Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 5. Leipzig, 1710.

Bild:
<< vorherige Seite
Leanders aus Schlesien
Die mir und dir die fessel angelegt.
Doch mein verhängniß will dir nicht in allem gleichen,
Dieweil dein lied die Sylvia bewegt;
So singest du und lebst, ich sing' und muß erbleichen.


Sein sehen bringt ihm den tod.
SChau ich dich nicht, mein Leben!
So ist mein ende da:
Und schau ich dich, du kalte Sylvia!
So muß ich doch den geist aufgeben,
Denn deine grausamkeit erbarmt sich keiner noth.
Elender lohn, den lieb und treu verspricht!
Jch schau mein Leben oder nicht;
So küsset mich der kalte tod.


Als sie ihn fragte: Warum er so
blaß wäre?
LIsette! wilt du wissen,
Warum mein wange denn so blasse farbe führt?
So darffst du nur die liebe fragen;
Denn diese wird dir sagen:
Daß das feuer, so den demant deiner hellen augen ziert,
Mein hertze schon durchaus verzehret,
Davon die asche mir itzt ins gesichte fähret.


Er giebt ihr sein mitleiden zu er-
kennen.
SO weinest du? ach ja, du weinst, mein Leben!
Und ich, ich selber wein', und muß in ängsten schweben;
Denn deine wehmuth dringt in meiner adern blut:
Wiewol sie redet nicht; Doch wilst du sie verstehn?
So
Leanders aus Schleſien
Die mir und dir die feſſel angelegt.
Doch mein verhaͤngniß will dir nicht in allem gleichen,
Dieweil dein lied die Sylvia bewegt;
So ſingeſt du und lebſt, ich ſing’ und muß erbleichen.


Sein ſehen bringt ihm den tod.
SChau ich dich nicht, mein Leben!
So iſt mein ende da:
Und ſchau ich dich, du kalte Sylvia!
So muß ich doch den geiſt aufgeben,
Denn deine grauſamkeit erbarmt ſich keiner noth.
Elender lohn, den lieb und treu verſpricht!
Jch ſchau mein Leben oder nicht;
So kuͤſſet mich der kalte tod.


Als ſie ihn fragte: Warum er ſo
blaß waͤre?
LIſette! wilt du wiſſen,
Warum mein wange denn ſo blaſſe farbe fuͤhrt?
So darffſt du nur die liebe fragen;
Denn dieſe wird dir ſagen:
Daß das feuer, ſo den demant deiner hellen augen ziert,
Mein hertze ſchon durchaus verzehret,
Davon die aſche mir itzt ins geſichte faͤhret.


Er giebt ihr ſein mitleiden zu er-
kennen.
SO weineſt du? ach ja, du weinſt, mein Leben!
Und ich, ich ſelber wein’, und muß in aͤngſten ſchweben;
Denn deine wehmuth dringt in meiner adern blut:
Wiewol ſie redet nicht; Doch wilſt du ſie verſtehn?
So
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0264" n="262"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Leanders aus Schle&#x017F;ien</hi> </fw><lb/>
            <l>Die mir und dir die fe&#x017F;&#x017F;el angelegt.</l><lb/>
            <l>Doch mein verha&#x0364;ngniß will dir nicht in allem gleichen,</l><lb/>
            <l>Dieweil dein lied die Sylvia bewegt;</l><lb/>
            <l>So &#x017F;inge&#x017F;t du und leb&#x017F;t, ich &#x017F;ing&#x2019; und muß erbleichen.</l>
          </lg><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <lg type="poem">
            <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr">Sein &#x017F;ehen bringt ihm den tod.</hi> </hi> </head><lb/>
            <l><hi rendition="#in">S</hi>Chau ich dich nicht, mein Leben!</l><lb/>
            <l>So i&#x017F;t mein ende da:</l><lb/>
            <l>Und &#x017F;chau ich dich, du kalte Sylvia!</l><lb/>
            <l>So muß ich doch den gei&#x017F;t aufgeben,</l><lb/>
            <l>Denn deine grau&#x017F;amkeit erbarmt &#x017F;ich keiner noth.</l><lb/>
            <l>Elender lohn, den lieb und treu ver&#x017F;pricht!</l><lb/>
            <l>Jch &#x017F;chau mein Leben oder nicht;</l><lb/>
            <l>So ku&#x0364;&#x017F;&#x017F;et mich der kalte tod.</l>
          </lg><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <lg type="poem">
            <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr">Als &#x017F;ie ihn fragte: Warum er &#x017F;o<lb/>
blaß wa&#x0364;re?</hi> </hi> </head><lb/>
            <l><hi rendition="#in">L</hi>I&#x017F;ette! wilt du wi&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
            <l>Warum mein wange denn &#x017F;o bla&#x017F;&#x017F;e farbe fu&#x0364;hrt?</l><lb/>
            <l>So darff&#x017F;t du nur die liebe fragen;</l><lb/>
            <l>Denn die&#x017F;e wird dir &#x017F;agen:</l><lb/>
            <l>Daß das feuer, &#x017F;o den demant deiner hellen augen ziert,</l><lb/>
            <l>Mein hertze &#x017F;chon durchaus verzehret,</l><lb/>
            <l>Davon die a&#x017F;che mir itzt ins ge&#x017F;ichte fa&#x0364;hret.</l>
          </lg><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <lg type="poem">
            <head> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr">Er giebt ihr &#x017F;ein mitleiden zu er-<lb/>
kennen.</hi> </hi> </head><lb/>
            <l><hi rendition="#in">S</hi>O weine&#x017F;t du? ach ja, du wein&#x017F;t, mein Leben!</l><lb/>
            <l>Und ich, ich &#x017F;elber wein&#x2019;, und muß in a&#x0364;ng&#x017F;ten &#x017F;chweben;</l><lb/>
            <l>Denn deine wehmuth dringt in meiner adern blut:</l><lb/>
            <l>Wiewol &#x017F;ie redet nicht; Doch wil&#x017F;t du &#x017F;ie ver&#x017F;tehn?</l><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">So</fw><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[262/0264] Leanders aus Schleſien Die mir und dir die feſſel angelegt. Doch mein verhaͤngniß will dir nicht in allem gleichen, Dieweil dein lied die Sylvia bewegt; So ſingeſt du und lebſt, ich ſing’ und muß erbleichen. Sein ſehen bringt ihm den tod. SChau ich dich nicht, mein Leben! So iſt mein ende da: Und ſchau ich dich, du kalte Sylvia! So muß ich doch den geiſt aufgeben, Denn deine grauſamkeit erbarmt ſich keiner noth. Elender lohn, den lieb und treu verſpricht! Jch ſchau mein Leben oder nicht; So kuͤſſet mich der kalte tod. Als ſie ihn fragte: Warum er ſo blaß waͤre? LIſette! wilt du wiſſen, Warum mein wange denn ſo blaſſe farbe fuͤhrt? So darffſt du nur die liebe fragen; Denn dieſe wird dir ſagen: Daß das feuer, ſo den demant deiner hellen augen ziert, Mein hertze ſchon durchaus verzehret, Davon die aſche mir itzt ins geſichte faͤhret. Er giebt ihr ſein mitleiden zu er- kennen. SO weineſt du? ach ja, du weinſt, mein Leben! Und ich, ich ſelber wein’, und muß in aͤngſten ſchweben; Denn deine wehmuth dringt in meiner adern blut: Wiewol ſie redet nicht; Doch wilſt du ſie verſtehn? So

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte05_1710
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte05_1710/264
Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 5. Leipzig, 1710, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte05_1710/264>, abgerufen am 23.11.2024.