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Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 5. Leipzig, 1710.

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Leanders aus Schlesien
Es ist kein eifer da, der unsern muth entzünde,
Man fiegt in langer zeit kaum über eine sünde,
Und also kommen wir auch niemals an das ziel.
Wer in geheimnissen verständig werden will,
Der muß der bosheit wust erst aus dem hertzen räumen;
Allein, so lange wir mit der verleugnung säumen,
Und voll begierden sind, so wird gewiß nichts draus;
Denn GOttes stimm und licht sucht nur ein einsam haus,
Wo alles sauber ist, und keine Teufel schwermen.
Die gröste hinderniß entstehet aus dem lermen,
Den vorwitz, neid und lust im seelen-grunde macht.
Wie herrlich würd' es doch uns allen eingebracht,
Wenn wir uns nach und nach von dem geräusch entfernten,
Und in der strengen zucht den vätern folgen lernten,
Die bis aufs blut gekämpfft, und keine müh gescheut;
So aber darff die lufft der widerwärtigkeit
Nur nicht mehr sanffte gehn, so fallen wir schon nieder,
Und wenden voller angst die zarten augen-lieder
Auf eitlen menschen-trost. Ach! warum stehn wir nicht
Als Helden, derer muth kein sturm der feinde bricht?
Wir würden, hielten wir nur hurtig aus, bald mercken,
Wie wunderbar der HErr sein treues volck zu stärcken
Und zu vertreten weiß. Denn der uns in den streit
Und vor die feinde stellt, die voller grausamkeit
Auf unsre seele gehn, will nicht, daß wir verzagen;
Nein! sondern daß wir sie frisch aus dem felde schlagen;
Und triumphirer seyn. Der ist kein krieges-mann,
Der einen pantzer trängt, wenn er nicht fechten kan.
Es braucht geringe kunst, sich einen Christen nennen,
Und mit dem munde sich zur creutzes-fahn bekennen,
Vor der das hertze flieht. Vor dem altare knien,
Und einen rauhen sack an seine lenden ziehn:
Des jahres sieben mal zu GOttes tische treten,
Und wie viel stunden lang das Pater noster beten:
Durch hunger und durch durst das wilde fleisch castey'n;
Ein feind der gast-gebot und complimenten seyn:
Kein frauenzimmer sehn: den kopff zur erden hengen:
Stets mit der bihel gehn: mit heiligen gefängen
Sich
Leanders aus Schleſien
Es iſt kein eifer da, der unſern muth entzuͤnde,
Man fiegt in langer zeit kaum uͤber eine ſuͤnde,
Und alſo kommen wir auch niemals an das ziel.
Wer in geheimniſſen verſtaͤndig werden will,
Der muß der bosheit wuſt erſt aus dem hertzen raͤumen;
Allein, ſo lange wir mit der verleugnung ſaͤumen,
Und voll begierden ſind, ſo wird gewiß nichts draus;
Denn GOttes ſtimm und licht ſucht nur ein einſam haus,
Wo alles ſauber iſt, und keine Teufel ſchwermen.
Die groͤſte hinderniß entſtehet aus dem lermen,
Den vorwitz, neid und luſt im ſeelen-grunde macht.
Wie herrlich wuͤrd’ es doch uns allen eingebracht,
Wenn wir uns nach und nach von dem geraͤuſch entfernten,
Und in der ſtrengen zucht den vaͤtern folgen lernten,
Die bis aufs blut gekaͤmpfft, und keine muͤh geſcheut;
So aber darff die lufft der widerwaͤrtigkeit
Nur nicht mehr ſanffte gehn, ſo fallen wir ſchon nieder,
Und wenden voller angſt die zarten augen-lieder
Auf eitlen menſchen-troſt. Ach! warum ſtehn wir nicht
Als Helden, derer muth kein ſturm der feinde bricht?
