Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 5. Leipzig, 1710.Leanders aus Schlesien Leanders gegen-antwort. WEr den geschickten kiel so flüchtig weiß zu führen,Zeigt, daß sein hertze nicht gantz unbeweglich sey. Wiewol, Florette läst mehr härt als schwäche spüren, Denn Berelis' und du sind gar nicht einerley. Sie war ein weiches wachs, du wilst dem marmel gleichen; Doch zeit und regen hat auch marmel ausgehölt. Und endlich kan der mensch nicht aller regung weichen, Weil ihn der himmel selbst mit ihrer glut beseelt. Wer allzu leichte glaubt, geht freylich allzu sicher. Die hertzen stimmen nicht stets mit den lippen ein. Die unbedachtsamkeit würckt lauter thränen-tücher, Drum muß der klugheit licht der liebe leitstern seyn. Daß Ariadne sich so bald verlassen schaute, Und ehre, glück und ruh an einen nagel hieng, Das machte, weil sie gleich der blinden regung traute, Und nicht mit der vernunfft vorher zu rathe gieng. Die wahre liebe geht nicht mit verbundnen augen, Sie sucht vor, eh sie liebt, was liebens-würdig ist. Denn läßt einander ihm schon iede dirne taugen, So hat Leander doch ein edler ziel erkiest. Es mag Florettens mund die wetter-häne schelten, Sie wisse gantz genau, wie ihre kreide schreibt, Die welt sey ihrer voll; ich kan es nicht entgelten, Weil mein magnet, wie vor, bey seinem pole bleibt. Läst eine Helena den Menelaus sitzen, Und stöst Semiramis den Ninus in die grufft; So kan doch jener schuld Alcesten nicht beschmitzen, Denn ihre liebe drang biß in die todes-klufft. Das was cometen dräun, den sternen zuzuschreiben Wär allzu ungerecht, und kein erwogner schluß. Mag doch Aeneas falsch, und Theseus untreu bleiben; Deßwegen hält Aruntz und Cimber dennoch fuß. Drum übereil dich nicht, vernünfftige Florette Folg' Aramenen nach und prüfe hertz und sinn. Die tugend ist mein zug, dein witz ist meine kette. Dergleichen fessel wirfft kein kluger leichtlich hin. Du
Leanders aus Schleſien Leanders gegen-antwort. WEr den geſchickten kiel ſo fluͤchtig weiß zu fuͤhren,Zeigt, daß ſein hertze nicht gantz unbeweglich ſey. Wiewol, Florette laͤſt mehr haͤrt als ſchwaͤche ſpuͤren, Denn Berelis’ und du ſind gar nicht einerley. Sie war ein weiches wachs, du wilſt dem marmel gleichen; Doch zeit und regen hat auch marmel ausgehoͤlt. Und endlich kan der menſch nicht aller regung weichen, Weil ihn der himmel ſelbſt mit ihrer glut beſeelt. Wer allzu leichte glaubt, geht freylich allzu ſicher. Die hertzen ſtimmen nicht ſtets mit den lippen ein. Die unbedachtſamkeit wuͤrckt lauter thraͤnen-tuͤcher, Drum muß der klugheit licht der liebe leitſtern ſeyn. Daß Ariadne ſich ſo bald verlaſſen ſchaute, Und ehre, gluͤck und ruh an einen nagel hieng, Das machte, weil ſie gleich der blinden regung traute, Und nicht mit der vernunfft vorher zu rathe gieng. Die wahre liebe geht nicht mit verbundnen augen, Sie ſucht vor, eh ſie liebt, was liebens-wuͤrdig iſt. Denn laͤßt einander ihm ſchon iede dirne taugen, So hat Leander doch ein edler ziel erkieſt. Es mag Florettens mund die wetter-haͤne ſchelten, Sie wiſſe gantz genau, wie ihre kreide ſchreibt, Die welt ſey ihrer voll; ich kan es nicht entgelten, Weil mein magnet, wie vor, bey ſeinem pole bleibt. Laͤſt eine Helena den Menelaus ſitzen, Und ſtoͤſt Semiramis den Ninus in die grufft; So kan doch jener ſchuld Alceſten nicht beſchmitzen, Denn ihre liebe drang biß in die todes-klufft. Das was cometen draͤun, den ſternen zuzuſchreiben Waͤr allzu ungerecht, und kein erwogner ſchluß. Mag doch Aeneas falſch, und Theſeus untreu bleiben; Deßwegen haͤlt Aruntz und Cimber dennoch fuß. Drum uͤbereil dich nicht, vernuͤnfftige Florette Folg’ Aramenen nach und pruͤfe hertz und ſinn. Die tugend iſt mein zug, dein witz iſt meine kette. Dergleichen feſſel wirfft kein kluger leichtlich hin. Du
