Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 5. Leipzig, 1710.

Bild:
<< vorherige Seite
Vermischte Gedichte.
Wo bleibt der kluge riß von dem gelobten lande,
Das den Horatius so in die augen stach?
Florette läßt du mich nach dieser carte reisen,
Die Clelia so nett und sinnreich aufgesetzt,
So wirst du mir den weg in einen hafen weisen,
Da mich nach tieffer angst die höchste lust ergetzt.
Mißfällt dir dieser reim; so sey er weggestrichen.
Jch suche keine lust, die dir nicht auch beliebt.
Drum wend' ich mich dahin, wovon ich abgewichen,
Und was dir, Werthes Licht! so viel vergnügen giebt.
Spielt Dison noch den mann? liebt Cimber noch verholen?
Dringt nicht sein heisses ach durch Aramenens brust?
Jst Elieser schon der finstern grufft befohlen?
Wie? oder hebt er sich noch durch den todes-wust?
Was macht Stratonica? Soll ihr Seleucus sterben?
Wird der verräther nicht bey zeiten eingebracht?
Und will Antiochus in stummer glut verderben,
Die sonst auch blöde kühn, und todte lebend macht?
Sinnreicher zeit-vertreib! Glückseelige Florette!
Wie ruhig ist dein stand! wie süß ist dein genieß!
Bald führt Arminius, bald Cimber dich zu bette,
Bald setzt ein schöner traum dich in das paradieß.
Genung! der geist entweicht; er will mich nicht mehr treiben.
Hier hast du meinen brief. Ach richte nicht zu scharff!
Und soll ich künfftig mehr und läugre briefe schreiben;
So gönne, daß ich dir von liebe sagen darff.


Florettens antwort.
JCh will Leandern nur mit flücht'ger feder schreiben,
Weil Berelisens hertz mir etwas flüchtig scheint.
Jch meyn', es war zu schwach, und pflegte bald zu gläuben,
Und darum war sie auch vielleicht der untreu feind.
Wär aber ihre brust nicht allzu weich gewesen,
So dörfften wir auch itzt nicht ihre klagen lesen.
Wohl der, so demnach weiß, wie männer-kreide schreibt,
Und daß der meisten hertz ein wetter-han verbleibt.
Leanders
Vermiſchte Gedichte.
Wo bleibt der kluge riß von dem gelobten lande,
Das den Horatius ſo in die augen ſtach?
Florette laͤßt du mich nach dieſer carte reiſen,
Die Clelia ſo nett und ſinnreich aufgeſetzt,
So wirſt du mir den weg in einen hafen weiſen,
Da mich nach tieffer angſt die hoͤchſte luſt ergetzt.
Mißfaͤllt dir dieſer reim; ſo ſey er weggeſtrichen.
Jch ſuche keine luſt, die dir nicht auch beliebt.
Drum wend’ ich mich dahin, wovon ich abgewichen,
Und was dir, Werthes Licht! ſo viel vergnuͤgen giebt.
Spielt Diſon noch den mann? liebt Cimber noch verholen?
Dringt nicht ſein heiſſes ach durch Aramenens bruſt?
Jſt Elieſer ſchon der finſtern grufft befohlen?
Wie? oder hebt er ſich noch durch den todes-wuſt?
Was macht Stratonica? Soll ihr Seleucus ſterben?
Wird der verraͤther nicht bey zeiten eingebracht?
Und will Antiochus in ſtummer glut verderben,
Die ſonſt auch bloͤde kuͤhn, und todte lebend macht?
Sinnreicher zeit-vertreib! Gluͤckſeelige Florette!
Wie ruhig iſt dein ſtand! wie ſuͤß iſt dein genieß!
Bald fuͤhrt Arminius, bald Cimber dich zu bette,
Bald ſetzt ein ſchoͤner traum dich in das paradieß.
Genung! der geiſt entweicht; er will mich nicht mehr treiben.
Hier haſt du meinen brief. Ach richte nicht zu ſcharff!
