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Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 5. Leipzig, 1710.

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Leanders aus Schlesien
Denn küsse, die zu uns durch winde kommen sind,
Sind auch sonst nichts als lauter wind.

4.
Drum flieht, ihr phantasien!
Ein weiser sinn hengt keinen grillen nach:
Denn die vernunfft heißt allgemach
Der sorgen dampff vor ihrem lichte fliehen.
Sie zeigt, daß die geduld auch bey den dornen lacht,
Und aus den tagen stunden macht.


Von seiner mit ehr-furcht ver-
knüpfften liebe.
DEr Garamanten brunn hat diese wunder-krafft,
Daß er bey nachte zu gefrieren,
Des tages aber recht zu brennen pflegt.
Jn mir läst sich was ungemeines spüren,
Weil meine brust zugleich so hitz als kälte trägt;
Denn ich wüste keine stunden,
Seit dem ich Sylvien erblickt,
Und ihre majestät und schönheit mich entzückt,
Daß ich nicht heisse lieb und kalte furcht empfunden.


Auf eine von ihr getödete biene.
ALs unlängst eine zarte biene
Die schöne Sylvia auf ihre lippen stach,
Und nun begriffen war sich weiter zu begeben,
So folgt ihr Sylviens erzörnter finger nach,
Und brachte sie durch einen druck ums leben.
Doch allzuwohl vergoltner stich!
Wer wäre glücklicher als ich?
Wenn ich von ihr dergleichen gunst erwürbe,
Und also an der thür des paradieses stürbe.
Die

Leanders aus Schleſien
Denn kuͤſſe, die zu uns durch winde kommen ſind,
Sind auch ſonſt nichts als lauter wind.

4.
Drum flieht, ihr phantaſien!
Ein weiſer ſinn hengt keinen grillen nach:
Denn die vernunfft heißt allgemach
Der ſorgen dampff vor ihrem lichte fliehen.
Sie zeigt, daß die geduld auch bey den dornen lacht,
Und aus den tagen ſtunden macht.


Von ſeiner mit ehr-furcht ver-
knuͤpfften liebe.
DEr Garamanten brunn hat dieſe wunder-krafft,
Daß er bey nachte zu gefrieren,
Des tages aber recht zu brennen pflegt.
Jn mir laͤſt ſich was ungemeines ſpuͤren,
Weil meine bruſt zugleich ſo hitz als kaͤlte traͤgt;
Denn ich wuͤſte keine ſtunden,
Seit dem ich Sylvien erblickt,
Und ihre majeſtaͤt und ſchoͤnheit mich entzuͤckt,
Daß ich nicht heiſſe lieb und kalte furcht empfunden.


Auf eine von ihr getoͤdete biene.
ALs unlaͤngſt eine zarte biene
Die ſchoͤne Sylvia auf ihre lippen ſtach,
Und nun begriffen war ſich weiter zu begeben,
So folgt ihr Sylviens erzoͤrnter finger nach,
Und brachte ſie durch einen druck ums leben.
Doch allzuwohl vergoltner ſtich!
Wer waͤre gluͤcklicher als ich?
Wenn ich von ihr dergleichen gunſt erwuͤrbe,
Und alſo an der thuͤr des paradieſes ſtuͤrbe.
Die
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[270/0272] Leanders aus Schleſien Denn kuͤſſe, die zu uns durch winde kommen ſind, Sind auch ſonſt nichts als lauter wind. 4. Drum flieht, ihr phantaſien! Ein weiſer ſinn hengt keinen grillen nach: Denn die vernunfft heißt allgemach Der ſorgen dampff vor ihrem lichte fliehen. Sie zeigt, daß die geduld auch bey den dornen lacht, Und aus den tagen ſtunden macht. Von ſeiner mit ehr-furcht ver- knuͤpfften liebe. DEr Garamanten brunn hat dieſe wunder-krafft, Daß er bey nachte zu gefrieren, Des tages aber recht zu brennen pflegt. Jn mir laͤſt ſich was ungemeines ſpuͤren, Weil meine bruſt zugleich ſo hitz als kaͤlte traͤgt; Denn ich wuͤſte keine ſtunden, Seit dem ich Sylvien erblickt, Und ihre majeſtaͤt und ſchoͤnheit mich entzuͤckt, Daß ich nicht heiſſe lieb und kalte furcht empfunden. Auf eine von ihr getoͤdete biene. ALs unlaͤngſt eine zarte biene Die ſchoͤne Sylvia auf ihre lippen ſtach, Und nun begriffen war ſich weiter zu begeben, So folgt ihr Sylviens erzoͤrnter finger nach, Und brachte ſie durch einen druck ums leben. Doch allzuwohl vergoltner ſtich! Wer waͤre gluͤcklicher als ich? Wenn ich von ihr dergleichen gunſt erwuͤrbe, Und alſo an der thuͤr des paradieſes ſtuͤrbe. Die

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Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 5. Leipzig, 1710, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte05_1710/272>, abgerufen am 23.11.2024.