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Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811.

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Stellen gehen Brücken über den Kanal, die bei
Annäherung der Schuits aufgezogen werden. Der
Handgriff ist sehr leicht, die Durchfahrt ist in ein
Paar Minuten geschehen; dennoch sah ich von bei-
den Seiten in den Dörfern einen ganzen Haufen
Menschen sich versammeln, welche, von der Schuit
aufgehalten, noch ehe die Brücke wieder ganz ruhte,
sie betraten, um ihrem Gewerbe nachzugehen.
Die Gasthöfe auf diesem Wege sind äußerst einla-
dend mit ihrem hellen Erdgeschoß mit hohen Fen-
stern, hinter deren großen Spiegelscheiben schneeweis-
se Umhänge mit langen reichen Franzen durchschim-
mern, und vor den Wohnhäusern sitzen überall
in den Abendstunden wohlgekleidete ruhige Men-
schen auf den zierlichen Bänken vor dem Hause,
und trinken ihren Thee. Da wir um zwei Uhr
von Amsterdam abgefahren waren, fanden wir bis
sieben Uhr, wo wir in Marsden ankamen, die
Bürgerklasse und bescheidene Menschen bei ihrem
Vesperbrode im Freien, oder in den kleinen Pa-
villons versammelt, die Reichen saßen Anfangs
noch am zweiten Frühstück, dann an der Mittags-
tafel, die ich nirgends im Freien aufgedeckt sah.

Marsden ist dem Namen nach nur ein Dorf,
ich kenne aber keine deutsche Stadt, die ihm an

Stellen gehen Bruͤcken uͤber den Kanal, die bei
Annaͤherung der Schuits aufgezogen werden. Der
Handgriff iſt ſehr leicht, die Durchfahrt iſt in ein
Paar Minuten geſchehen; dennoch ſah ich von bei-
den Seiten in den Doͤrfern einen ganzen Haufen
Menſchen ſich verſammeln, welche, von der Schuit
aufgehalten, noch ehe die Bruͤcke wieder ganz ruhte,
ſie betraten, um ihrem Gewerbe nachzugehen.
Die Gaſthoͤfe auf dieſem Wege ſind aͤußerſt einla-
dend mit ihrem hellen Erdgeſchoß mit hohen Fen-
ſtern, hinter deren großen Spiegelſcheiben ſchneeweiſ-
ſe Umhaͤnge mit langen reichen Franzen durchſchim-
mern, und vor den Wohnhaͤuſern ſitzen uͤberall
in den Abendſtunden wohlgekleidete ruhige Men-
ſchen auf den zierlichen Baͤnken vor dem Hauſe,
und trinken ihren Thee. Da wir um zwei Uhr
von Amſterdam abgefahren waren, fanden wir bis
ſieben Uhr, wo wir in Marsden ankamen, die
Buͤrgerklaſſe und beſcheidene Menſchen bei ihrem
Veſperbrode im Freien, oder in den kleinen Pa-
villons verſammelt, die Reichen ſaßen Anfangs
noch am zweiten Fruͤhſtuͤck, dann an der Mittags-
tafel, die ich nirgends im Freien aufgedeckt ſah.

Marsden iſt dem Namen nach nur ein Dorf,
ich kenne aber keine deutſche Stadt, die ihm an

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[250/0264] Stellen gehen Bruͤcken uͤber den Kanal, die bei Annaͤherung der Schuits aufgezogen werden. Der Handgriff iſt ſehr leicht, die Durchfahrt iſt in ein Paar Minuten geſchehen; dennoch ſah ich von bei- den Seiten in den Doͤrfern einen ganzen Haufen Menſchen ſich verſammeln, welche, von der Schuit aufgehalten, noch ehe die Bruͤcke wieder ganz ruhte, ſie betraten, um ihrem Gewerbe nachzugehen. Die Gaſthoͤfe auf dieſem Wege ſind aͤußerſt einla- dend mit ihrem hellen Erdgeſchoß mit hohen Fen- ſtern, hinter deren großen Spiegelſcheiben ſchneeweiſ- ſe Umhaͤnge mit langen reichen Franzen durchſchim- mern, und vor den Wohnhaͤuſern ſitzen uͤberall in den Abendſtunden wohlgekleidete ruhige Men- ſchen auf den zierlichen Baͤnken vor dem Hauſe, und trinken ihren Thee. Da wir um zwei Uhr von Amſterdam abgefahren waren, fanden wir bis ſieben Uhr, wo wir in Marsden ankamen, die Buͤrgerklaſſe und beſcheidene Menſchen bei ihrem Veſperbrode im Freien, oder in den kleinen Pa- villons verſammelt, die Reichen ſaßen Anfangs noch am zweiten Fruͤhſtuͤck, dann an der Mittags- tafel, die ich nirgends im Freien aufgedeckt ſah. Marsden iſt dem Namen nach nur ein Dorf, ich kenne aber keine deutſche Stadt, die ihm an

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Zitationshilfe: Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/264>, abgerufen am 24.11.2024.