmann au den Quai tritt, und in ſeiner Kunſtſprache Nach- richten einſammelt — natuͤrlich ſah ich jetzt nur Fahrzeuge, welche den Fluß herab kamen, wie muß das Schauſpiel nicht an Intereſſe gewinnen, wenn das Meer offen iſt. Ich ſah ein Schiff an- landen, das Reiſende nebſt ihren Reiſewagen fuͤhr- te, und beobachtete mit Vergnuͤgen, mit welcher Leichtigkeit der Wagen aus dem Schiff heraus ge- wunden ward, auf die Anfahrt. Dieſes Geſchaͤft koſtete nicht die mindeſte Anſtrengung, er hob ſich, und ſtand auf dem Quai, der doch wohl an die
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nur die Thurmſpitzen der nahgelegenen Orte zei-
gen; doch das Leben nah um mich her machte das
Ferne verſchwinden. Es wehte ein bitter kalter
Nordoſt, bei dem dennoch viele Fahrzeuge den
Strom herab, meiſtens in den Hafen einſegelten.
Die Schnelligkeit der Bewegung, die Gewalt, mit
welcher das Waſſer au den Kiel hinauf gepeitſcht
ward, die Kunſt, mit der das Steuerruder die
Stroͤmung zu gewinnen weiß, und das maͤchtige
Element uͤberliſtend, ſchnell ihm zum Trotz unter
den Schutz des Steindammes einlaͤuft — das iſt
ein herrlicher Anblick! — und wie neugierig der
muͤßige Zuſchauer nun die Ankoͤmmlinge muſtert,
wie erwartend der Geſchaͤfts- und Handelsmann
au den Quai tritt, und in ſeiner Kunſtſprache Nach-
richten einſammelt — natuͤrlich ſah ich jetzt nur
Fahrzeuge, welche den Fluß herab kamen, wie
muß das Schauſpiel nicht an Intereſſe gewinnen,
wenn das Meer offen iſt. Ich ſah ein Schiff an-
landen, das Reiſende nebſt ihren Reiſewagen fuͤhr-
te, und beobachtete mit Vergnuͤgen, mit welcher
Leichtigkeit der Wagen aus dem Schiff heraus ge-
wunden ward, auf die Anfahrt. Dieſes Geſchaͤft
koſtete nicht die mindeſte Anſtrengung, er hob ſich,
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Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 362. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/376>, abgerufen am 24.11.2024.
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