Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 5. Leipzig, 1710.

Bild:
<< vorherige Seite
Vermischte Gedichte.
Sein süßes lauten-spiel, bey dem er offt das essen,
Dich endlich, Hyacinth! dich, Daphne! selbst, vergessen.
Hier war es, da der Held fast kranck sich niederließ;
Der wunsch, den gantz Berlin aus vollem hertzen stieß,
War vom verhängnisse schon längsten unterschrieben.
Jch will, sprach es, dein Fürst soll leben und auch lieben,
Und wieder frölich seyn. Geh, Amor! führ es fort:
Geh auch, Vergessenheit! Eilt! flieget an den ort,
Wo König Friedrich ist. Du, geuß ihm, wenn er wincket,
Von Lethens wasser zu! Du, flöß ihm, wenn er trincket,
Der liebe balsam ein! Gesagt und auch geschehn!
Der König hatte kaum den wunder-brunn gesehn;
Kaum hatt' er hand und mund am becher angesetzet;
Als ihn, ich weiß nicht, was für eine lust, ergetzet:
Als er, ich weiß nicht, was für einen trieb empfieng,
Der erstlich in das blut, denn in die sinnen gieng,
Und endlich meister ward. Ach! sprach der fromme König,
Was seyd ihr schäfer doch! Jhr habt an güthern wenig,
Doch freude mehr als ich. Jhr liebet ohne schen:
Und wo cypressen seyn, legt ihr auch myrthen bey.
Stirbt euch die Phyllis hin, nehmt ihr die Doris wieder.
Jch steh' mit aengsten auf, mit angst leg ich mich nieder,
Und schleppe, wo ich geh', stets meine Todte nach.
Ach! rieff der wiederschall: Wer klagt mein ungemach?
Wer, fuhr der König fort, ersetzt mir, die ich liebe?
Die liebe, klang der thal: Daß liebe nur betrübe,
Das weiß ich, sprach der Held: Von ihr kommt meine müh'.
Jst liebe mehr als witz? mehr als philosophie?
Sophie, rieff echo nach: Schmertzhafftes angedencken!
Versetzte Friderich: Kanst du sie wiederschencken?
Charlotte ist erblaßt, die schöne Königin.
Mit ihr starb auch Sophie. Sophie ist, schwer ich, hin!
Schwerin erklang der wald: Soll sie Schwerin mir geben?
Wohlan! so last uns denn hin nach Schwerin erheben!
Sprach abermals der Held. Wie wenn ein funcke sich
Jn feste ballen setzt, nicht bald auch äuserlich
Die gantze glut erscheint: Sie kömmet nur geschlichen:
Sie wartet, bis ihr feind, die feuchtigkeit gewichen
Und
M 2
Vermiſchte Gedichte.
Sein ſuͤßes lauten-ſpiel, bey dem er offt das eſſen,
Dich endlich, Hyacinth! dich, Daphne! ſelbſt, vergeſſen.
Hier war es, da der Held faſt kranck ſich niederließ;
Der wunſch, den gantz Berlin aus vollem hertzen ſtieß,
War vom verhaͤngniſſe ſchon laͤngſten unterſchrieben.
Jch will, ſprach es, dein Fuͤrſt ſoll leben und auch lieben,
Und wieder froͤlich ſeyn. Geh, Amor! fuͤhr es fort:
Geh auch, Vergeſſenheit! Eilt! flieget an den ort,
Wo Koͤnig Friedrich iſt. Du, geuß ihm, wenn er wincket,
Von Lethens waſſer zu! Du, floͤß ihm, wenn er trincket,
Der liebe balſam ein! Geſagt und auch geſchehn!
Der Koͤnig hatte kaum den wunder-brunn geſehn;
Kaum hatt’ er hand und mund am becher angeſetzet;
Als ihn, ich weiß nicht, was fuͤr eine luſt, ergetzet:
Als er, ich weiß nicht, was fuͤr einen trieb empfieng,
Der erſtlich in das blut, denn in die ſinnen gieng,
Und endlich meiſter ward. Ach! ſprach der fromme Koͤnig,
Was ſeyd ihr ſchaͤfer doch! Jhr habt an guͤthern wenig,
Doch freude mehr als ich. Jhr liebet ohne ſchen:
Und wo cypreſſen ſeyn, legt ihr auch myrthen bey.
Stirbt euch die Phyllis hin, nehmt ihr die Doris wieder.
Jch ſteh’ mit aengſten auf, mit angſt leg ich mich nieder,
Und ſchleppe, wo ich geh’, ſtets meine Todte nach.
Ach! rieff der wiederſchall: Wer klagt mein ungemach?
Wer, fuhr der Koͤnig fort, erſetzt mir, die ich liebe?
