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Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 5. Leipzig, 1710.

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Vermischte Gedichte.
So brach auch unser hertz, so sang auch unser chor,
Das chor des Musen-volcks, viel leiser als zuvor.
Die meisten seuffzten nur, und schrieben aller orten
Zwar Preussens thaten an; doch nur mit halben worten:
Doch noch mit halber furcht, daß diese bittre pein
Von einer mächtigern nicht möchte mutter seyn.
Wie? rieffen wir bestürtzt: Jst dieses nun das glücke,
Das unsern König crönt? Flieht, zeiten! flieht zurücke!
Verfloßne kehret um! und zeigt dem himmel an,
Was unser Friderich für GOttes heer gethan.
Sagt, armen! wie er euch mit wohlthat unterstützet:
Sagt, reiche! wie er euch durch strenges recht geschützet;
Sprecht, freunde! was sein arm für euer heyl gewagt:
Sprecht, feinde! was sein mund zu eurer ruh gesagt.
So schry'n, so klagten wir: Der schmertz drang in die glieder:
Die glieder gaben ihn dem munde doppelt wieder:
Der mund behielt ihn nicht; er trug ihn in den wald,
Allwo er, wie man sagt, noch heute wiederschallt:
Allwo auch, wie man spricht, die treue Philomele
Nicht so, wie sonsten nur, in ihrer wittwen-höle,
Den raub der jungen klagt, den todten buhlen meynt;
Nein! sondern inniglich um unsern Printzen weint.
Der Preussen Held allein, ihr großer Held alleine,
Blieb im gewichte stehn, gleich einem felsen-steine,
An den das wilde meer zwar seine wellen schlägt,
Der aber mehr die flut, als ihn die flut bewegt.
Jhn drückte ja wol auch, was wir so schwer empfunden:
Er fühlte mehr, als wir, die tieffe seiner wunden:
Doch unser trost zu seyn, verbarg er alles leid:
Doch länger uns zu sehn, zog er auf kurtze zeit
Aus unsern augen weg: Es ist in kühlen gründen,
Wo Zechus einst gewohnt, ein kleiner ort zu finden,
Der immer lustig ist, wo immer wasser qvillt,
Das der gesunden durst, der krancken schmertzen ftillt.
Man sagt: daß Phöbus hier sein lager aufgeschlagen,
Als er der Daphne raub in stiller angst ertragen:
Daß er halb-todten hier das leben wiederbracht,
Und eben auch allhier sein süßes spiel erdacht;
Sein
Vermiſchte Gedichte.
So brach auch unſer hertz, ſo ſang auch unſer chor,
Das chor des Muſen-volcks, viel leiſer als zuvor.
Die meiſten ſeuffzten nur, und ſchrieben aller orten
Zwar Preuſſens thaten an; doch nur mit halben worten:
Doch noch mit halber furcht, daß dieſe bittre pein
Von einer maͤchtigern nicht moͤchte mutter ſeyn.
Wie? rieffen wir beſtuͤrtzt: Jſt dieſes nun das gluͤcke,
Das unſern Koͤnig croͤnt? Flieht, zeiten! flieht zuruͤcke!
Verfloßne kehret um! und zeigt dem himmel an,
Was unſer Friderich fuͤr GOttes heer gethan.
Sagt, armen! wie er euch mit wohlthat unterſtuͤtzet:
Sagt, reiche! wie er euch durch ſtrenges recht geſchuͤtzet;
Sprecht, freunde! was ſein arm fuͤr euer heyl gewagt:
Sprecht, feinde! was ſein mund zu eurer ruh geſagt.
So ſchry’n, ſo klagten wir: Der ſchmertz drang in die glieder:
Die glieder gaben ihn dem munde doppelt wieder:
Der mund behielt ihn nicht; er trug ihn in den wald,
Allwo er, wie man ſagt, noch heute wiederſchallt:
Allwo auch, wie man ſpricht, die treue Philomele
Nicht ſo, wie ſonſten nur, in ihrer wittwen-hoͤle,
Den raub der jungen klagt, den todten buhlen meynt;
Nein! ſondern inniglich um unſern Printzen weint.
