Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 5. Leipzig, 1710.

Bild:
<< vorherige Seite
Vermischte Gedichte.
GOtt weiß zu rechter zeit dir alles aufzuschließen;
Denn ihr erleuchter geist hat nichts umsonst gesetzt.


Das sechste capitel.
SO bald der schwache mensch dem hitzigen verlangen
Des blinden fleisches folgt, so geht die unruh an.
Denn hoffart, lust und geitz sind drey vergiffte schlangen,
Vor denen, wo sie sind, kein friede wohnen kan.
Wer aber arm am geist und niedrig am gemüthe,
Nach Christi willen ist, der kommt zur wahren ruh.
Denn solchen dürfftigen wirfft GOttes reiche güte
Den unvergänglichen und sichern frieden zu.
Ein mensch, der sich noch selbst nicht völlig überwunden,
Thut den versuchungen gar schlechten widerstand;
Wenn der begierden macht nur mit ihm angebunden,
So haben sie ihn auch schon wieder in der hand.
Denn wer dem geiste nach nicht satsam zugensmmen,
Und mit dem hertzen noch sehr an dem fleische hengt,
Dem fällt es allzuschwer den lüsten zu entkommen,
Jn deren abgrund er mit vollem zügel sprengt.
Gesetzt, er lasse sich das wort der gnade halten,
So wird er doch betrübt, daß er gehorchen soll.
Ein lauer eifer kan im augenblick erkalten;
Drum wache, kämpff und bet', und überwinde wohl.
Wilst du dich aber nicht in GOttes ordnung schicken,
Und zörnest über dem, das dir im wege steht,
Schlägst du des Geistes joch und sauffte band' in stücken,
Und rennst, wohin dein wunsch und eigner wille geht;
So wirst du bald darauf in dem gewissen fühlen,
Daß eigensinn und lust die schärffsten hencker sind,
Die ärger als ein bär in marck und adern wühlen,
So bald uns ihre list und schmeicheley gewinnt.
Drum bleibt es ausgemacht, daß der, so seinem willen
Und den begierden folgt, den frieden niemals kriegt.
Den aber wird der HErr gewiß mit fried erfüllen,
Wer sich der welt entreißt, und seine lust besiegt.
Flieht
Vermiſchte Gedichte.
GOtt weiß zu rechter zeit dir alles aufzuſchließen;
Denn ihr erleuchter geiſt hat nichts umſonſt geſetzt.


Das ſechſte capitel.
SO bald der ſchwache menſch dem hitzigen verlangen
Des blinden fleiſches folgt, ſo geht die unruh an.
Denn hoffart, luſt und geitz ſind drey vergiffte ſchlangen,
Vor denen, wo ſie ſind, kein friede wohnen kan.
Wer aber arm am geiſt und niedrig am gemuͤthe,
Nach Chriſti willen iſt, der kommt zur wahren ruh.
Denn ſolchen duͤrfftigen wirfft GOttes reiche guͤte
Den unvergaͤnglichen und ſichern frieden zu.
Ein menſch, der ſich noch ſelbſt nicht voͤllig uͤberwunden,
Thut den verſuchungen gar ſchlechten widerſtand;
Wenn der begierden macht nur mit ihm angebunden,
So haben ſie ihn auch ſchon wieder in der hand.
Denn wer dem geiſte nach nicht ſatſam zugensmmen,
Und mit dem hertzen noch ſehr an dem fleiſche hengt,
Dem faͤllt es allzuſchwer den luͤſten zu entkommen,
Jn deren abgrund er mit vollem zuͤgel ſprengt.
Geſetzt, er laſſe ſich das wort der gnade halten,
So wird er doch betruͤbt, daß er gehorchen ſoll.
Ein lauer eifer kan im augenblick erkalten;
Drum wache, kaͤmpff und bet’, und uͤberwinde wohl.