Die liebe, klang der thal: Daß liebe nur betruͤbe,
Das weiß ich, ſprach der Held: Von ihr kommt meine muͤh’.
Jſt liebe mehr als witz? mehr als philoſophie?
Sophie, rieff echo nach: Schmertzhafftes angedencken!
Verſetzte Friderich: Kanſt du ſie wiederſchencken?
Charlotte iſt erblaßt, die ſchoͤne Koͤnigin.
Mit ihr ſtarb auch Sophie. Sophie iſt, ſchwer ich, hin!
Schwerin erklang der wald: Soll ſie Schwerin mir geben?
Wohlan! ſo laſt uns denn hin nach Schwerin erheben!
Sprach abermals der Held. Wie wenn ein funcke ſich
Jn feſte ballen ſetzt, nicht bald auch aͤuſerlich
Die gantze glut erſcheint: Sie koͤmmet nur geſchlichen:
Sie wartet, bis ihr feind, die feuchtigkeit gewichen
Und
M 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0181" n="179"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Vermi&#x017F;chte Gedichte.</hi> </fw><lb/>
          <l>Sein &#x017F;u&#x0364;ßes lauten-&#x017F;piel, bey dem er offt das e&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
          <l>Dich endlich, Hyacinth! dich, Daphne! &#x017F;elb&#x017F;t, verge&#x017F;&#x017F;en.</l><lb/>
          <l>Hier war es, da der Held fa&#x017F;t kranck &#x017F;ich niederließ;</l><lb/>
          <l>Der wun&#x017F;ch, den gantz Berlin aus vollem hertzen &#x017F;tieß,</l><lb/>
          <l>War vom verha&#x0364;ngni&#x017F;&#x017F;e &#x017F;chon la&#x0364;ng&#x017F;ten unter&#x017F;chrieben.</l><lb/>
          <l>Jch will, &#x017F;prach es, dein Fu&#x0364;r&#x017F;t &#x017F;oll leben und auch lieben,</l><lb/>
          <l>Und wieder fro&#x0364;lich &#x017F;eyn. Geh, Amor! fu&#x0364;hr es fort:</l><lb/>
          <l>Geh auch, Verge&#x017F;&#x017F;enheit! Eilt! flieget an den ort,</l><lb/>
          <l>Wo Ko&#x0364;nig Friedrich i&#x017F;t. Du, geuß ihm, wenn er wincket,</l><lb/>
          <l>Von Lethens wa&#x017F;&#x017F;er zu! Du, flo&#x0364;ß ihm, wenn er trincket,</l><lb/>
          <l>Der liebe bal&#x017F;am ein! Ge&#x017F;agt und auch ge&#x017F;chehn!</l><lb/>
          <l>Der Ko&#x0364;nig hatte kaum den wunder-brunn ge&#x017F;ehn;</l><lb/>
          <l>Kaum hatt&#x2019; er hand und mund am becher ange&#x017F;etzet;</l><lb/>
          <l>Als ihn, ich weiß nicht, was fu&#x0364;r eine lu&#x017F;t, ergetzet:</l><lb/>
          <l>Als er, ich weiß nicht, was fu&#x0364;r einen trieb empfieng,</l><lb/>
          <l>Der er&#x017F;tlich in das blut, denn in die &#x017F;innen gieng,</l><lb/>
          <l>Und endlich mei&#x017F;ter ward. Ach! &#x017F;prach der fromme Ko&#x0364;nig,</l><lb/>
          <l>Was &#x017F;eyd ihr &#x017F;cha&#x0364;fer doch! Jhr habt an gu&#x0364;thern wenig,</l><lb/>
          <l>Doch freude mehr als ich. Jhr liebet ohne &#x017F;chen:</l><lb/>
          <l>Und wo cypre&#x017F;&#x017F;en &#x017F;eyn, legt ihr auch myrthen bey.</l><lb/>
          <l>Stirbt euch die Phyllis hin, nehmt ihr die Doris wieder.</l><lb/>
          <l>Jch &#x017F;teh&#x2019; mit aeng&#x017F;ten auf, mit ang&#x017F;t leg ich mich nieder,</l><lb/>
          <l>Und &#x017F;chleppe, wo ich geh&#x2019;, &#x017F;tets meine Todte nach.</l><lb/>
          <l>Ach! rieff der wieder&#x017F;chall: Wer klagt mein ungemach?</l><lb/>
          <l>Wer, fuhr der Ko&#x0364;nig fort, er&#x017F;etzt mir, die ich liebe?</l><lb/>
          <l>Die liebe, klang der thal: Daß liebe nur betru&#x0364;be,</l><lb/>
          <l>Das weiß ich, &#x017F;prach der Held: Von ihr kommt meine mu&#x0364;h&#x2019;.</l><lb/>
