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Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 5. Leipzig, 1710.

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Vermischte Gedichte.
Dann dörfftest du gewiß in kurtzem ungestalter,
Und deiner glieder stoltz schon etwas zahmer seyn.
Bist du geschickt und klug? ach laß es dich nicht düncken.
Denn wer ihm selbst gefällt, gefällt dem himmel nicht.
GOtt, dessen alles ist, läst nur die gnade sincken,
So ist dein hoher sinn ein leuchter ohne licht.
Drum nimm dir nichts voraus. Wer sich den frömmsten nennet,
Und in der heucheley sich selbst bewundern kan,
Den sieht der große GOtt, der das verborgne kennet,
Und nicht betragen wird, stets vor den ärgsten an.
Denn GOttes urtheil geht weit tiefer, als der dünckel
Der blöden sterblichen, die offt der schein betrügt.
Sein scharffes auge dringt in alle hertzens-winckel,
Jn welchen vor der welt manch schalck verborgen liegt.
Sind deine wercke gleich bey menschen hochgeachtet,
So können sie bey GOtt doch wol verworffen seyn.
Wer GOtt den eigen-ruhm zu einem opffer schlachet,
Den wird die ewigkeit mit ehr und ruhm erfreun.
Jst etwas guts an dir; so halt doch andre besser
Und heiliger denn dich. Denn ein gebrochner sinn,
Jn dem die demuth herrscht, steigt über alle schlösser
Und allen eigen-ruhm der pharisäer hin.
Wenn du dich in der welt vor den geringsten schätzest,
Was schadet dir es? nichts: das aber allzu viel,
Wenn du dich auch, o mensch! blos über einen setzest,
Weil GOtt die demuth nur mit friede erönen will.
Wie soltest du nun nicht den stoltzen sinn verdammen,
Der nichts als höllen-angst und marter bringen kan.
Ach überwinde dich, und zünd' ihn durch die flammen
Des Geistes und der reu GOtt als ein opffer an.


Das achte capitel.
MAn darff sein hertze nicht stets auf der zunge tragen:
Ein weiser schleußt die zung' in seinem hertzen ein.
Drum must du, was dich drückt, nicht einem ieden sagen;
Denn dein gewissens-rath kan nur ein frommer seyn.
Ein
Vermiſchte Gedichte.
Dann doͤrffteſt du gewiß in kurtzem ungeſtalter,
Und deiner glieder ſtoltz ſchon etwas zahmer ſeyn.
Biſt du geſchickt und klug? ach laß es dich nicht duͤncken.
Denn wer ihm ſelbſt gefaͤllt, gefaͤllt dem himmel nicht.
GOtt, deſſen alles iſt, laͤſt nur die gnade ſincken,
So iſt dein hoher ſinn ein leuchter ohne licht.
Drum nimm dir nichts voraus. Wer ſich den froͤmmſten nennet,
Und in der heucheley ſich ſelbſt bewundern kan,
Den ſieht der große GOtt, der das verborgne kennet,
Und nicht betragen wird, ſtets vor den aͤrgſten an.
Denn GOttes urtheil geht weit tiefer, als der duͤnckel
Der bloͤden ſterblichen, die offt der ſchein betruͤgt.
Sein ſcharffes auge dringt in alle hertzens-winckel,
Jn welchen vor der welt manch ſchalck verborgen liegt.
Sind deine wercke gleich bey menſchen hochgeachtet,
So koͤnnen ſie bey GOtt doch wol verworffen ſeyn.
Wer GOtt den eigen-ruhm zu einem opffer ſchlachet,
Den wird die ewigkeit mit ehr und ruhm erfreun.
Jſt etwas guts an dir; ſo halt doch andre beſſer
Und heiliger denn dich. Denn ein gebrochner ſinn,
Jn dem die demuth herrſcht, ſteigt uͤber alle ſchloͤſſer
Und allen eigen-ruhm der phariſaͤer hin.
Wenn du dich in der welt vor den geringſten ſchaͤtzeſt,
Was ſchadet dir es? nichts: das aber allzu viel,
Wenn du dich auch, o menſch! blos uͤber einen ſetzeſt,
Weil GOtt die demuth nur mit friede eroͤnen will.
Wie ſolteſt du nun nicht den ſtoltzen ſinn verdammen,
Der nichts als hoͤllen-angſt und marter bringen kan.
Ach uͤberwinde dich, und zuͤnd’ ihn durch die flammen
Des Geiſtes und der reu GOtt als ein opffer an.


Das achte capitel.
MAn darff ſein hertze nicht ſtets auf der zunge tragen:
Ein weiſer ſchleußt die zung’ in ſeinem hertzen ein.
Drum muſt du, was dich druͤckt, nicht einem ieden ſagen;
Denn dein gewiſſens-rath kan nur ein frommer ſeyn.
Ein
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[285/0287] Vermiſchte Gedichte. Dann doͤrffteſt du gewiß in kurtzem ungeſtalter, Und deiner glieder ſtoltz ſchon etwas zahmer ſeyn. Biſt du geſchickt und klug? ach laß es dich nicht duͤncken. Denn wer ihm ſelbſt gefaͤllt, gefaͤllt dem himmel nicht. GOtt, deſſen alles iſt, laͤſt nur die gnade ſincken, So iſt dein hoher ſinn ein leuchter ohne licht. Drum nimm dir nichts voraus. Wer ſich den froͤmmſten nennet, Und in der heucheley ſich ſelbſt bewundern kan, Den ſieht der große GOtt, der das verborgne kennet, Und nicht betragen wird, ſtets vor den aͤrgſten an. Denn GOttes urtheil geht weit tiefer, als der duͤnckel Der bloͤden ſterblichen, die offt der ſchein betruͤgt. Sein ſcharffes auge dringt in alle hertzens-winckel, Jn welchen vor der welt manch ſchalck verborgen liegt. Sind deine wercke gleich bey menſchen hochgeachtet, So koͤnnen ſie bey GOtt doch wol verworffen ſeyn. Wer GOtt den eigen-ruhm zu einem opffer ſchlachet, Den wird die ewigkeit mit ehr und ruhm erfreun. Jſt etwas guts an dir; ſo halt doch andre beſſer Und heiliger denn dich. Denn ein gebrochner ſinn, Jn dem die demuth herrſcht, ſteigt uͤber alle ſchloͤſſer Und allen eigen-ruhm der phariſaͤer hin. Wenn du dich in der welt vor den geringſten ſchaͤtzeſt, Was ſchadet dir es? nichts: das aber allzu viel, Wenn du dich auch, o menſch! blos uͤber einen ſetzeſt, Weil GOtt die demuth nur mit friede eroͤnen will. Wie ſolteſt du nun nicht den ſtoltzen ſinn verdammen, Der nichts als hoͤllen-angſt und marter bringen kan. Ach uͤberwinde dich, und zuͤnd’ ihn durch die flammen Des Geiſtes und der reu GOtt als ein opffer an. Das achte capitel. MAn darff ſein hertze nicht ſtets auf der zunge tragen: Ein weiſer ſchleußt die zung’ in ſeinem hertzen ein. Drum muſt du, was dich druͤckt, nicht einem ieden ſagen; Denn dein gewiſſens-rath kan nur ein frommer ſeyn. Ein

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Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 5. Leipzig, 1710, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte05_1710/287>, abgerufen am 23.11.2024.