Wilſt du dich aber nicht in GOttes ordnung ſchicken,
Und zoͤrneſt uͤber dem, das dir im wege ſteht,
Schlaͤgſt du des Geiſtes joch und ſauffte band’ in ſtuͤcken,
Und rennſt, wohin dein wunſch und eigner wille geht;
So wirſt du bald darauf in dem gewiſſen fuͤhlen,
Daß eigenſinn und luſt die ſchaͤrffſten hencker ſind,
Die aͤrger als ein baͤr in marck und adern wuͤhlen,
So bald uns ihre liſt und ſchmeicheley gewinnt.
Drum bleibt es ausgemacht, daß der, ſo ſeinem willen
Und den begierden folgt, den frieden niemals kriegt.
Den aber wird der HErr gewiß mit fried erfuͤllen,
Wer ſich der welt entreißt, und ſeine luſt beſiegt.
Flieht
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0285" n="283"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Vermi&#x017F;chte Gedichte.</hi> </fw><lb/>
          <l>GOtt weiß zu rechter zeit dir alles aufzu&#x017F;chließen;</l><lb/>
          <l>Denn ihr erleuchter gei&#x017F;t hat nichts um&#x017F;on&#x017F;t ge&#x017F;etzt.</l>
        </lg><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <lg type="poem">
          <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr">Das &#x017F;ech&#x017F;te capitel.</hi> </hi> </head><lb/>
          <l><hi rendition="#in">S</hi>O bald der &#x017F;chwache men&#x017F;ch dem hitzigen verlangen</l><lb/>
          <l>Des blinden flei&#x017F;ches folgt, &#x017F;o geht die unruh an.</l><lb/>
          <l>Denn hoffart, lu&#x017F;t und geitz &#x017F;ind drey vergiffte &#x017F;chlangen,</l><lb/>
          <l>Vor denen, wo &#x017F;ie &#x017F;ind, kein friede wohnen kan.</l><lb/>
          <l>Wer aber arm am gei&#x017F;t und niedrig am gemu&#x0364;the,</l><lb/>
          <l>Nach Chri&#x017F;ti willen i&#x017F;t, der kommt zur wahren ruh.</l><lb/>
          <l>Denn &#x017F;olchen du&#x0364;rfftigen wirfft GOttes reiche gu&#x0364;te</l><lb/>
          <l>Den unverga&#x0364;nglichen und &#x017F;ichern frieden zu.</l><lb/>
          <l>Ein men&#x017F;ch, der &#x017F;ich noch &#x017F;elb&#x017F;t nicht vo&#x0364;llig u&#x0364;berwunden,</l><lb/>
          <l>Thut den ver&#x017F;uchungen gar &#x017F;chlechten wider&#x017F;tand;</l><lb/>
          <l>Wenn der begierden macht nur mit ihm angebunden,</l><lb/>
          <l>So haben &#x017F;ie ihn auch &#x017F;chon wieder in der hand.</l><lb/>
          <l>Denn wer dem gei&#x017F;te nach nicht &#x017F;at&#x017F;am zugensmmen,</l><lb/>
          <l>Und mit dem hertzen noch &#x017F;ehr an dem flei&#x017F;che hengt,</l><lb/>
          <l>Dem fa&#x0364;llt es allzu&#x017F;chwer den lu&#x0364;&#x017F;ten zu entkommen,</l><lb/>
          <l>Jn deren abgrund er mit vollem zu&#x0364;gel &#x017F;prengt.</l><lb/>
          <l>Ge&#x017F;etzt, er la&#x017F;&#x017F;e &#x017F;ich das wort der gnade halten,</l><lb/>
          <l>So wird er doch betru&#x0364;bt, daß er gehorchen &#x017F;oll.</l><lb/>
          <l>Ein lauer eifer kan im augenblick erkalten;</l><lb/>
          <l>Drum wache, ka&#x0364;mpff und bet&#x2019;, und u&#x0364;berwinde wohl.</l><lb/>
          <l>Wil&#x017F;t du dich aber nicht in GOttes ordnung &#x017F;chicken,</l><lb/>
          <l>Und zo&#x0364;rne&#x017F;t u&#x0364;ber dem, das dir im wege &#x017F;teht,</l><lb/>