Der Preuſſen Held allein, ihr großer Held alleine,
Blieb im gewichte ſtehn, gleich einem felſen-ſteine,
An den das wilde meer zwar ſeine wellen ſchlaͤgt,
Der aber mehr die flut, als ihn die flut bewegt.
Jhn druͤckte ja wol auch, was wir ſo ſchwer empfunden:
Er fuͤhlte mehr, als wir, die tieffe ſeiner wunden:
Doch unſer troſt zu ſeyn, verbarg er alles leid:
Doch laͤnger uns zu ſehn, zog er auf kurtze zeit
Aus unſern augen weg: Es iſt in kuͤhlen gruͤnden,
Wo Zechus einſt gewohnt, ein kleiner ort zu finden,
Der immer luſtig iſt, wo immer waſſer qvillt,
Das der geſunden durſt, der krancken ſchmertzen ftillt.
Man ſagt: daß Phoͤbus hier ſein lager aufgeſchlagen,
Als er der Daphne raub in ſtiller angſt ertragen:
Daß er halb-todten hier das leben wiederbracht,
Und eben auch allhier ſein ſuͤßes ſpiel erdacht;
Sein
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[178/0180] Vermiſchte Gedichte. So brach auch unſer hertz, ſo ſang auch unſer chor, Das chor des Muſen-volcks, viel leiſer als zuvor. Die meiſten ſeuffzten nur, und ſchrieben aller orten Zwar Preuſſens thaten an; doch nur mit halben worten: Doch noch mit halber furcht, daß dieſe bittre pein Von einer maͤchtigern nicht moͤchte mutter ſeyn. Wie? rieffen wir beſtuͤrtzt: Jſt dieſes nun das gluͤcke, Das unſern Koͤnig croͤnt? Flieht, zeiten! flieht zuruͤcke! Verfloßne kehret um! und zeigt dem himmel an, Was unſer Friderich fuͤr GOttes heer gethan. Sagt, armen! wie er euch mit wohlthat unterſtuͤtzet: Sagt, reiche! wie er euch durch ſtrenges recht geſchuͤtzet; Sprecht, freunde! was ſein arm fuͤr euer heyl gewagt: Sprecht, feinde! was ſein mund zu eurer ruh geſagt. So ſchry’n, ſo klagten wir: Der ſchmertz drang in die glieder: Die glieder gaben ihn dem munde doppelt wieder: Der mund behielt ihn nicht; er trug ihn in den wald, Allwo er, wie man ſagt, noch heute wiederſchallt: Allwo auch, wie man ſpricht, die treue Philomele Nicht ſo, wie ſonſten nur, in ihrer wittwen-hoͤle, Den raub der jungen klagt, den todten buhlen meynt; Nein! ſondern inniglich um unſern Printzen weint. Der Preuſſen Held allein, ihr großer Held alleine, Blieb im gewichte ſtehn, gleich einem felſen-ſteine, An den das wilde meer zwar ſeine wellen ſchlaͤgt, Der aber mehr die flut, als ihn die flut bewegt. Jhn druͤckte ja wol auch, was wir ſo ſchwer empfunden: Er fuͤhlte mehr, als wir, die tieffe ſeiner wunden: Doch unſer troſt zu ſeyn, verbarg er alles leid: Doch laͤnger uns zu ſehn, zog er auf kurtze zeit Aus unſern augen weg: Es iſt in kuͤhlen gruͤnden, Wo Zechus einſt gewohnt, ein kleiner ort zu finden, Der immer luſtig iſt, wo immer waſſer qvillt, Das der geſunden durſt, der krancken ſchmertzen ftillt. Man ſagt: daß Phoͤbus hier ſein lager aufgeſchlagen, Als er der Daphne raub in ſtiller angſt ertragen: Daß er halb-todten hier das leben wiederbracht, Und eben auch allhier ſein ſuͤßes ſpiel erdacht; Sein

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Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 5. Leipzig, 1710, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte05_1710/180>, abgerufen am 23.11.2024.