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Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811.

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raschte sie mich, wie ich auf dem Verdeck umher
ging, und nun vom Schnabel zum Steuer hinab
sehen konnte. Da ergriff mich der Gedanke des
Menschenwerks! nun mahlte ich mir die Auftritte,
zu denen dieses Schiff bestimmt war, nun dachte
ich mir die Jahrhunderte, die verflossen, ehe die-
ses ungeheure Gebäude bis auf jedem Zoll seines
Raumes berechnet, auf dem pfadlosen Ocean se-
geln lernte -- ich dachte mir Agamemnons schön
geschnäbelte Schiffe neben dieser stolzen Wellen-
königin, dachte mir die Schlacht von Salamin,
und den Kampf zu dem dieser Riesenbau bestimmt
ist. -- O ich hätte vieles, vieles darum gegeben,
eine halbe Stunde hier allein bleiben zu dürfen!
ich sah den Mastenwald hinauf nach Osten, und
den Mastenwald hinab, wo die Sonne sank --
und über die trüben Wellen hin, die ihre salzige
Fluth mit dem nahen Ocean verbinden, und ver-
mählte die neuen Bilder meiner Seele mit euerm
Andenken, und dem des theuern Todten, der vor
achtzehn Jahren an eben diesem Platze stand.
Das Kriegsschiff, das er damals in die Wellen
gleiten sah -- welche fremde Meere durchschnitt
es seitdem? wie viel Blut trank es? verschlan-
gen es die Fluthen des Oceans, wie ihn die Fluthen

raſchte ſie mich, wie ich auf dem Verdeck umher
ging, und nun vom Schnabel zum Steuer hinab
ſehen konnte. Da ergriff mich der Gedanke des
Menſchenwerks! nun mahlte ich mir die Auftritte,
zu denen dieſes Schiff beſtimmt war, nun dachte
ich mir die Jahrhunderte, die verfloſſen, ehe die-
ſes ungeheure Gebaͤude bis auf jedem Zoll ſeines
Raumes berechnet, auf dem pfadloſen Ocean ſe-
geln lernte — ich dachte mir Agamemnons ſchoͤn
geſchnaͤbelte Schiffe neben dieſer ſtolzen Wellen-
koͤnigin, dachte mir die Schlacht von Salamin,
und den Kampf zu dem dieſer Rieſenbau beſtimmt
iſt. — O ich haͤtte vieles, vieles darum gegeben,
eine halbe Stunde hier allein bleiben zu duͤrfen!
ich ſah den Maſtenwald hinauf nach Oſten, und
den Maſtenwald hinab, wo die Sonne ſank —
und uͤber die truͤben Wellen hin, die ihre ſalzige
Fluth mit dem nahen Ocean verbinden, und ver-
maͤhlte die neuen Bilder meiner Seele mit euerm
Andenken, und dem des theuern Todten, der vor
achtzehn Jahren an eben dieſem Platze ſtand.
Das Kriegsſchiff, das er damals in die Wellen
gleiten ſah — welche fremde Meere durchſchnitt
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gen es die Fluthen des Oceans, wie ihn die Fluthen

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[151/0165] raſchte ſie mich, wie ich auf dem Verdeck umher ging, und nun vom Schnabel zum Steuer hinab ſehen konnte. Da ergriff mich der Gedanke des Menſchenwerks! nun mahlte ich mir die Auftritte, zu denen dieſes Schiff beſtimmt war, nun dachte ich mir die Jahrhunderte, die verfloſſen, ehe die- ſes ungeheure Gebaͤude bis auf jedem Zoll ſeines Raumes berechnet, auf dem pfadloſen Ocean ſe- geln lernte — ich dachte mir Agamemnons ſchoͤn geſchnaͤbelte Schiffe neben dieſer ſtolzen Wellen- koͤnigin, dachte mir die Schlacht von Salamin, und den Kampf zu dem dieſer Rieſenbau beſtimmt iſt. — O ich haͤtte vieles, vieles darum gegeben, eine halbe Stunde hier allein bleiben zu duͤrfen! ich ſah den Maſtenwald hinauf nach Oſten, und den Maſtenwald hinab, wo die Sonne ſank — und uͤber die truͤben Wellen hin, die ihre ſalzige Fluth mit dem nahen Ocean verbinden, und ver- maͤhlte die neuen Bilder meiner Seele mit euerm Andenken, und dem des theuern Todten, der vor achtzehn Jahren an eben dieſem Platze ſtand. Das Kriegsſchiff, das er damals in die Wellen gleiten ſah — welche fremde Meere durchſchnitt es ſeitdem? wie viel Blut trank es? verſchlan- gen es die Fluthen des Oceans, wie ihn die Fluthen

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Zitationshilfe: Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/165>, abgerufen am 27.11.2024.