Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 5. Leipzig, 1710.Leanders aus Schlesien 12. Wie bald vergeht der ruhm, den uns die welt gegeben:Ach hättest du so gut gelebt, als disputirt, So spräche man mit recht: Er hatte wohl studirt. Denn wie viel menschen sind, die nach dem schatten streben, Und in der nichtigkeit der eitlen kunst vergehn. GOtt läst sich nur durch lieb' und tiefe demuth finden; Sie aber suchen sich durch klugheit zu erhöhn, Bis sie mit ihrem wahn, als wie ein rauch, verschwinden. 13. Der ist alleine groß, wer nicht nach ehre trachtet,Klein in ihm selber ist, und große liebe weist. Der ist ein kluger geist, der das, was irdisch heißt, Und nur das fleisch ergetzt, vor koth und treber achtet, Weil er sonst keinen schatz, als JEsum, liebt und sucht. Und wer des HErren wort vor seine beste speise Jn seinem leben hält, den eigensinn verflucht, Und GOtt gehorchen lernt, der ist wahrhafftig weise. Das vierte capitel. NJmm dich genau in acht! man muß nicht alles glauben,Was der gemeine ruff von unserm nächsten spricht. Die spinne setzt ihr gifft auch auf die reinsten trauben. Wer kennt den leichten sinn des frechen volckes nicht? Drum siehe dich wohl vor, und denck an GOttes willen, Der dich zur lieb ermahnt, und nicht zum richter macht: Denn ob die wenigsten gleich sein gebot erfüllen, So gieb doch, weil du kanst, der schwachheit gute nacht. Wo das nur schwachheit ist, wenn eine böse sage Vom nächsten, mehr bey uns, als eine gute gilt. Leg alles, was du hörst, bedachtsam auf die wage, Und wisse, daß man offt die unschuld selber schilt. Du must dem bruder nicht sein wort zu poltzen drehen. Der Liebe mantel deckt viel solche fehler zu. Was
Leanders aus Schleſien 12. Wie bald vergeht der ruhm, den uns die welt gegeben:Ach haͤtteſt du ſo gut gelebt, als diſputirt, So ſpraͤche man mit recht: Er hatte wohl ſtudirt. Denn wie viel menſchen ſind, die nach dem ſchatten ſtreben, Und in der nichtigkeit der eitlen kunſt vergehn. GOtt laͤſt ſich nur durch lieb’ und tiefe demuth finden; Sie aber ſuchen ſich durch klugheit zu erhoͤhn, Bis ſie mit ihrem wahn, als wie ein rauch, verſchwinden. 13. Der iſt alleine groß, wer nicht nach ehre trachtet,Klein in ihm ſelber iſt, und große liebe weiſt. Der iſt ein kluger geiſt, der das, was irdiſch heißt, Und nur das fleiſch ergetzt, vor koth und treber achtet, Weil er ſonſt keinen ſchatz, als JEſum, liebt und ſucht. Und wer des HErren wort vor ſeine beſte ſpeiſe Jn ſeinem leben haͤlt, den eigenſinn verflucht, Und GOtt gehorchen lernt, der iſt wahrhafftig weiſe. Das vierte capitel. NJmm dich genau in acht! man muß nicht alles glauben,Was der gemeine ruff von unſerm naͤchſten ſpricht. Die ſpinne ſetzt ihr gifft auch auf die reinſten trauben. Wer kennt den leichten ſinn des frechen volckes nicht? Drum ſiehe dich wohl vor, und denck an GOttes willen, Der dich zur lieb ermahnt, und nicht zum richter macht: Denn ob die wenigſten gleich ſein gebot erfuͤllen, So gieb doch, weil du kanſt, der ſchwachheit gute nacht. Wo das nur ſchwachheit iſt, wenn eine boͤſe ſage Vom naͤchſten, mehr bey uns, als eine gute gilt. Leg alles, was du hoͤrſt, bedachtſam auf die wage, Und wiſſe, daß man offt die unſchuld ſelber ſchilt. Du muſt dem bruder nicht ſein wort zu poltzen drehen. Der Liebe mantel deckt viel ſolche fehler zu. Was