          <l>J&#x017F;t liebe mehr als witz? mehr als philo&#x017F;ophie?</l><lb/>
          <l>Sophie, rieff echo nach: Schmertzhafftes angedencken!</l><lb/>
          <l>Ver&#x017F;etzte Friderich: Kan&#x017F;t du &#x017F;ie wieder&#x017F;chencken?</l><lb/>
          <l>Charlotte i&#x017F;t erblaßt, die &#x017F;cho&#x0364;ne Ko&#x0364;nigin.</l><lb/>
          <l>Mit ihr &#x017F;tarb auch Sophie. Sophie i&#x017F;t, &#x017F;chwer ich, hin!</l><lb/>
          <l>Schwerin erklang der wald: Soll &#x017F;ie Schwerin mir geben?</l><lb/>
          <l>Wohlan! &#x017F;o la&#x017F;t uns denn hin nach Schwerin erheben!</l><lb/>
          <l>Sprach abermals der Held. Wie wenn ein funcke &#x017F;ich</l><lb/>
          <l>Jn fe&#x017F;te ballen &#x017F;etzt, nicht bald auch a&#x0364;u&#x017F;erlich</l><lb/>
          <l>Die gantze glut er&#x017F;cheint: Sie ko&#x0364;mmet nur ge&#x017F;chlichen:</l><lb/>
          <l>Sie wartet, bis ihr feind, die feuchtigkeit gewichen</l><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">M 2</fw>
          <fw place="bottom" type="catch">Und</fw><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[179/0181] Vermiſchte Gedichte. Sein ſuͤßes lauten-ſpiel, bey dem er offt das eſſen, Dich endlich, Hyacinth! dich, Daphne! ſelbſt, vergeſſen. Hier war es, da der Held faſt kranck ſich niederließ; Der wunſch, den gantz Berlin aus vollem hertzen ſtieß, War vom verhaͤngniſſe ſchon laͤngſten unterſchrieben. Jch will, ſprach es, dein Fuͤrſt ſoll leben und auch lieben, Und wieder froͤlich ſeyn. Geh, Amor! fuͤhr es fort: Geh auch, Vergeſſenheit! Eilt! flieget an den ort, Wo Koͤnig Friedrich iſt. Du, geuß ihm, wenn er wincket, Von Lethens waſſer zu! Du, floͤß ihm, wenn er trincket, Der liebe balſam ein! Geſagt und auch geſchehn! Der Koͤnig hatte kaum den wunder-brunn geſehn; Kaum hatt’ er hand und mund am becher angeſetzet; Als ihn, ich weiß nicht, was fuͤr eine luſt, ergetzet: Als er, ich weiß nicht, was fuͤr einen trieb empfieng, Der erſtlich in das blut, denn in die ſinnen gieng, Und endlich meiſter ward. Ach! ſprach der fromme Koͤnig, Was ſeyd ihr ſchaͤfer doch! Jhr habt an guͤthern wenig, Doch freude mehr als ich. Jhr liebet ohne ſchen: Und wo cypreſſen ſeyn, legt ihr auch myrthen bey. Stirbt euch die Phyllis hin, nehmt ihr die Doris wieder. Jch ſteh’ mit aengſten auf, mit angſt leg ich mich nieder, Und ſchleppe, wo ich geh’, ſtets meine Todte nach. Ach! rieff der wiederſchall: Wer klagt mein ungemach? Wer, fuhr der Koͤnig fort, erſetzt mir, die ich liebe? Die liebe, klang der thal: Daß liebe nur betruͤbe, Das weiß ich, ſprach der Held: Von ihr kommt meine muͤh’. Jſt liebe mehr als witz? mehr als philoſophie? Sophie, rieff echo nach: Schmertzhafftes angedencken! Verſetzte Friderich: Kanſt du ſie wiederſchencken? Charlotte iſt erblaßt, die ſchoͤne Koͤnigin. Mit ihr ſtarb auch Sophie. Sophie iſt, ſchwer ich, hin! Schwerin erklang der wald: Soll ſie Schwerin mir geben? Wohlan! ſo laſt uns denn hin nach Schwerin erheben! Sprach abermals der Held. Wie wenn ein funcke ſich Jn feſte ballen ſetzt, nicht bald auch aͤuſerlich Die gantze glut erſcheint: Sie koͤmmet nur geſchlichen: Sie wartet, bis ihr feind, die feuchtigkeit gewichen Und M 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte05_1710
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte05_1710/181
Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 5. Leipzig, 1710, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte05_1710/181>, abgerufen am 23.11.2024.