          <l>Schla&#x0364;g&#x017F;t du des Gei&#x017F;tes joch und &#x017F;auffte band&#x2019; in &#x017F;tu&#x0364;cken,</l><lb/>
          <l>Und renn&#x017F;t, wohin dein wun&#x017F;ch und eigner wille geht;</l><lb/>
          <l>So wir&#x017F;t du bald darauf in dem gewi&#x017F;&#x017F;en fu&#x0364;hlen,</l><lb/>
          <l>Daß eigen&#x017F;inn und lu&#x017F;t die &#x017F;cha&#x0364;rff&#x017F;ten hencker &#x017F;ind,</l><lb/>
          <l>Die a&#x0364;rger als ein ba&#x0364;r in marck und adern wu&#x0364;hlen,</l><lb/>
          <l>So bald uns ihre li&#x017F;t und &#x017F;chmeicheley gewinnt.</l><lb/>
          <l>Drum bleibt es ausgemacht, daß der, &#x017F;o &#x017F;einem willen</l><lb/>
          <l>Und den begierden folgt, den frieden niemals kriegt.</l><lb/>
          <l>Den aber wird der HErr gewiß mit fried erfu&#x0364;llen,</l><lb/>
          <l>Wer &#x017F;ich der welt entreißt, und &#x017F;eine lu&#x017F;t be&#x017F;iegt.</l><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Flieht</fw><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[283/0285] Vermiſchte Gedichte. GOtt weiß zu rechter zeit dir alles aufzuſchließen; Denn ihr erleuchter geiſt hat nichts umſonſt geſetzt. Das ſechſte capitel. SO bald der ſchwache menſch dem hitzigen verlangen Des blinden fleiſches folgt, ſo geht die unruh an. Denn hoffart, luſt und geitz ſind drey vergiffte ſchlangen, Vor denen, wo ſie ſind, kein friede wohnen kan. Wer aber arm am geiſt und niedrig am gemuͤthe, Nach Chriſti willen iſt, der kommt zur wahren ruh. Denn ſolchen duͤrfftigen wirfft GOttes reiche guͤte Den unvergaͤnglichen und ſichern frieden zu. Ein menſch, der ſich noch ſelbſt nicht voͤllig uͤberwunden, Thut den verſuchungen gar ſchlechten widerſtand; Wenn der begierden macht nur mit ihm angebunden, So haben ſie ihn auch ſchon wieder in der hand. Denn wer dem geiſte nach nicht ſatſam zugensmmen, Und mit dem hertzen noch ſehr an dem fleiſche hengt, Dem faͤllt es allzuſchwer den luͤſten zu entkommen, Jn deren abgrund er mit vollem zuͤgel ſprengt. Geſetzt, er laſſe ſich das wort der gnade halten, So wird er doch betruͤbt, daß er gehorchen ſoll. Ein lauer eifer kan im augenblick erkalten; Drum wache, kaͤmpff und bet’, und uͤberwinde wohl. Wilſt du dich aber nicht in GOttes ordnung ſchicken, Und zoͤrneſt uͤber dem, das dir im wege ſteht, Schlaͤgſt du des Geiſtes joch und ſauffte band’ in ſtuͤcken, Und rennſt, wohin dein wunſch und eigner wille geht; So wirſt du bald darauf in dem gewiſſen fuͤhlen, Daß eigenſinn und luſt die ſchaͤrffſten hencker ſind, Die aͤrger als ein baͤr in marck und adern wuͤhlen, So bald uns ihre liſt und ſchmeicheley gewinnt. Drum bleibt es ausgemacht, daß der, ſo ſeinem willen Und den begierden folgt, den frieden niemals kriegt. Den aber wird der HErr gewiß mit fried erfuͤllen, Wer ſich der welt entreißt, und ſeine luſt beſiegt. Flieht

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte05_1710
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte05_1710/285
Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 5. Leipzig, 1710, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte05_1710/285>, abgerufen am 12.05.2024.