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Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811.

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Nachbarschaft der Börse auch eine ganze Reihe
Obstläden, die mich an Kotzebues lebhafte Be-
schreibung des neapolitanischen Obstmarktes erin-
nerten. Solche Früchte sehen wir weder an der
Elbe, noch an der Donau, noch am Rheine, we-
der so schön, noch in dieser Menge und Mannich-
faltigkeit. Bis tief in die Häuser hinein stehen sie
amphitheatralisch aufgeschichtet in dem buntesten
Farbengemisch. Die Ananas mit ihrer stolzen
Krone zu oberst, um den Blick der Vorüberge-
henden zu blenden, dann folgt das ganze Geschlecht
der Melonen, gelbe, grüne, graue, in länglicher
und runder Gestalt, unter ihnen die goldne Frucht
von Portugals und Spaniens Küsten, Orangen,
wie sie der Garten der Hesperiden nur darbot;
nun reihen sich die köstlichsten Weintrauben an --
man ist versucht zu glauben, die Sage von Josua
und Kaleb gründe sich auf sie; Pfirschen von der
schönsten Gattung, Pflaumen jeder Art sind ihre
Nachfolger, und zuletzt stehen artige irdne Ge-
schirre mit Maulbeeren, Erd- und Himbeeren.
Bei diesem Anblick glaubt man unter einem südli-
chen Himmel zu wandeln, und doch sind diese
Früchte zum größten Theil in Treibhäusern, alle
wenigstens in Wärmekasten gezogen. In dieser

Nachbarſchaft der Boͤrſe auch eine ganze Reihe
Obſtlaͤden, die mich an Kotzebues lebhafte Be-
ſchreibung des neapolitaniſchen Obſtmarktes erin-
nerten. Solche Fruͤchte ſehen wir weder an der
Elbe, noch an der Donau, noch am Rheine, we-
der ſo ſchoͤn, noch in dieſer Menge und Mannich-
faltigkeit. Bis tief in die Haͤuſer hinein ſtehen ſie
amphitheatraliſch aufgeſchichtet in dem bunteſten
Farbengemiſch. Die Ananas mit ihrer ſtolzen
Krone zu oberſt, um den Blick der Voruͤberge-
henden zu blenden, dann folgt das ganze Geſchlecht
der Melonen, gelbe, gruͤne, graue, in laͤnglicher
und runder Geſtalt, unter ihnen die goldne Frucht
von Portugals und Spaniens Kuͤſten, Orangen,
wie ſie der Garten der Heſperiden nur darbot;
nun reihen ſich die koͤſtlichſten Weintrauben an —
man iſt verſucht zu glauben, die Sage von Joſua
und Kaleb gruͤnde ſich auf ſie; Pfirſchen von der
ſchoͤnſten Gattung, Pflaumen jeder Art ſind ihre
Nachfolger, und zuletzt ſtehen artige irdne Ge-
ſchirre mit Maulbeeren, Erd- und Himbeeren.
Bei dieſem Anblick glaubt man unter einem ſuͤdli-
chen Himmel zu wandeln, und doch ſind dieſe
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[141/0155] Nachbarſchaft der Boͤrſe auch eine ganze Reihe Obſtlaͤden, die mich an Kotzebues lebhafte Be- ſchreibung des neapolitaniſchen Obſtmarktes erin- nerten. Solche Fruͤchte ſehen wir weder an der Elbe, noch an der Donau, noch am Rheine, we- der ſo ſchoͤn, noch in dieſer Menge und Mannich- faltigkeit. Bis tief in die Haͤuſer hinein ſtehen ſie amphitheatraliſch aufgeſchichtet in dem bunteſten Farbengemiſch. Die Ananas mit ihrer ſtolzen Krone zu oberſt, um den Blick der Voruͤberge- henden zu blenden, dann folgt das ganze Geſchlecht der Melonen, gelbe, gruͤne, graue, in laͤnglicher und runder Geſtalt, unter ihnen die goldne Frucht von Portugals und Spaniens Kuͤſten, Orangen, wie ſie der Garten der Heſperiden nur darbot; nun reihen ſich die koͤſtlichſten Weintrauben an — man iſt verſucht zu glauben, die Sage von Joſua und Kaleb gruͤnde ſich auf ſie; Pfirſchen von der ſchoͤnſten Gattung, Pflaumen jeder Art ſind ihre Nachfolger, und zuletzt ſtehen artige irdne Ge- ſchirre mit Maulbeeren, Erd- und Himbeeren. Bei dieſem Anblick glaubt man unter einem ſuͤdli- chen Himmel zu wandeln, und doch ſind dieſe Fruͤchte zum groͤßten Theil in Treibhaͤuſern, alle wenigſtens in Waͤrmekaſten gezogen. In dieſer

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Zitationshilfe: Huber, Therese: Bemerkungen über Holland aus dem Reisejournal einer deutschen Frau. Leipzig, 1811, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/huber_reisejournal_1811/155>, abgerufen am 24.11.2024.