Und ſoll ich kuͤnfftig mehr und laͤugre briefe ſchreiben;
So goͤnne, daß ich dir von liebe ſagen darff.


Florettens antwort.
JCh will Leandern nur mit fluͤcht’ger feder ſchreiben,
Weil Bereliſens hertz mir etwas fluͤchtig ſcheint.
Jch meyn’, es war zu ſchwach, und pflegte bald zu glaͤuben,
Und darum war ſie auch vielleicht der untreu feind.
Waͤr aber ihre bruſt nicht allzu weich geweſen,
So doͤrfften wir auch itzt nicht ihre klagen leſen.
Wohl der, ſo demnach weiß, wie maͤnner-kreide ſchreibt,
Und daß der meiſten hertz ein wetter-han verbleibt.
Leanders
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0315" n="313"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#fr">Vermi&#x017F;chte Gedichte.</hi> </fw><lb/>
          <l>Wo bleibt der kluge riß von dem gelobten lande,</l><lb/>
          <l>Das den Horatius &#x017F;o in die augen &#x017F;tach?</l><lb/>
          <l>Florette la&#x0364;ßt du mich nach die&#x017F;er carte rei&#x017F;en,</l><lb/>
          <l>Die Clelia &#x017F;o nett und &#x017F;innreich aufge&#x017F;etzt,</l><lb/>
          <l>So wir&#x017F;t du mir den weg in einen hafen wei&#x017F;en,</l><lb/>
          <l>Da mich nach tieffer ang&#x017F;t die ho&#x0364;ch&#x017F;te lu&#x017F;t ergetzt.</l><lb/>
          <l>Mißfa&#x0364;llt dir die&#x017F;er reim; &#x017F;o &#x017F;ey er wegge&#x017F;trichen.</l><lb/>
          <l>Jch &#x017F;uche keine lu&#x017F;t, die dir nicht auch beliebt.</l><lb/>
          <l>Drum wend&#x2019; ich mich dahin, wovon ich abgewichen,</l><lb/>
          <l>Und was dir, Werthes Licht! &#x017F;o viel vergnu&#x0364;gen giebt.</l><lb/>
          <l>Spielt Di&#x017F;on noch den mann? liebt Cimber noch verholen?</l><lb/>
          <l>Dringt nicht &#x017F;ein hei&#x017F;&#x017F;es ach durch Aramenens bru&#x017F;t?</l><lb/>
          <l>J&#x017F;t Elie&#x017F;er &#x017F;chon der fin&#x017F;tern grufft befohlen?</l><lb/>
          <l>Wie? oder hebt er &#x017F;ich noch durch den todes-wu&#x017F;t?</l><lb/>
          <l>Was macht Stratonica? Soll ihr Seleucus &#x017F;terben?</l><lb/>
          <l>Wird der verra&#x0364;ther nicht bey zeiten eingebracht?</l><lb/>
          <l>Und will Antiochus in &#x017F;tummer glut verderben,</l><lb/>
          <l>Die &#x017F;on&#x017F;t auch blo&#x0364;de ku&#x0364;hn, und todte lebend macht?</l><lb/>
          <l>Sinnreicher zeit-vertreib! Glu&#x0364;ck&#x017F;eelige Florette!</l><lb/>
          <l>Wie ruhig i&#x017F;t dein &#x017F;tand! wie &#x017F;u&#x0364;ß i&#x017F;t dein genieß!</l><lb/>
          <l>Bald fu&#x0364;hrt Arminius, bald Cimber dich zu bette,</l><lb/>
          <l>Bald &#x017F;etzt ein &#x017F;cho&#x0364;ner traum dich in das paradieß.</l><lb/>
          <l>Genung! der gei&#x017F;t entweicht; er will mich nicht mehr treiben.</l><lb/>
          <l>Hier ha&#x017F;t du meinen brief. Ach richte nicht zu &#x017F;charff!</l><lb/>
          <l>Und &#x017F;oll ich ku&#x0364;nfftig mehr und la&#x0364;ugre briefe &#x017F;chreiben;</l><lb/>
          <l>So go&#x0364;nne, daß ich dir von liebe &#x017F;agen darff.</l>
        </lg><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <lg type="poem">