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0282" n="280"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Leanders aus Schleſien</hi> </fw><lb/> <lg n="12"> <head> <hi rendition="#c">12.</hi> </head><lb/> <l>Wie bald vergeht der ruhm, den uns die welt gegeben:</l><lb/> <l>Ach haͤtteſt du ſo gut gelebt, als diſputirt,</l><lb/> <l>So ſpraͤche man mit recht: Er hatte wohl ſtudirt.</l><lb/> <l>Denn wie viel menſchen ſind, die nach dem ſchatten ſtreben,</l><lb/> <l>Und in der nichtigkeit der eitlen kunſt vergehn.</l><lb/> <l>GOtt laͤſt ſich nur durch lieb’ und tiefe demuth finden;</l><lb/> <l>Sie aber ſuchen ſich durch klugheit zu erhoͤhn,</l><lb/> <l>Bis ſie mit ihrem wahn, als wie ein rauch, verſchwinden.</l> </lg><lb/> <lg n="13"> <head> <hi rendition="#c">13.</hi> </head><lb/> <l>Der iſt alleine groß, wer nicht nach ehre trachtet,</l><lb/> <l>Klein in ihm ſelber iſt, und große liebe weiſt.</l><lb/> <l>Der iſt ein kluger geiſt, der das, was irdiſch heißt,</l><lb/> <l>Und nur das fleiſch ergetzt, vor koth und treber achtet,</l><lb/> <l>Weil er ſonſt keinen ſchatz, als JEſum, liebt und ſucht.</l><lb/> <l>Und wer des HErren wort vor ſeine beſte ſpeiſe</l><lb/> <l>Jn ſeinem leben haͤlt, den eigenſinn verflucht,</l><lb/> <l>Und GOtt gehorchen lernt, der iſt wahrhafftig weiſe.</l> </lg> </lg><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <lg type="poem"> <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr">Das vierte capitel.</hi> </hi> </head><lb/> <l><hi rendition="#in">N</hi>Jmm dich genau in acht! man muß nicht alles glauben,</l><lb/> <l>Was der gemeine ruff von unſerm naͤchſten ſpricht.</l><lb/> <l>Die ſpinne ſetzt ihr gifft auch auf die reinſten trauben.</l><lb/> <l>Wer kennt den leichten ſinn des frechen volckes nicht?</l><lb/> <l>Drum ſiehe dich wohl vor, und denck an GOttes willen,</l><lb/> <l>Der dich zur lieb ermahnt, und nicht zum richter macht:</l><lb/> <l>Denn ob die wenigſten gleich ſein gebot erfuͤllen,</l><lb/> <l>So gieb doch, weil du kanſt, der ſchwachheit gute nacht.</l><lb/> <l>Wo das nur ſchwachheit iſt, wenn eine boͤſe ſage</l><lb/> <l>Vom naͤchſten, mehr bey uns, als eine gute gilt.</l><lb/> <l>Leg alles, was du hoͤrſt, bedachtſam auf die wage,</l><lb/> <l>Und wiſſe, daß man offt die unſchuld ſelber ſchilt.</l><lb/> <l>Du muſt dem bruder nicht ſein wort zu poltzen drehen.</l><lb/> <l>Der Liebe mantel deckt viel ſolche fehler zu.</l><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Was</fw><lb/> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [280/0282]
Leanders aus Schleſien
12.
Wie bald vergeht der ruhm, den uns die welt gegeben:
Ach haͤtteſt du ſo gut gelebt, als diſputirt,
So ſpraͤche man mit recht: Er hatte wohl ſtudirt.
Denn wie viel menſchen ſind, die nach dem ſchatten ſtreben,
Und in der nichtigkeit der eitlen kunſt vergehn.
GOtt laͤſt ſich nur durch lieb’ und tiefe demuth finden;
Sie aber ſuchen ſich durch klugheit zu erhoͤhn,
Bis ſie mit ihrem wahn, als wie ein rauch, verſchwinden.
13.
Der iſt alleine groß, wer nicht nach ehre trachtet,
Klein in ihm ſelber iſt, und große liebe weiſt.
Der iſt ein kluger geiſt, der das, was irdiſch heißt,
Und nur das fleiſch ergetzt, vor koth und treber achtet,
Weil er ſonſt keinen ſchatz, als JEſum, liebt und ſucht.
Und wer des HErren wort vor ſeine beſte ſpeiſe
Jn ſeinem leben haͤlt, den eigenſinn verflucht,
Und GOtt gehorchen lernt, der iſt wahrhafftig weiſe.
Das vierte capitel.
NJmm dich genau in acht! man muß nicht alles glauben,
Was der gemeine ruff von unſerm naͤchſten ſpricht.
Die ſpinne ſetzt ihr gifft auch auf die reinſten trauben.
Wer kennt den leichten ſinn des frechen volckes nicht?
Drum ſiehe dich wohl vor, und denck an GOttes willen,
Der dich zur lieb ermahnt, und nicht zum richter macht:
Denn ob die wenigſten gleich ſein gebot erfuͤllen,
So gieb doch, weil du kanſt, der ſchwachheit gute nacht.
Wo das nur ſchwachheit iſt, wenn eine boͤſe ſage
Vom naͤchſten, mehr bey uns, als eine gute gilt.
Leg alles, was du hoͤrſt, bedachtſam auf die wage,
Und wiſſe, daß man offt die unſchuld ſelber ſchilt.
Du muſt dem bruder nicht ſein wort zu poltzen drehen.
Der Liebe mantel deckt viel ſolche fehler zu.
Was
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |