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Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 5. Leipzig, 1710.

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Vermischte Gedichte.
Von der verläumdung weg. So ist ein bittrer feind
Uns manchmal nützlicher, als ein geneigter freund.

4.
Die unverdiente schmach versetzet durch ihr stürmen
Des eyfers lauen trieb in eine volle glut:
Denn wenn uns alle welt gewalt und unrecht thut,
Und niemand reden will, die unschuld zu beschirmen;
So nimmt man GOtt allein, der alles sehen kan,
Und unser hertze kennt, zu seinem zeugen an.
5.
Ach! daß wir uns nicht gantz in GOttes schutz begeben
Und in die einsamkeit des sichren felsens fliehn!
So würden wir uns nicht um menschen-trost bemühn,
Und mit den lippen noch an faulen pfützen kleben.
Weil da der lebens-brunn aus offnen fieinen qvillt,
Und den empfundnen durst der dürre seele stillt.
6.
Jndessen läst sich doch die gnade nicht ermüden,
Bis das gemüthe sich ihr völlig übergiebt;
Denn wer aus schwachheit noch die creaturen liebt,
Dem nimmt sie unversehns den äuserlichen frieden,
Und was der arme mensch zu seinem trost erkiest;
Dann sieht der arme mensch, daß alles eitel ist.
7.
Denn giebt er gerne zu, daß ausser GOttes güte
Kein brunn des friedens ist. Dann leidet er, und schreyt
Mit brennnender begierd: O geist der ewigkeit!
Wenn ist es aus mit mir? Wenn werd ich einst die hütte
Des leibes, und der angst des eitlen lebens los?
Ach komm und nimm mich auf in deine frieden-schoos!


Aria
T 3

Vermiſchte Gedichte.
Von der verlaͤumdung weg. So iſt ein bittrer feind
Uns manchmal nuͤtzlicher, als ein geneigter freund.

4.
Die unverdiente ſchmach verſetzet durch ihr ſtuͤrmen
Des eyfers lauen trieb in eine volle glut:
Denn wenn uns alle welt gewalt und unrecht thut,
Und niemand reden will, die unſchuld zu beſchirmen;
So nimmt man GOtt allein, der alles ſehen kan,
Und unſer hertze kennt, zu ſeinem zeugen an.
5.
Ach! daß wir uns nicht gantz in GOttes ſchutz begeben
Und in die einſamkeit des ſichren felſens fliehn!
So wuͤrden wir uns nicht um menſchen-troſt bemuͤhn,
Und mit den lippen noch an faulen pfuͤtzen kleben.
Weil da der lebens-brunn aus offnen fieinen qvillt,
Und den empfundnen durſt der duͤrre ſeele ſtillt.
6.
Jndeſſen laͤſt ſich doch die gnade nicht ermuͤden,
Bis das gemuͤthe ſich ihr voͤllig uͤbergiebt;
Denn wer aus ſchwachheit noch die creaturen liebt,
Dem nimmt ſie unverſehns den aͤuſerlichen frieden,
Und was der arme menſch zu ſeinem troſt erkieſt;
Dann ſieht der arme menſch, daß alles eitel iſt.
7.
Denn giebt er gerne zu, daß auſſer GOttes guͤte
Kein brunn des friedens iſt. Dann leidet er, und ſchreyt
Mit brennnender begierd: O geiſt der ewigkeit!
Wenn iſt es aus mit mir? Wenn werd ich einſt die huͤtte
Des leibes, und der angſt des eitlen lebens los?
Ach komm und nimm mich auf in deine frieden-ſchoos!


Aria
T 3
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[293/0295] Vermiſchte Gedichte. Von der verlaͤumdung weg. So iſt ein bittrer feind Uns manchmal nuͤtzlicher, als ein geneigter freund. 4. Die unverdiente ſchmach verſetzet durch ihr ſtuͤrmen Des eyfers lauen trieb in eine volle glut: Denn wenn uns alle welt gewalt und unrecht thut, Und niemand reden will, die unſchuld zu beſchirmen; So nimmt man GOtt allein, der alles ſehen kan, Und unſer hertze kennt, zu ſeinem zeugen an. 5. Ach! daß wir uns nicht gantz in GOttes ſchutz begeben Und in die einſamkeit des ſichren felſens fliehn! So wuͤrden wir uns nicht um menſchen-troſt bemuͤhn, Und mit den lippen noch an faulen pfuͤtzen kleben. Weil da der lebens-brunn aus offnen fieinen qvillt, Und den empfundnen durſt der duͤrre ſeele ſtillt. 6. Jndeſſen laͤſt ſich doch die gnade nicht ermuͤden, Bis das gemuͤthe ſich ihr voͤllig uͤbergiebt; Denn wer aus ſchwachheit noch die creaturen liebt, Dem nimmt ſie unverſehns den aͤuſerlichen frieden, Und was der arme menſch zu ſeinem troſt erkieſt; Dann ſieht der arme menſch, daß alles eitel iſt. 7. Denn giebt er gerne zu, daß auſſer GOttes guͤte Kein brunn des friedens iſt. Dann leidet er, und ſchreyt Mit brennnender begierd: O geiſt der ewigkeit! Wenn iſt es aus mit mir? Wenn werd ich einſt die huͤtte Des leibes, und der angſt des eitlen lebens los? Ach komm und nimm mich auf in deine frieden-ſchoos! Aria T 3

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Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 5. Leipzig, 1710, S. 293. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte05_1710/295>, abgerufen am 12.05.2024.