          <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr">Florettens antwort.</hi> </hi> </head><lb/>
          <l><hi rendition="#in">J</hi>Ch will Leandern nur mit flu&#x0364;cht&#x2019;ger feder &#x017F;chreiben,</l><lb/>
          <l>Weil Bereli&#x017F;ens hertz mir etwas flu&#x0364;chtig &#x017F;cheint.</l><lb/>
          <l>Jch meyn&#x2019;, es war zu &#x017F;chwach, und pflegte bald zu gla&#x0364;uben,</l><lb/>
          <l>Und darum war &#x017F;ie auch vielleicht der untreu feind.</l><lb/>
          <l>Wa&#x0364;r aber ihre bru&#x017F;t nicht allzu weich gewe&#x017F;en,</l><lb/>
          <l>So do&#x0364;rfften wir auch itzt nicht ihre klagen le&#x017F;en.</l><lb/>
          <l>Wohl der, &#x017F;o demnach weiß, wie ma&#x0364;nner-kreide &#x017F;chreibt,</l><lb/>
          <l>Und daß der mei&#x017F;ten hertz ein wetter-han verbleibt.</l>
        </lg><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch">Leanders</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[313/0315] Vermiſchte Gedichte. Wo bleibt der kluge riß von dem gelobten lande, Das den Horatius ſo in die augen ſtach? Florette laͤßt du mich nach dieſer carte reiſen, Die Clelia ſo nett und ſinnreich aufgeſetzt, So wirſt du mir den weg in einen hafen weiſen, Da mich nach tieffer angſt die hoͤchſte luſt ergetzt. Mißfaͤllt dir dieſer reim; ſo ſey er weggeſtrichen. Jch ſuche keine luſt, die dir nicht auch beliebt. Drum wend’ ich mich dahin, wovon ich abgewichen, Und was dir, Werthes Licht! ſo viel vergnuͤgen giebt. Spielt Diſon noch den mann? liebt Cimber noch verholen? Dringt nicht ſein heiſſes ach durch Aramenens bruſt? Jſt Elieſer ſchon der finſtern grufft befohlen? Wie? oder hebt er ſich noch durch den todes-wuſt? Was macht Stratonica? Soll ihr Seleucus ſterben? Wird der verraͤther nicht bey zeiten eingebracht? Und will Antiochus in ſtummer glut verderben, Die ſonſt auch bloͤde kuͤhn, und todte lebend macht? Sinnreicher zeit-vertreib! Gluͤckſeelige Florette! Wie ruhig iſt dein ſtand! wie ſuͤß iſt dein genieß! Bald fuͤhrt Arminius, bald Cimber dich zu bette, Bald ſetzt ein ſchoͤner traum dich in das paradieß. Genung! der geiſt entweicht; er will mich nicht mehr treiben. Hier haſt du meinen brief. Ach richte nicht zu ſcharff! Und ſoll ich kuͤnfftig mehr und laͤugre briefe ſchreiben; So goͤnne, daß ich dir von liebe ſagen darff. Florettens antwort. JCh will Leandern nur mit fluͤcht’ger feder ſchreiben, Weil Bereliſens hertz mir etwas fluͤchtig ſcheint. Jch meyn’, es war zu ſchwach, und pflegte bald zu glaͤuben, Und darum war ſie auch vielleicht der untreu feind. Waͤr aber ihre bruſt nicht allzu weich geweſen, So doͤrfften wir auch itzt nicht ihre klagen leſen. Wohl der, ſo demnach weiß, wie maͤnner-kreide ſchreibt, Und daß der meiſten hertz ein wetter-han verbleibt. Leanders

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte05_1710
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte05_1710/315
Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 5. Leipzig, 1710, S. 313. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte05_1710/315>, abgerufen am 28.04.2024.