Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811.

Bild:
<< vorherige Seite

te erst am dritten Tage ihre Rückkehr nach * *
antreten. Da meine Gastfreunde auf keine so
lange Abwesenheit von mir gerechnet hatten, schick-
te ich meine Begleiterin mit ihrem Wagen nach
* * zurück, und wir beiden Weiber, die kranke * *
und ich blieben ganz allein. Wir geben wohl zu
wenig auf die Vortheile Achtung, die uns in zahl-
losen Fällen aus der jetzigen Kultur erwachsen, und
deklamiren nur stets über das Verderbniß das sie
erzeugt. Wir beiden Weiber befanden uns jetzt
ganz allein, von allen Menschen, die durch per-
sönliche Verhältnisse zu unserm Schutze aufgern-
fen waren, auf mehrere Meilen entfernt, ohne
Kenntniß der Landessprache vollkommen sicher und
behaglich an diesem Ort, den wir beide zum ersten
Mal sahen. Man könnte wohl noch hinzu setzen,
daß ein Dutzend Meilen von uns der Feind stand,
und demnach im ganzen Lande kriegerische Bewe-
gungen gemacht wurden. Welche Gewohnheit
von Gesetzmäßigkeit und Sittlichkeit gehört nicht
dazu, um einen so ruhigen Zustand der Gesell-
schaft hervor zu bringen! -- muß nicht, wo er
besteht, einem Haufen Bösen Gelegenheit und
Beispiel genommen seyn? Denke man sich so ver-
einzelt zwei Frauen im funfzehnten Jahrhundert,

te erſt am dritten Tage ihre Ruͤckkehr nach * *
antreten. Da meine Gaſtfreunde auf keine ſo
lange Abweſenheit von mir gerechnet hatten, ſchick-
te ich meine Begleiterin mit ihrem Wagen nach
* * zuruͤck, und wir beiden Weiber, die kranke * *
und ich blieben ganz allein. Wir geben wohl zu
wenig auf die Vortheile Achtung, die uns in zahl-
loſen Faͤllen aus der jetzigen Kultur erwachſen, und
deklamiren nur ſtets uͤber das Verderbniß das ſie
erzeugt. Wir beiden Weiber befanden uns jetzt
ganz allein, von allen Menſchen, die durch per-
ſoͤnliche Verhaͤltniſſe zu unſerm Schutze aufgern-
fen waren, auf mehrere Meilen entfernt, ohne
Kenntniß der Landesſprache vollkommen ſicher und
behaglich an dieſem Ort, den wir beide zum erſten
Mal ſahen. Man koͤnnte wohl noch hinzu ſetzen,
daß ein Dutzend Meilen von uns der Feind ſtand,
und demnach im ganzen Lande kriegeriſche Bewe-
gungen gemacht wurden. Welche Gewohnheit
von Geſetzmaͤßigkeit und Sittlichkeit gehoͤrt nicht
dazu, um einen ſo ruhigen Zuſtand der Geſell-
ſchaft hervor zu bringen! — muß nicht, wo er
beſteht, einem Haufen Boͤſen Gelegenheit und
Beiſpiel genommen ſeyn? Denke man ſich ſo ver-
einzelt zwei Frauen im funfzehnten Jahrhundert,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0308" n="294"/>
te er&#x017F;t am dritten Tage ihre Ru&#x0364;ckkehr nach * *<lb/>
antreten. Da meine Ga&#x017F;tfreunde auf keine &#x017F;o<lb/>
lange Abwe&#x017F;enheit von mir gerechnet hatten, &#x017F;chick-<lb/>
te ich meine Begleiterin mit ihrem Wagen nach<lb/>
* * zuru&#x0364;ck, und wir beiden Weiber, die kranke * *<lb/>
und ich blieben ganz allein. Wir geben wohl zu<lb/>
wenig auf die Vortheile Achtung, die uns in zahl-<lb/>
lo&#x017F;en Fa&#x0364;llen aus der jetzigen Kultur erwach&#x017F;en, und<lb/>
deklamiren nur &#x017F;tets u&#x0364;ber das Verderbniß das &#x017F;ie<lb/>
erzeugt. Wir beiden Weiber befanden uns jetzt<lb/>
ganz allein, von allen Men&#x017F;chen, die durch per-<lb/>
&#x017F;o&#x0364;nliche Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e zu un&#x017F;erm Schutze aufgern-<lb/>
fen waren, auf mehrere Meilen entfernt, ohne<lb/>
Kenntniß der Landes&#x017F;prache vollkommen &#x017F;icher und<lb/>
behaglich an die&#x017F;em Ort, den wir beide zum er&#x017F;ten<lb/>
Mal &#x017F;ahen. Man ko&#x0364;nnte wohl noch hinzu &#x017F;etzen,<lb/>
daß ein Dutzend Meilen von uns der Feind &#x017F;tand,<lb/>
und demnach im ganzen Lande kriegeri&#x017F;che Bewe-<lb/>
gungen gemacht wurden. Welche Gewohnheit<lb/>
von Ge&#x017F;etzma&#x0364;ßigkeit und Sittlichkeit geho&#x0364;rt nicht<lb/>
dazu, um einen &#x017F;o ruhigen Zu&#x017F;tand der Ge&#x017F;ell-<lb/>
&#x017F;chaft hervor zu bringen! &#x2014; muß nicht, wo er<lb/>
be&#x017F;teht, einem Haufen Bo&#x0364;&#x017F;en Gelegenheit und<lb/>
Bei&#x017F;piel genommen &#x017F;eyn? Denke man &#x017F;ich &#x017F;o ver-<lb/>
einzelt zwei Frauen im funfzehnten Jahrhundert,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[294/0308] te erſt am dritten Tage ihre Ruͤckkehr nach * * antreten. Da meine Gaſtfreunde auf keine ſo lange Abweſenheit von mir gerechnet hatten, ſchick- te ich meine Begleiterin mit ihrem Wagen nach * * zuruͤck, und wir beiden Weiber, die kranke * * und ich blieben ganz allein. Wir geben wohl zu wenig auf die Vortheile Achtung, die uns in zahl- loſen Faͤllen aus der jetzigen Kultur erwachſen, und deklamiren nur ſtets uͤber das Verderbniß das ſie erzeugt. Wir beiden Weiber befanden uns jetzt ganz allein, von allen Menſchen, die durch per- ſoͤnliche Verhaͤltniſſe zu unſerm Schutze aufgern- fen waren, auf mehrere Meilen entfernt, ohne Kenntniß der Landesſprache vollkommen ſicher und behaglich an dieſem Ort, den wir beide zum erſten Mal ſahen. Man koͤnnte wohl noch hinzu ſetzen, daß ein Dutzend Meilen von uns der Feind ſtand, und demnach im ganzen Lande kriegeriſche Bewe- gungen gemacht wurden. Welche Gewohnheit von Geſetzmaͤßigkeit und Sittlichkeit gehoͤrt nicht dazu, um einen ſo ruhigen Zuſtand der Geſell- ſchaft hervor zu bringen! — muß nicht, wo er beſteht, einem Haufen Boͤſen Gelegenheit und Beiſpiel genommen ſeyn? Denke man ſich ſo ver- einzelt zwei Frauen im funfzehnten Jahrhundert,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/308
Zitationshilfe: Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/308>, abgerufen am 24.11.2024.