Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 5. Leipzig, 1710.Leanders aus Schlesien Die sich so gerne möcht' in Florabellen spiegeln.Verwandle mich demnach fein bald Jn diese zart' und artige gestalt; Mach alle regungen zu flügeln; Mach' aus den seuffzern reine lufft, Damit ich nach dem ziele streiche, Dahin mich mein verlangen rufft, Und in ihren schönen augen mein gewünschtes nest erreiche! Doch was vor furcht hemmt meinen heißen schluß? Muß ich die flügel sincken lassen? Darff denn mein hertze nicht die süße kühnheit fassen? Nein, nein! weil es so netz' als pfeile fürchten muß. Als er Sylvien des Ovidii ver- HIer legt Ovidiuswandlungs-bücher übersendete. Sein schönstes werck zu deinen füßen, Und wünscht, o Sylvia! die schöne faust zu küssen, Vor der sich alles neigen muß. Ließ es nur fleißig durch, so wirst du menschen finden, Die ihrer liebe glut in brunn und meer verkehrt: Daß aber mich die brunst so weit noch nicht verzehrt, Jst unschwer zu ergründen. Denn obschon meiner thränen lauf Mich längst zum fluß und brunnen machen können, So locken doch die flammen, die mich brennen, Die blicke Sylviens stets meine thränen auf. Daphne überwindet ihren affect. ALs Thyrsis sich den guckguck reiten ließDie muntre Sylvia zu lieben, Wie konnte Daphnen das betrüben! Es trieb die traurigkeit sie in das paradies, Und
Leanders aus Schleſien Die ſich ſo gerne moͤcht’ in Florabellen ſpiegeln.Verwandle mich demnach fein bald Jn dieſe zart’ und artige geſtalt; Mach alle regungen zu fluͤgeln; Mach’ aus den ſeuffzern reine lufft, Damit ich nach dem ziele ſtreiche, Dahin mich mein verlangen rufft, Und in ihren ſchoͤnen augen mein gewuͤnſchtes neſt erreiche! Doch was vor furcht hemmt meinen heißen ſchluß? Muß ich die fluͤgel ſincken laſſen? Darff denn mein hertze nicht die ſuͤße kuͤhnheit faſſen? Nein, nein! weil es ſo netz’ als pfeile fuͤrchten muß. Als er Sylvien des Ovidii ver- HIer legt Ovidiuswandlungs-buͤcher uͤberſendete. Sein ſchoͤnſtes werck zu deinen fuͤßen, Und wuͤnſcht, o Sylvia! die ſchoͤne fauſt zu kuͤſſen, Vor der ſich alles neigen muß. Ließ es nur fleißig durch, ſo wirſt du menſchen finden, Die ihrer liebe glut in brunn und meer verkehrt: Daß aber mich die brunſt ſo weit noch nicht verzehrt, Jſt unſchwer zu ergruͤnden. Denn obſchon meiner thraͤnen lauf Mich laͤngſt zum fluß und brunnen machen koͤnnen, So locken doch die flammen, die mich brennen, Die blicke Sylviens ſtets meine thraͤnen auf. Daphne uͤberwindet ihren affect. ALs Thyrſis ſich den guckguck reiten ließDie muntre Sylvia zu lieben, Wie konnte Daphnen das betruͤben! Es trieb die traurigkeit ſie in das paradies, Und
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Leanders aus Schleſien
Die ſich ſo gerne moͤcht’ in Florabellen ſpiegeln.
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Mach alle regungen zu fluͤgeln;
Mach’ aus den ſeuffzern reine lufft,
Damit ich nach dem ziele ſtreiche,
Dahin mich mein verlangen rufft,
Und in ihren ſchoͤnen augen mein gewuͤnſchtes neſt erreiche!
Doch was vor furcht hemmt meinen heißen ſchluß?
Muß ich die fluͤgel ſincken laſſen?
Darff denn mein hertze nicht die ſuͤße kuͤhnheit faſſen?
Nein, nein! weil es ſo netz’ als pfeile fuͤrchten muß.
Als er Sylvien des Ovidii ver-
wandlungs-buͤcher uͤberſendete.
HIer legt Ovidius
Sein ſchoͤnſtes werck zu deinen fuͤßen,
Und wuͤnſcht, o Sylvia! die ſchoͤne fauſt zu kuͤſſen,
Vor der ſich alles neigen muß.
Ließ es nur fleißig durch, ſo wirſt du menſchen finden,
Die ihrer liebe glut in brunn und meer verkehrt:
Daß aber mich die brunſt ſo weit noch nicht verzehrt,
Jſt unſchwer zu ergruͤnden.
Denn obſchon meiner thraͤnen lauf
Mich laͤngſt zum fluß und brunnen machen koͤnnen,
So locken doch die flammen, die mich brennen,
Die blicke Sylviens ſtets meine thraͤnen auf.
Daphne uͤberwindet ihren affect.
ALs Thyrſis ſich den guckguck reiten ließ
Die muntre Sylvia zu lieben,
Wie konnte Daphnen das betruͤben!
Es trieb die traurigkeit ſie in das paradies,
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