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0316" n="314"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#fr">Leanders aus Schleſien</hi> </fw><lb/> <lg type="poem"> <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr">Leanders gegen-antwort.</hi> </hi> </head><lb/> <l><hi rendition="#in">W</hi>Er den geſchickten kiel ſo fluͤchtig weiß zu fuͤhren,</l><lb/> <l>Zeigt, daß ſein hertze nicht gantz unbeweglich ſey.</l><lb/> <l>Wiewol, Florette laͤſt mehr haͤrt als ſchwaͤche ſpuͤren,</l><lb/> <l>Denn Berelis’ und du ſind gar nicht einerley.</l><lb/> <l>Sie war ein weiches wachs, du wilſt dem marmel gleichen;</l><lb/> <l>Doch zeit und regen hat auch marmel ausgehoͤlt.</l><lb/> <l>Und endlich kan der menſch nicht aller regung weichen,</l><lb/> <l>Weil ihn der himmel ſelbſt mit ihrer glut beſeelt.</l><lb/> <l>Wer allzu leichte glaubt, geht freylich allzu ſicher.</l><lb/> <l>Die hertzen ſtimmen nicht ſtets mit den lippen ein.</l><lb/> <l>Die unbedachtſamkeit wuͤrckt lauter thraͤnen-tuͤcher,</l><lb/> <l>Drum muß der klugheit licht der liebe leitſtern ſeyn.</l><lb/> <l>Daß Ariadne ſich ſo bald verlaſſen ſchaute,</l><lb/> <l>Und ehre, gluͤck und ruh an einen nagel hieng,</l><lb/> <l>Das machte, weil ſie gleich der blinden regung traute,</l><lb/> <l>Und nicht mit der vernunfft vorher zu rathe gieng.</l><lb/> <l>Die wahre liebe geht nicht mit verbundnen augen,</l><lb/> <l>Sie ſucht vor, eh ſie liebt, was liebens-wuͤrdig iſt.</l><lb/> <l>Denn laͤßt einander ihm ſchon iede dirne taugen,</l><lb/> <l>So hat Leander doch ein edler ziel erkieſt.</l><lb/> <l>Es mag Florettens mund die wetter-haͤne ſchelten,</l><lb/> <l>Sie wiſſe gantz genau, wie ihre kreide ſchreibt,</l><lb/> <l>Die welt ſey ihrer voll; ich kan es nicht entgelten,</l><lb/> <l>Weil mein magnet, wie vor, bey ſeinem pole bleibt.</l><lb/> <l>Laͤſt eine Helena den Menelaus ſitzen,</l><lb/> <l>Und ſtoͤſt Semiramis den Ninus in die grufft;</l><lb/> <l>So kan doch jener ſchuld Alceſten nicht beſchmitzen,</l><lb/> <l>Denn ihre liebe drang biß in die todes-klufft.</l><lb/> <l>Das was cometen draͤun, den ſternen zuzuſchreiben</l><lb/> <l>Waͤr allzu ungerecht, und kein erwogner ſchluß.</l><lb/> <l>Mag doch Aeneas falſch, und Theſeus untreu bleiben;</l><lb/> <l>Deßwegen haͤlt Aruntz und Cimber dennoch fuß.</l><lb/> <l>Drum uͤbereil dich nicht, vernuͤnfftige Florette</l><lb/> <l>Folg’ Aramenen nach und pruͤfe hertz und ſinn.</l><lb/> <l>Die tugend iſt mein zug, dein witz iſt meine kette.</l><lb/> <l>Dergleichen feſſel wirfft kein kluger leichtlich hin.</l><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Du</fw><lb/> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [314/0316]
Leanders aus Schleſien
Leanders gegen-antwort.
WEr den geſchickten kiel ſo fluͤchtig weiß zu fuͤhren,
Zeigt, daß ſein hertze nicht gantz unbeweglich ſey.
Wiewol, Florette laͤſt mehr haͤrt als ſchwaͤche ſpuͤren,
Denn Berelis’ und du ſind gar nicht einerley.
Sie war ein weiches wachs, du wilſt dem marmel gleichen;
Doch zeit und regen hat auch marmel ausgehoͤlt.
Und endlich kan der menſch nicht aller regung weichen,
Weil ihn der himmel ſelbſt mit ihrer glut beſeelt.
Wer allzu leichte glaubt, geht freylich allzu ſicher.
Die hertzen ſtimmen nicht ſtets mit den lippen ein.
Die unbedachtſamkeit wuͤrckt lauter thraͤnen-tuͤcher,
Drum muß der klugheit licht der liebe leitſtern ſeyn.
Daß Ariadne ſich ſo bald verlaſſen ſchaute,
Und ehre, gluͤck und ruh an einen nagel hieng,
Das machte, weil ſie gleich der blinden regung traute,
Und nicht mit der vernunfft vorher zu rathe gieng.
Die wahre liebe geht nicht mit verbundnen augen,
Sie ſucht vor, eh ſie liebt, was liebens-wuͤrdig iſt.
Denn laͤßt einander ihm ſchon iede dirne taugen,
So hat Leander doch ein edler ziel erkieſt.
Es mag Florettens mund die wetter-haͤne ſchelten,
Sie wiſſe gantz genau, wie ihre kreide ſchreibt,
Die welt ſey ihrer voll; ich kan es nicht entgelten,
Weil mein magnet, wie vor, bey ſeinem pole bleibt.
Laͤſt eine Helena den Menelaus ſitzen,
Und ſtoͤſt Semiramis den Ninus in die grufft;
So kan doch jener ſchuld Alceſten nicht beſchmitzen,
Denn ihre liebe drang biß in die todes-klufft.
Das was cometen draͤun, den ſternen zuzuſchreiben
Waͤr allzu ungerecht, und kein erwogner ſchluß.
Mag doch Aeneas falſch, und Theſeus untreu bleiben;
Deßwegen haͤlt Aruntz und Cimber dennoch fuß.
Drum uͤbereil dich nicht, vernuͤnfftige Florette
Folg’ Aramenen nach und pruͤfe hertz und ſinn.
Die tugend iſt mein zug, dein witz iſt meine kette.
Dergleichen feſſel wirfft kein kluger leichtlich hin.
Du
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |