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Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 5. Leipzig, 1710.

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Begräbniß-Gedichte.
Und unempfindlicher, als wilde Mohren seyn,
Der nicht auf deinen ruhm soll frische thränen lassen.
Welch nebel aber klebt doch meinen augen an?
Genug! Betrübteste! die thränen sind verstrichen,
Jhr allerliebster Sohn tritt auf des himmels bahn,
Und ist dem Ninive der erden ausgewichen.
Sein blut-bespritzter leib macht nun in JEsus schoos
Die rosen-rothe bahn zu reinen silber-qvellen,
Nachdem die seele sich von allen sünden los,
Vor GOttes augen kan in weisen atlas stellen.
Die engel waschen selbst der wunden scharlach ab,
Und lehren, wie er soll dem Höchsten opffer bringen;
Er, der zu guter nacht durch das bedeckte grab
An seine Freunde noch läst diesen trost erklingen:
Ade! ich lebe wohl, und ist gleich meine brust
So, wie der abend-glantz bepurpert untergangen,
So glaubt, daß nach der zeit die sonne meiner lust
Auch wie der morgen wird in vollem golde prangen.


Der rechte Jsraeliter,
vorgestellt
Bey der beerdigung
Herrn J. Dewerdecks, wein-han-
delsmanns in Liegnitz.
B. S.
JTzt, da man schwartz und weiß mit einer feder schreibt,
Da gall und honigseim aus einem munde qvellen,
Und wenn die augen sich wie tauben-blicke stellen,
Das hertze doch ein nest vergiffter schlangen bleibt:
Jtzt, sag ich, ist die zeit, da redliche gemüther
Kaum mit der aloe in funffzig jahren blühn:
Es wächst die wahre treu wie seltnes winter-grün,
Und ist so angenehm, als die verlegnen güther:
Der
L 2
Begraͤbniß-Gedichte.
Und unempfindlicher, als wilde Mohren ſeyn,
Der nicht auf deinen ruhm ſoll friſche thraͤnen laſſen.
Welch nebel aber klebt doch meinen augen an?
Genug! Betruͤbteſte! die thraͤnen ſind verſtrichen,
Jhr allerliebſter Sohn tritt auf des himmels bahn,
Und iſt dem Ninive der erden ausgewichen.
Sein blut-beſpritzter leib macht nun in JEſus ſchoos
Die roſen-rothe bahn zu reinen ſilber-qvellen,
Nachdem die ſeele ſich von allen ſuͤnden los,
Vor GOttes augen kan in weiſen atlas ſtellen.
Die engel waſchen ſelbſt der wunden ſcharlach ab,
Und lehren, wie er ſoll dem Hoͤchſten opffer bringen;
Er, der zu guter nacht durch das bedeckte grab
An ſeine Freunde noch laͤſt dieſen troſt erklingen:
Ade! ich lebe wohl, und iſt gleich meine bruſt
So, wie der abend-glantz bepurpert untergangen,
So glaubt, daß nach der zeit die ſonne meiner luſt
Auch wie der morgen wird in vollem golde prangen.


Der rechte Jſraeliter,
vorgeſtellt
Bey der beerdigung
Herrn J. Dewerdecks, wein-han-
delsmanns in Liegnitz.
B. S.
JTzt, da man ſchwartz und weiß mit einer feder ſchreibt,
Da gall und honigſeim aus einem munde qvellen,
Und wenn die augen ſich wie tauben-blicke ſtellen,
Das hertze doch ein neſt vergiffter ſchlangen bleibt:
Jtzt, ſag ich, iſt die zeit, da redliche gemuͤther
Kaum mit der aloe in funffzig jahren bluͤhn:
Es waͤchſt die wahre treu wie ſeltnes winter-gruͤn,
Und iſt ſo angenehm, als die verlegnen guͤther:
Der
L 2
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[163/0165] Begraͤbniß-Gedichte. Und unempfindlicher, als wilde Mohren ſeyn, Der nicht auf deinen ruhm ſoll friſche thraͤnen laſſen. Welch nebel aber klebt doch meinen augen an? Genug! Betruͤbteſte! die thraͤnen ſind verſtrichen, Jhr allerliebſter Sohn tritt auf des himmels bahn, Und iſt dem Ninive der erden ausgewichen. Sein blut-beſpritzter leib macht nun in JEſus ſchoos Die roſen-rothe bahn zu reinen ſilber-qvellen, Nachdem die ſeele ſich von allen ſuͤnden los, Vor GOttes augen kan in weiſen atlas ſtellen. Die engel waſchen ſelbſt der wunden ſcharlach ab, Und lehren, wie er ſoll dem Hoͤchſten opffer bringen; Er, der zu guter nacht durch das bedeckte grab An ſeine Freunde noch laͤſt dieſen troſt erklingen: Ade! ich lebe wohl, und iſt gleich meine bruſt So, wie der abend-glantz bepurpert untergangen, So glaubt, daß nach der zeit die ſonne meiner luſt Auch wie der morgen wird in vollem golde prangen. Der rechte Jſraeliter, vorgeſtellt Bey der beerdigung Herrn J. Dewerdecks, wein-han- delsmanns in Liegnitz. B. S. JTzt, da man ſchwartz und weiß mit einer feder ſchreibt, Da gall und honigſeim aus einem munde qvellen, Und wenn die augen ſich wie tauben-blicke ſtellen, Das hertze doch ein neſt vergiffter ſchlangen bleibt: Jtzt, ſag ich, iſt die zeit, da redliche gemuͤther Kaum mit der aloe in funffzig jahren bluͤhn: Es waͤchſt die wahre treu wie ſeltnes winter-gruͤn, Und iſt ſo angenehm, als die verlegnen guͤther: Der L 2

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Zitationshilfe: Hofmannswaldau, Christian Hofmann von: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesene und bißher ungedruckte Gedichte. Bd. 5. Leipzig, 1710, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hoffmannswaldau_gedichte05_1710/165>, abgerufen am 08.05.2024.