und beten, daß ein Wetterstrahl dieses vernichtete Gottesebenbild reinige und verzehre! -- Was ist da Almosen? was ist es sie der Armuth entreißen? Dieses verzerrte Gesicht wird nie mehr sich aufrich- ten zum ewigen Lichte -- das Grab allein läutert solche Verderbniß.
An Armenanstalten mangelt es nicht, wohl an wenig Orten wird für die Armuth so reichlich gesorgt, wie in Amsterdam. Die Reichen geben den Armen unglaublich viel Geld, aber das ist alles, was der Reiche in großen Städten thun kann; das schützt vor Verhungern, Erfrieren -- aber es hebt die Armuth nicht, es rettet nicht vor Erniedrigung.
Bis Abcou ist die Amstel sehr breit, -- ich athmete freier auf der schönen Wasserfläche, und blickte sehnsuchtsvoller nach allen denen von den ich getrennt war -- denn mir ist euer Bild und das geistige Umfassen der ganzen Gotteswelt im- mer Eins! Von Abcou fährt man bei beständiger Abwechselung von Dörfern und Landhäusern bis Marsden fort. Der Verkehr ist in dieser Gegend unglaublich groß! -- ist er es jetzt, wo aller Handel niederliegt, was muß er in glücklichern Zeiten seyn? In Dörfern und außerdem an vielen
und beten, daß ein Wetterſtrahl dieſes vernichtete Gottesebenbild reinige und verzehre! — Was iſt da Almoſen? was iſt es ſie der Armuth entreißen? Dieſes verzerrte Geſicht wird nie mehr ſich aufrich- ten zum ewigen Lichte — das Grab allein laͤutert ſolche Verderbniß.
An Armenanſtalten mangelt es nicht, wohl an wenig Orten wird fuͤr die Armuth ſo reichlich geſorgt, wie in Amſterdam. Die Reichen geben den Armen unglaublich viel Geld, aber das iſt alles, was der Reiche in großen Staͤdten thun kann; das ſchuͤtzt vor Verhungern, Erfrieren — aber es hebt die Armuth nicht, es rettet nicht vor Erniedrigung.
Bis Abcou iſt die Amſtel ſehr breit, — ich athmete freier auf der ſchoͤnen Waſſerflaͤche, und blickte ſehnſuchtsvoller nach allen denen von den ich getrennt war — denn mir iſt euer Bild und das geiſtige Umfaſſen der ganzen Gotteswelt im- mer Eins! Von Abcou faͤhrt man bei beſtaͤndiger Abwechſelung von Doͤrfern und Landhaͤuſern bis Marsden fort. Der Verkehr iſt in dieſer Gegend unglaublich groß! — iſt er es jetzt, wo aller Handel niederliegt, was muß er in gluͤcklichern Zeiten ſeyn? In Doͤrfern und außerdem an vielen
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und beten, daß ein Wetterſtrahl dieſes vernichtete
Gottesebenbild reinige und verzehre! — Was iſt
da Almoſen? was iſt es ſie der Armuth entreißen?
Dieſes verzerrte Geſicht wird nie mehr ſich aufrich-
ten zum ewigen Lichte — das Grab allein laͤutert
ſolche Verderbniß.
An Armenanſtalten mangelt es nicht, wohl
an wenig Orten wird fuͤr die Armuth ſo reichlich
geſorgt, wie in Amſterdam. Die Reichen geben
den Armen unglaublich viel Geld, aber das iſt
alles, was der Reiche in großen Staͤdten thun
kann; das ſchuͤtzt vor Verhungern, Erfrieren —
aber es hebt die Armuth nicht, es rettet nicht vor
Erniedrigung.
Bis Abcou iſt die Amſtel ſehr breit, — ich
athmete freier auf der ſchoͤnen Waſſerflaͤche, und
blickte ſehnſuchtsvoller nach allen denen von den
ich getrennt war — denn mir iſt euer Bild und
das geiſtige Umfaſſen der ganzen Gotteswelt im-
mer Eins! Von Abcou faͤhrt man bei beſtaͤndiger
Abwechſelung von Doͤrfern und Landhaͤuſern bis
Marsden fort. Der Verkehr iſt in dieſer Gegend
unglaublich groß! — iſt er es jetzt, wo aller
Handel niederliegt, was muß er in gluͤcklichern
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Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 249. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/263>, abgerufen am 24.11.2024.
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