Wir wuͤrden, hielten wir nur hurtig aus, bald mercken,
Wie wunderbar der HErr ſein treues volck zu ſtaͤrcken
Und zu vertreten weiß. Denn der uns in den ſtreit
Und vor die feinde ſtellt, die voller grauſamkeit
Auf unſre ſeele gehn, will nicht, daß wir verzagen;
Nein! ſondern daß wir ſie friſch aus dem felde ſchlagen;
Und triumphirer ſeyn. Der iſt kein krieges-mann,
Der einen pantzer traͤngt, wenn er nicht fechten kan.
Es braucht geringe kunſt, ſich einen Chriſten nennen,
Und mit dem munde ſich zur creutzes-fahn bekennen,
Vor der das hertze flieht. Vor dem altare knien,
Und einen rauhen ſack an ſeine lenden ziehn:
Des jahres ſieben mal zu GOttes tiſche treten,
Und wie viel ſtunden lang das Pater noſter beten:
Durch hunger und durch durſt das wilde fleiſch caſtey’n;
Ein feind der gaſt-gebot und complimenten ſeyn:
Kein frauenzimmer ſehn: den kopff zur erden hengen:
Stets mit der bihel gehn: mit heiligen gefaͤngen
Sich
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[290/0292] Leanders aus Schleſien Es iſt kein eifer da, der unſern muth entzuͤnde, Man fiegt in langer zeit kaum uͤber eine ſuͤnde, Und alſo kommen wir auch niemals an das ziel. Wer in geheimniſſen verſtaͤndig werden will, Der muß der bosheit wuſt erſt aus dem hertzen raͤumen; Allein, ſo lange wir mit der verleugnung ſaͤumen, Und voll begierden ſind, ſo wird gewiß nichts draus; Denn GOttes ſtimm und licht ſucht nur ein einſam haus, Wo alles ſauber iſt, und keine Teufel ſchwermen. Die groͤſte hinderniß entſtehet aus dem lermen, Den vorwitz, neid und luſt im ſeelen-grunde macht. Wie herrlich wuͤrd’ es doch uns allen eingebracht, Wenn wir uns nach und nach von dem geraͤuſch entfernten, Und in der ſtrengen zucht den vaͤtern folgen lernten, Die bis aufs blut gekaͤmpfft, und keine muͤh geſcheut; So aber darff die lufft der widerwaͤrtigkeit Nur nicht mehr ſanffte gehn, ſo fallen wir ſchon nieder, Und wenden voller angſt die zarten augen-lieder Auf eitlen menſchen-troſt. Ach! warum ſtehn wir nicht Als Helden, derer muth kein ſturm der feinde bricht? Wir wuͤrden, hielten wir nur hurtig aus, bald mercken, Wie wunderbar der HErr ſein treues volck zu ſtaͤrcken Und zu vertreten weiß. Denn der uns in den ſtreit Und vor die feinde ſtellt, die voller grauſamkeit Auf unſre ſeele gehn, will nicht, daß wir verzagen; Nein! ſondern daß wir ſie friſch aus dem felde ſchlagen; Und triumphirer ſeyn. Der iſt kein krieges-mann, Der einen pantzer traͤngt, wenn er nicht fechten kan. Es braucht geringe kunſt, ſich einen Chriſten nennen, Und mit dem munde ſich zur creutzes-fahn bekennen, Vor der das hertze flieht. Vor dem altare knien, Und einen rauhen ſack an ſeine lenden ziehn: Des jahres ſieben mal zu GOttes tiſche treten, Und wie viel ſtunden lang das Pater noſter beten: Durch hunger und durch durſt das wilde fleiſch caſtey’n; Ein feind der gaſt-gebot und complimenten ſeyn: Kein frauenzimmer ſehn: den kopff zur erden hengen: Stets mit der bihel gehn: mit heiligen gefaͤngen Sich

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Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 5. Leipzig, 1710, S. 290. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte05_1710/292>, abgerufen am 12.05.2024.