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Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 5. Leipzig, 1710.

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Leanders aus Schlesien
Wenn meine verse nur der schönen schwester taugen,
Und Seladon mich liebt; so bin ich schon vergnügt.


Leander an Floretten, als sie von
ihm einen langen brief verlangt.
DU forderst, Schönes Kind! von mir ein langes schreiben,
Jch aber zweiffle sehr, daß ich es lieffern kan.
Denn wer die poesie so selten pflegt zu treiben,
Der bringt nach vieler müh kaum etwas auf die bahn.
Du hast mir ohne dem die feder längst verschnitten,
Nachdem ich dir nicht mehr von liebe schreiben darff.
Drum ist Leanders kiel noch wohl bey dir gelidten,
So sey ins künfftige nicht gegen ihn so scharff.
Jndessen weil du doch das harte schweigen brechen
Und deinen freund aufs neu mit briefen ehren wilft,
So laß die dornen nicht durch deine rosen stechen,
Damit du allezeit sonst deine schreiben füllst.
Es darff kein Oedipus dir dieses rätzel lösen:
Dein ungemeiner witz geht tieffer als man denckt.
Gieb keinem argwohn platz, dieweil er nur durch bösen
Und nichtigen verdacht die zarte seele kränckt.
Laß eher diesen satz in seiner tieffe stecken,
Wofern er dunckel scheint, und ließ, was klärer ist.
Und darff mein vorwitz sich biß auf dein thun erstrecken,
So sage: was itzund dein kluges auge liest.
Was macht die Clelia? spreugt sie noch durch die Tyber?
Fällt dem Hesiodus kein deutscher dichter ein?
Geht das beschloßne Rom nicht an Porsennen über?
Und wird Aruntius bald in dem hafen seyn?
Will Celer nicht einmal die süße schwermuth lassen?
Schilt Berelisens mund noch auf die untreu los?
Will denn Andronodor die einsamkeit umfassen?
Und macht Herminius nur stille flammen gros?
Was spricht Xenocrates? nennt er die sanfften bande
Der liebe, nach wie vor, ein großes ungemach?
Wo
Leanders aus Schleſien
Wenn meine verſe nur der ſchoͤnen ſchweſter taugen,
Und Seladon mich liebt; ſo bin ich ſchon vergnuͤgt.


Leander an Floretten, als ſie von
ihm einen langen brief verlangt.
DU forderſt, Schoͤnes Kind! von mir ein langes ſchreiben,
Jch aber zweiffle ſehr, daß ich es lieffern kan.
Denn wer die poeſie ſo ſelten pflegt zu treiben,
Der bringt nach vieler muͤh kaum etwas auf die bahn.
Du haſt mir ohne dem die feder laͤngſt verſchnitten,
Nachdem ich dir nicht mehr von liebe ſchreiben darff.
Drum iſt Leanders kiel noch wohl bey dir gelidten,
So ſey ins kuͤnfftige nicht gegen ihn ſo ſcharff.
Jndeſſen weil du doch das harte ſchweigen brechen
Und deinen freund aufs neu mit briefen ehren wilft,
So laß die dornen nicht durch deine roſen ſtechen,
Damit du allezeit ſonſt deine ſchreiben fuͤllſt.
Es darff kein Oedipus dir dieſes raͤtzel loͤſen:
Dein ungemeiner witz geht tieffer als man denckt.
Gieb keinem argwohn platz, dieweil er nur durch boͤſen
Und nichtigen verdacht die zarte ſeele kraͤnckt.
Laß eher dieſen ſatz in ſeiner tieffe ſtecken,
Wofern er dunckel ſcheint, und ließ, was klaͤrer iſt.
Und darff mein vorwitz ſich biß auf dein thun erſtrecken,
So ſage: was itzund dein kluges auge lieſt.
Was macht die Clelia? ſpreugt ſie noch durch die Tyber?
Faͤllt dem Heſiodus kein deutſcher dichter ein?
Geht das beſchloßne Rom nicht an Porſennen uͤber?
Und wird Aruntius bald in dem hafen ſeyn?
Will Celer nicht einmal die ſuͤße ſchwermuth laſſen?
Schilt Bereliſens mund noch auf die untreu los?
Will denn Andronodor die einſamkeit umfaſſen?
Und macht Herminius nur ſtille flammen gros?
Was ſpricht Xenocrates? nennt er die ſanfften bande
Der liebe, nach wie vor, ein großes ungemach?
Wo
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[312/0314] Leanders aus Schleſien Wenn meine verſe nur der ſchoͤnen ſchweſter taugen, Und Seladon mich liebt; ſo bin ich ſchon vergnuͤgt. Leander an Floretten, als ſie von ihm einen langen brief verlangt. DU forderſt, Schoͤnes Kind! von mir ein langes ſchreiben, Jch aber zweiffle ſehr, daß ich es lieffern kan. Denn wer die poeſie ſo ſelten pflegt zu treiben, Der bringt nach vieler muͤh kaum etwas auf die bahn. Du haſt mir ohne dem die feder laͤngſt verſchnitten, Nachdem ich dir nicht mehr von liebe ſchreiben darff. Drum iſt Leanders kiel noch wohl bey dir gelidten, So ſey ins kuͤnfftige nicht gegen ihn ſo ſcharff. Jndeſſen weil du doch das harte ſchweigen brechen Und deinen freund aufs neu mit briefen ehren wilft, So laß die dornen nicht durch deine roſen ſtechen, Damit du allezeit ſonſt deine ſchreiben fuͤllſt. Es darff kein Oedipus dir dieſes raͤtzel loͤſen: Dein ungemeiner witz geht tieffer als man denckt. Gieb keinem argwohn platz, dieweil er nur durch boͤſen Und nichtigen verdacht die zarte ſeele kraͤnckt. Laß eher dieſen ſatz in ſeiner tieffe ſtecken, Wofern er dunckel ſcheint, und ließ, was klaͤrer iſt. Und darff mein vorwitz ſich biß auf dein thun erſtrecken, So ſage: was itzund dein kluges auge lieſt. Was macht die Clelia? ſpreugt ſie noch durch die Tyber? Faͤllt dem Heſiodus kein deutſcher dichter ein? Geht das beſchloßne Rom nicht an Porſennen uͤber? Und wird Aruntius bald in dem hafen ſeyn? Will Celer nicht einmal die ſuͤße ſchwermuth laſſen? Schilt Bereliſens mund noch auf die untreu los? Will denn Andronodor die einſamkeit umfaſſen? Und macht Herminius nur ſtille flammen gros? Was ſpricht Xenocrates? nennt er die ſanfften bande Der liebe, nach wie vor, ein großes ungemach? Wo

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Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 5. Leipzig, 1710, S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte05_1710/314>, abgerufen am 27.04.2024.